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Es glich ehrlich gesagt fast einem Wunder, dass ich Tyler nicht tatsächlich noch eins mit der Pfanne übergebraten hatte. Wobei er sie ohnehin erst einmal so festgehalten hatte, dass die einzige Möglichkeit für mich wohl gewesen wäre die Pfanne los zu lassen, wenn ich weg wollte. Wieso ich es letzten Endes nicht getan hatte konnte ich nicht sagen. Letzten Endes hatte ich es dann aber doch nicht bereut, wie ich zu Anfang vermutet hatte. Vielleicht waren doch nicht alle Kailasa schrecklich, schlecht und von Grund auf Böse. Zumindest hatten wir uns – nachdem ich endlich ein wenig aufgetaut war und der junge Mann mich davon überzeugt hatte nicht raus zu gehen, weil das Unwetter noch immer wütete – recht gut unterhalten. Wir hatten uns im Eingangsbereich letzten Endes an der Wand hinab auf den Boden sinken lassen, wo ich nach einer ganzen Weile sogar die Pfanne zur Seite gelegt hatte, mich beinahe vollkommen entspannt hatte, weil ich letzten Endes tatsächlich erst einmal eingesehen hatte, dass keine Gefahr von Tyler ausging. Natürlich konnte ich mich auch täuschen und das war alles nur eine Masche, aber wie auch schon Jareths Anwesenheit und Gesellschaft tat auch seine Gesellschaft auf Dauer gesehen gut. Ich blühte einfach wieder auf, wurde nicht mehr von dieser drückenden Einsamkeit niedergewälzt, die sicherlich schon jeder mindestens einmal erlebt hatte. Heutzutage war das beinahe normal, Einsamkeit. Es sei denn man hatte tatsächlich jemanden bei sich, dem man blind vertrauen konnte, schon lange, lange kannte. Im Grunde nur mit der Familie war das so, oder? Und meine letzte Familie, mein Bruder, war mir eben von einem Kailasa genommen worden. Und nach der kleinen Würge-Aktion... da war es alles in allem doch total verständlich, dass ich jedem Kailasa gegenüber so skeptisch, gar panisch reagierte. Bei Tyler war es ja nicht anders gewesen und jetzt saß ich hier neben ihm auf dem Boden, mit dem Wissen im Hinterkopf, dass hier noch deutlich mehr gefährliche Wesen umherwandelten. Eben in diesem Haus.
Irgendwann war ich so wahnsinnig müde und erschöpft gewesen, dass meine Antworten immer kürzer geworden waren, bis ich letzten Endes tatsächlich einfach die Augen geschlossen hatte, sie mir schon regelrecht von alleine zugefallen waren. Dabei wollte ich das eigentlich gar nicht. Ich wollte aufmerksam bleiben und aufpassen, weil sonst etwas passieren könnte, aber die Müdigkeit hatte mich einfach übermannt. Und letzten Endes war ich dann kurzerhand wohl einfach gegen Tyler gesunken – so mehr oder weniger. Mit dem Kopf an seine Schulter. Keine Ahnung wieso es so über mich gekommen war, aber vermutlich lag es einfach an den gesamten, letzten Tagen die wahnsinnig anstrengend gewesen waren. An den noch immer leicht schmerzenden Lungen, dem anstrengenden Tag heute und dem, was geschehen war. Einfach allem.
Als der Eingangsbereich der Psychiatrie langsam von Sonnenstrahlen erfüllt wurde und ich wacher wurde, traute ich meinen Ohren kaum, weil ich Vögel zwitschern hörte. Ich konnte Vogelgezwitscher hören, was nach dem Sturm des gestrigen Tages und der letzten Nacht vollkommen unmöglich schien. Blinzelnd öffnete ich meine Augen, strich mir vorsichtig mit der linken Hand übers Gesicht und letztlich durch die braunen, zerzausten Haare, bis mir bewusst wurde, dass ich wohl noch immer gegen die Schulter einer Person lehnte, was mir noch schlaftrunken ein wenig den Kopf drehen ließ, bevor ich letztlich aufschreckte und kerzengerade neben Tyler saß, den ich aus großen, blauen Augen heraus anstarrte. Ja, anstarrte – als ansehen konnte man es gewiss nicht mehr bezeichnen. Es war nicht so, dass ich Angst hatte, nein, wie gesagt; wir hatten uns doch recht gut unterhalten, aber... naja, ich war eben erschrocken, es war mehr der Scham darüber, dass ich ganz offensichtlich eingeschlafen war und das auch noch mehr oder minder gegen ihn gelehnt. Und ich auch einfach nicht so recht wusste was er davon hielt – gut, er hatte mich schlafen lassen, vielleicht hatte er auch einfach selbst geschlafen. Wie auch immer.. „Ich... das...“ begann ich schon wieder zu stammeln – der Tag fing ja wahnsinnig gut an. Seufzend sackten meine Schultern hinab und ich strich mir die Haare von einer Seite meiner Schultern auf die andere. Was sollte es schon? Wie gesagt, ich war aufgetaut, sollte wohl einfach so sein wie ich immer war – oder es zumindest versuchen. „Deine Schulter ist wirklich... bequem. So gut hab ich schon lange nicht mehr geschlafen.“, teil ich ihm grinsend mit, streckte die Arme über den Kopf, woraufhin die rechte Schulter etwas knackte. Naja, meine Worte waren eher Ironie gewesen, aber an sich hatte ich trotzdem halbwegs geschlafen, was wohl einfach daran gelegen hatte, dass ich wahnsinnig müde gewesen war.
Ich unterdrückte ein allzu positiv überraschendes Lachen, als er sich anscheinend tatsächlich von meiner Schauspielerei verwirren ließ. Immer noch umspielte ein Lächeln meine Lippen, das jetzt leicht fröhliche Züge bekam. Und die waren nicht einmal gespielt, ich war über die Maßen erleichtert, dass er sich aus dem Konzept bringen ließ, und sah jetzt schon die ganzen Möglichkeiten, die mir das bot. Leise schnaubte er bei meinen Worten und fragte dann auch noch, was das denn solle. Er schien nicht gerade die beste Kombinationsgabe zu besitzen. Aber das hätte ich mir auch denken können. Nicht nur, dass er schon von Natur mehr Blut in seinen Muskeln als in seinem Hirn hatte - nein, er war ein besonders anschauliches Beispiel für einen reizbaren, minder intelligenten Kailasa. Zu meinem Glück wie ich sagen musste. Mein toter Blick versuchte ich weiterhin auf seine Augen gerichtet zu halten, als er einige Schritte vortrat. So wie ich es einschätzte, waren wir noch etwa vier Meter von einander entfernt. Mal sehen, wie sich die Situation entwickeln würde.
"Was soll was?", fragte ich ihn mit perfektem Erstaunen und hielt mein Gesicht hoch in seine Richtung gerichtet. Ich streckte meine Beine wieder aus und zog sie dann wieder zu einem Schneidersitz an meinen Körper. Die Hände lagen locker geöffnet in meinem Schoß. "Mir fällt gerade auf, wir haben uns jetzt schon einige Male durch irgendetwas getroffen, aber ich weiß immer noch nicht, wie du heißt", sagte ich und lachte leise. In diesem Moment ging es mir wieder blendend, auch wenn sich an den eigentlichen Umständen der Situation noch nicht viel geändert hatte. Aber jetzt hatte ich nicht nur eine greifbare Chance, sondern war ihm im Moment auch