|
|
Sie atmete flach und beherrscht, aber wenn dieser Kailasa ihren Herzschlag hören könnte, wie es einem Achak vermutlich möglich wäre, würde er sie auf der Stelle auslachen. Da war sich Phia absolut sicher. Trotzdem klang ihre Stimme fest und ruhig. Keine Anzeichen für den schnellen Herzschlag und die unfassbare Angst in ihr, die noch wuchs, als dieses Monster von Mann ihr näher kam und auch im Wasser vor ihr stehend noch fast so groß war wie sie selbst, obwohl sie ja auf einem Stein stand. Sophia hatte geschwiegen, während er seinen Weg langsam zu ihr begangen hatte. Dann räusperte sie sich leicht, musterte den Kailasa einmal und musste durchaus zugeben, dass er was hatte. Rein körperlich und absolut oberflächlich betrachtet. Und sie konnte sein Blut hören. Dieses Gefühl hatte Sophia noch nie verspürt. Sie wusste, dass diese ‚Fähigkeiten’ vor allem dann verstärkt zum Ausdruck kamen, wenn sie ihr gegenüber anziehend fand und somit eben sein Blut anziehend, aber das wollte sie sich lieber nicht eingestehen. Stattdessen setzte sie ein leichtes, freches Lächeln auf ihre Lippen – im Täuschen von Menschen war sie ja schon seit ihrer Geburt geübt – und neigte sich ein wenig nach vorne. „Soll ich dir vielleicht erstmal aus dem Wasser helfen? Sieht nicht all zu gemütlich aus“, meinte sie so locker wie es ihr möglich war und schaffte es danach sogar ihm ihre Hand entgegen zu strecken. Dass es ihm nun ein noch leichteres war sie ins Wasser zu ziehen und einfach zu ertränken, war Phia nicht bewusst. An so etwas dachte sie überhaupt nicht, was vermutlich auch damit zusammen hing, dass sie mit Menschen aufgewachsen war und sich kaum mit den anderen Wesen auskannte. Und im Augenblick war sie auch einfach ein bisschen stolz auf sich, weil ihre Hand kein bisschen zitterte und sie mit Sicherheit ziemlich sexy aussah mit den engen Klamotten, dem roten, leicht welligen und ebenfalls nassem Haar und natürlich ihrem immer noch vorhandenen koketten Lächeln. Irgendwie musste sie ihre Wachi-Kräfte ja auch zu ihrem Vorteil nutzen, Herzschlag hin oder her. „Und ich habe vor in die Stadt zu gehen. Ich hab da ne Weile in einem Haus gewohnt, wo es noch einige Ressourcen gab“, sagte sie dann recht ehrlich – dass sie ihren besten Freund dabei suchen wollte, sagte sie natürlich nicht – und fügte triefend vor Sarkasmus noch hinzu: „Und ich als armes schwaches Mädchen würde es doch niemals alleine schaffen durch dieses Wasser zu kommen.“ Irgendwie fand Sophia Gefallen an diesem Spiel und das leichte Lächeln wurde zu einem echten Grinsen, ihre Haltung wurde insgesamt etwas entspannter und sie fühlte sich irgendwie erleichtert, obwohl ja gar nichts wirklich passiert war. „Außerdem glaube ich nicht, dass der Walt gerade der beste Ort ist. Mir ist da letzte Nacht fast ein Baum auf den Kopf gefallen und wenn ich mir das so ansehe, scheinen mir die übrigen auch bald zu fallen“, meinte sie dann noch in recht neutralem Tonfall. Mehr als Hoffen, dass dieser Kailasa sie in die Stadt bringen würde, konnte sie nicht. Und vielleicht würde sie ja sogar etwas Blut für sich rausschlagen können, wobei ihr schon ein wenig komisch wurde bei dem Gedanken daran. Immerhin hatte sie sich ja ihr Leben lang ausschließlich von ein und der selben Person genährt und dieser Kerl hier war ihr vollkommen fremd. Aber vielleicht hatte das Blut eines echten Kailasas ja auch noch mehr Vorteile für sie. Menschenblut befriedigte, klar. Aber das dieses starken Wesens? Es reizte Sophia es herauszufinden.
Ein Lächeln breitete sich auf meinem Gesicht aus, als ich ihre Worte hörte und sie mir ihre Hand auch noch anbot. Süß, wie naiv und unschuldig sie noch war, dass sie das Risiko so bereitwillig einging, es wahrscheinlich nicht einmal bemerkte. "So ungemütlich ist es hier nicht mal. Das Wasser erfrischt schön", erwiderte ich und nur zu gern ergriff ich ihre Hand - und zog sie dann mit einem Ruck von dem Stein herunter ins Wasser und in meine Arme. Ich legte meine Hände an ihre Taille und schob sie vor mich, sodass sie noch etwa eine Handbreit von mir entfernt war. Verächtlich lächelnd beugte ich mich vor, bis sich unsere Nasen beinahe berührten, und sagte leise: "Du kannst dich glücklich schätzen, dass ich gestern noch gut gegessen habe." Auch wenn ich trotzdem ihren Gesichtsausdruck genoss. Ich hatte schon vor langer Zeit gelernt, dass auch Emotionen mich nähren konnten. Nein nähren nicht, aber wie leckerer Duft oder der Anblick von Essen den Appetit und die Vorfreude aufs eigentliche Essen steigern.
"So, arme schwache kleine Wachi, wenn der Wald deiner Meinung nach momentan nicht der beste Ort für mich ist, dann würde ich jetzt wohl in die Stadt aufbrechen. Und du, hilfloses hübsches Ding, kommst damit in den Genuss meiner Gesellschaft. Das geht doch in Ordnung für dich, oder?", fragte ich sie und blickte süffisant auf sie herab. Ich kam nicht umhin zu bemerken, dass sie aus dieser Nähe noch verführerischer aussah. Vor allem mit dieser unterschwelligen Angst, die sie schon eine ganze Weile umgab. Wie ich mich auf den Moment freute, diesen Ausdruck in puren Schmerz verwandeln zu können. Aber noch würde ich mich lieber noch ein Weilchen gedulden. Schließlich wollte ich es dann auch richtig genießen können.
Ich ließ die Kleine los und trat einen Schritt vor, in die Richtung, in der die Stadt lag. "Wollen wir gehen?"
Ein unterdrücktes Quietschen entkam ihrem Mund, als er sie tatsächlich zu sich ins Wasser zog und so knapp vor sich selbst fest hielt. Damit hatte sie nicht gerechnet, aber eins war sicher: Einem Kailasa die Hand hinhalten würde sie mit Sicherheit nicht noch mal tun.
Die Angst war ihr vermutlich aus den Augen zu lesen. Ihr gesamter Körper zitterte leicht, was aber auch ein kleines bisschen dem kalten Wasser zu verschulden war. Sie konnte nicht anders, als mit leicht geöffnetem Mund zu atmen, dem Kerl direkt in die Augen zu sehen und einfach zu schweigen. War das dann jetzt der Moment, wo sie seine Kraft spüren würde? Die Schmerzen, die so einen Kailasa nährten? Sophia wusste, dass es das war, was er brauchte. Ihren Schmerz, ihre Furcht, ihr Leid. Aber er tat nichts weiter, als sie in Panik zu versetzen und ließ die junge Wachi dann einfach wieder los. Phia stand bis zur Brust in dem kühlen Wasser und als er sich dann umdrehte und schon ein Stück in die Richtung der Stadt ging, musste sie selbst erstmal wieder ruhig werden. Cool bleiben, Sophia. Das war erschreckend, aber scheinbar will er dich nicht gleich töten. Also immer entspannen und cool wirken.. ich muss nur in die Stadt kommen und dann werde ich ihn schon wieder los. Das wird, ich kann das, ich schaffe das… Ihre Gedanken halfen tatsächlich sie ein wenig zu beruhigen, gemeinsam mit einem tiefen Atemzug. Ganz kurz zögerte sie noch, ob es nicht vielleicht doch klüger wäre wieder in das gruselige Haus zu gehen und zu hoffen, dass er dann einfach ohne sie verschwand, aber sie konnte nicht. Der da war ihre Chance Lucas zu finden und das war ihr wirklich wichtig. Er war immerhin ihr bester Freund – und ihre verlässliche Nahrungsquelle. Also nahm Sophia all ihren Mut zusammen, atmete noch einmal tief durch und schluckte die Angst runter. Dann tat sie den ersten Schritt hinter dem Kailasa her. „Wie heißt du überhaupt?“, fragte sie in so lockerem Tonfall, wie ihre Stimmung es im Augenblick zu ließ, „Ich meine, ein bisschen scheinen wir ja jetzt gemeinsam zu reisen.. zumindest den Namen des Anderen zu kennen, fände ich da angebracht, was meinst du?“ Ein möglichst passendes Lächeln zwang sie auf die trockenen Lippen und kämpfte sich weiter durch das tiefe Wasser.
Ich lachte auf. Ihre ganze vermeintliche Gelassenheit war mit einem Schlag verschwunden, obwohl sie sich noch so sehr bemühte, locker zu klingen. Süß. Ich freute mich schon wirklich darauf, ihren Schmerz kosten zu dürfen. Aber allmählich wollte ich sie nicht einmal mehr so foltern, wie ich es mit den meisten anderen getan hätte. Je mehr und je näher ich mich bei dieser kleinen Wachi aufhielt, desto anziehender wirkte sie auf mich. Ich hatte das schon öfter bei anderen Wachis erlebt, aber bei ihr kamen noch ihre Zierlichkeit dazu und, dass sie so naiv und unschuldig wirkte. Das weckte bei mir zwar nicht unbedingt einen wirklichen Beschützerinstinkt, aber ich wollte sie nicht, wie die anderen regungslos am Boden sehen. Zumindest nicht, bevor ich nicht auch meinen Teil abbekommen hatte. In beider Hinsicht.
"Ja, das meine ich auch", antwortete ich ihr grinsend. Süß, wie sie sich rechtfertigte, nur wegen so einer kleinen Sache wie einem Namen. "Ich heiße Rafael." Nachnamen interessierten in dieser Welt eh nicht mehr. Es war eh ein Wunder, wenn man den eigenen Nachnamen kannte. In meinem Fall konnte ich da meinem Bruder danken. Kurz fragte ich mich, ob er wohl noch lebte, dann jedoch bemerkte ich wieder, dass es mich nicht unbedingt interessierte. Wir hatten beide unsere eigenen Leben, was in dieser Welt hieß, dass wir uns wahrscheinlich eh nicht mehr begegneten.
Ich drehte mich halb zu ihr um und schritt seitwärts weiter durch das Wasser. Selbst so konnte ich mit ihr Schritt halten, das tiefe Wasser bereitete ihr offensichtlich Probleme. Natürlich könnte ich ihr anbieten, sie auf meinem Rücken zu tragen - mir würde es eh nichts ausmachen -, aber mir schien es fast so, als würde sie das Angebot nicht unbedingt gerne annehmen. Vielleicht später, wenn sie sich noch ein wenig abgekämpft hatte. Wieder dachte ich an den Deal, den ich ihr anbieten wollte, und suchte nach einer geeigneten Überleitung. Ich wollte die Kleine nicht verschrecken, dafür fand man in dieser Zeit viel zu selten Wachis. Nach einigen Sekunden fruchtlosen Grübelns fragte ich sie dann einfach recht direkt: "Woher kriegst du eigentlich das Blut, das du brauchst?" Wahrscheinlich würde sie die Frage verunsichern, aber das war mir egal. Es war schon praktisch, in dieser Welt keine Peinlichkeitsschwelle bzw eine sehr niedrige zu besitzen. Die Frage nach der Ernährung war beinahe ein Tabu, ich hatte bis jetzt kaum jemanden getroffen, der - insbesondere vor anderen Wesen - seine Essgewohnheiten diskutiert hätte. Außer natürlich die meisten der Wachis, mit denen ich den Deal schon durch hatte. Aber die Antwort dieser kleinen Wachi interessierte mich jetzt wirklich. Sie wirkte so unbedarft, dass sie sicher nicht im Wald oder in der Stadt mit ihren Fähigkeiten auf Männerjagd ging.
Mir war in den Gedanken beinahe entgangen, dass es hier in dem Gebäude mehr Wesen als nur uns zwei geben musste. Die Nacht war so friedlich verlaufen, ohne Randale und heftige Aufeinandertreffen, dass man beinahe unbesorgt sein konnte, wenn man denn leichtsinnig auf die Sache nieder schaute. Doch ich war keinesfalls leichtsinnig. Und Elija auch nicht. Nun gut, erst als er andere Stimmen in der Nähe andeutete, huschten meine Augen resigniert umher. Vielleicht hatte ich ja doch für einen Moment vergessen, dass wir jemandem in den Arm laufen konnten. So viele Leute, wie wir sie letztens beim Ausbruch des Sturmes, hier getroffen hatten, mussten es auch mindestens im Gebäude sein, wenn denn nicht schon jemand verschwunden war. Man konnte nie wissen, wer den gleichen Gedanken wie wir verfolgte. Im Moment war ich einfach nur erleichtert, dass sich hier im Eingangsbereich niemand aufhielt.
''Eine Frau und ein Mann?'', stellte ich nun eine Frage, um sich seinen Worten sicher zu sein. Mein Blick, der jedoch mehrmals suchend nach links, rechts und hinten glitt, sagte mir nicht, dass hier jemand war. Wie ich eben vermutet hatte. Trotzdem sollte man vorsichtig sein. Und es war auch noch zu bedenken, dass Elija viel bessere Sinne als ich besaß. Er konnte die kleinsten Dinge hören und die fahlsten riechen. Wirklich bewundernswert. Ich konnte mir noch nicht einmal vorstellen, wie man besser als ein normales Wesen meiner Art riechen konnte. Erneut erleichtert atmete ich die in mich aufgestaute Luft wieder aus, als der Achak versicherte, dass diese Personen weit genug weg waren. Ein unnötiges Nicken meinerseits und schon lief Elija voraus, ich hinterher. Ich ließ mich einfach an seiner Hand führen und würde ihm vermutlich sogar trauen, wenn ich die Augen schließen müsste und nichts sehen könnte. Sein Weg führte zum Eingangsbereich, durch den wir auch gekommen waren. Also doch Tür anstatt Fenster, jedoch befürchtete ich, dass es dort ziemlich schlimm aussah. Draußen meine ich. Vielleicht sogar ein umgestürzter Baum? Soweit ich mich erinnern konnte hatte dort vor dem Sturm eine sehr alte und knorrige Eiche gestanden, die kaum Blätter besaß.
Ich träumte nicht. Kein einziges Bild – metaphorisch gesprochen, denn diese Bilder stellte ich mir lediglich anhand meiner gegebenen Informationen vor – tanzte vor meinem geistigen Auge, obwohl ein wahrer Hurrikan von Gedanken und Empfindungen, die mit diesem neuen Kapitel meines Lebens einher gingen, durch meinen Kopf gerast waren, als mir am Vortag die Augen zufielen und der Schlaf wie eine alles unter sich begrabende Lawine über mich drüber rollte. Es konnte also nicht daran liegen, dass ich in meinem Oberstübchen nichts zu verarbeiten hatte… da gab es sogar mehr als genug, aber meine Verletzungen waren schwerer, als im ersten Moment gedacht, als das Adrenalin noch durch meine Blutbahnen raste und der Schock tief in den Knochen saß. Ich war müde, erschöpft und wollte meine Ruhe haben, die ich in der dunklen Nacht finden konnte. Zum Glück hatte ich die Wachi gefunden, die sich meinem Heißhunger und der Gier nach Erholung nicht entziehen konnte, sonst würde ich wohl nicht allzu bald aus meinem weggetretenen Zustand erwachen.
Die Sonne dürfte schon länger am Himmel stehen, nicht eben erst aufgegangen, denn dazu kam es mir zu warm in dem Zimmerchen vor und diese Wärme kam sicherlich nicht von dem verglühten Feuerchen, das wahrscheinlich vor ein paar Stunden noch tapfer ums Überleben gekämpft hat, bis es endgültig ausgegangen ist. Auch vereinzelte vögel konnte ich vor dem Fenster hören, die den neuen Tag begrüßten und bereits in heller Freude zu feiern schienen, was gleichzeitig für mich bedeutete, dass das Unwetter vorbei war. Und wirklich. Kein einziger Regentropfen war mehr zu hören, auch das bedrohliche Rauschen der Blätter in den wankenden Baumkronen war verstummt. Die Welt schien wieder ruhig und friedlich ihren Alltag zu bestreiten. Was mich auch darauf zurück kommen ließ, dass ich mich eigentlich aufmachen sollte und dieses Haus des Schreckens hinter mir lassen, denn sonderlich gute Erfahrungen verband ich mit diesem bald wieder verlassen in der Wildnis stehenden Gebäude nicht.
Meine Gedanken hüpften rege weiter, ließen mich erneut den gestrigen Tag mit all seinen Tiefpunkten durchleben und jagten mir dabei einen kalten Schauer über den Rücken. Dem Kailasa wollte ich so schnell nicht wieder über den Weg laufen, wo ich doch nur knapp entkommen war, bevor er mir den endgültigen Rest gegeben hätte. Mein Stolz fühlte sich eindeutig verletzt, von dieser Grobheit, mit der er mich abschlachten wollte und von meiner eigenen Unfähigkeit, mich ausreichend zu verteidigen, egal wie mitgenommen und schutzsuchend in diesen Vorraum getaumelt war. Frische Wut glomm in mir auf, verstärkt dadurch, dass meine Position in der Rangordnung dahin war und sich ein mir sehr vertrauter Achak lieber in Gesellschaft einer Wachi befand, als bei seinesgleichen – auch wenn dieses Wesen Minire war, die manchmal nur schwer auszuhalten war, aber dennoch gehörte sie zu dem ehemaligen Stamm und wies einige Eigenschaften auf, weshalb man sie genauso schätzen musste. Bei dem ganzen Ansturm an Gedanken begann mein Kopf erneut zu pulsieren und meine Schläfen pochten unangenehm im Takt meines Herzschlages. Nun, wo ich langsam, aber doch vollständig aus dem bitter notwendig gehabten Schlaf erwachte, meldete sich mein Körper nach und nach zu Wort und schien mir Bericht erstatten zu wollen… nur konnte ich auf diesen genauso gut verzichten. Ich war noch am Leben, was ich zum Großteil auch meiner gestrigen Mahlzeit zu verdanken hatte und war nicht gewillt, noch länger hier in dem Raum zu liegen und weiterhin wertvollel Zeit ungenutzt verstreichen zu lassen. Ich brauchte definitiv eine neue Lebensperspektive, wo nun meine oberste Priorität – der Stamm und seine Mitglieder – hinfällig geworden war.
Mein Körper war von dem plötzlichen Tatendrang und der Aktivität meines Kopfes nicht sonderlich erfreut und ließ langsam all meine Schürfwunden, Kratzer, Prellungen und sonstige Verletzungen durchsickern, was mir im ersten Moment beinahe den Atem raubte, aber es war bei Weitem nicht so schlimm, wie ich es am vorherigen Tag ausgehungert und ausgelaugt empfunden hatte. Das Brennen in meinen Armen, das Ziehen in den Beinen und das Stechen im Brustbereich waren kaum der Rede wert. Wieder einmal durfte ich mich über die heilende Wirkung eines befriedigten Hungergefühls erfreuen und wie schnell eine andere Seele meine Schmerzen lindern konnte – kombiniert mit einer erholsamen Nacht. Zwar fühlte ich mich nicht wie neugeboren, aber ich fühlte mich kräftig genug, um das Weite zu suchen und die Gegend hinter mir zu lassen.
Natürlich war das alles schnell einmal gesagt und die Theorie ließ sich für gewöhnlich nicht so leicht in die Praxis umsetzen, was auch in diesem Fall nicht anders war. Obwohl ich meiner Sehkraft beraubt war, begann sich beim Aufsetzen der Raum leicht zu bewegen, schwankte umher, sodass ich mich auf meinen Handflächen abstützen musste und erst mal eine kurze Pause einlegte. Sicher war sicher. Erst nachdem sich die Dunkelheit nicht mehr wie im Karussell drehte und das unangenehme Gefühl des Schwindels verschwunden waren, kämpfte ich mich auf die Beine, wo ich erneut verschnaufen musste und den Raum neu wahrnahm. Die Tür befand sich schräg zu meiner Linken, welche ich nun auch mit vorsichtigen Schritten anstrebte. Meine Beine schmerzten von einem bösen Muskelkater, aber meine – dank des Kailasa wahrscheinlich verstauchten – Hände waren das schlimmste Übel. Probehalber bewegte ich meine Finger immer wieder versuchshalber, beschloss aber, mir die Kleidung der toten Wachi zu Nutzen zu machen, in dem ich etwas von ihrer klobig gewordenen Kleidung stahl und als provisorischen Verband um meine Mittelhand bis hin zum Handgelenk wickelte. Die Stütze musste vorerst einmal reichen. Sonst fand ich nichts Hilfreiches mehr am leblosen Körper der jungen Frau, sodass ich mich endgültig aus dem Raum zurück zog und den Ausgang zu suchen begann. Die Gänge schienen ein einziges Labyrinth zu sein und in meiner hellen Aufregung war mein Orientierungssinn ebenfalls flöten gegangen, weshalb ich mich gefühlte hundert Mal in den Fluren der Psychiatrie verirrte, bis ich endlich bei einer Treppe ankam, die mir vom Klang beim Betreten der obersten Treppe vertraut vorkamen. Auch die Holzmaserung des Treppengeländers fühlte sich unter meinen Fingerspitzen vertraut an, weshalb ich stark davon ausging, dass ich mich in jener Eingangshalle befinden musste, aus der ich gestern noch Hals über Kopf geflohen war, nachdem ich voller Erleichterung darin zu Boden gegangen war.
Die Torflügel standen offen, was darauf hinwies, dass andere Wesen bereits den Weg nach draußen gefunden hatten und ich mich lieber im Hintergrund halten sollte, aber die frische Luft lockte mich zu stark, als das ich mich länger im Inneren des Gebäudes verstecken konnte. Ich wollte so schnell wie möglich iweder in meine gewohnte Umgebung zurück kehren, wo ich mich eher zurecht fand als hier inmitten eines Hauses, in dem viel mehr Gefahren lauerten, als sie in der freien Natur jemals auf mich warten würden. Ausgenommen andere, gesundheitlich besser zuerichtete Wesen. Scheu und doch gierig, die Wärme endlich wieder auf meiner zerschundenen Haut zu spüren, stahl ich mich nach draußen.
Besucher
0 Mitglieder und 5 Gäste sind Online Wir begrüßen unser neuestes Mitglied: † Nifano van Borken † Besucherzähler Heute waren 72 Gäste online. |
Forum Statistiken
Das Forum hat 33
Themen
und
5063
Beiträge.
Heute waren 0 Mitglieder Online: |
Einfach ein eigenes Xobor Forum erstellen |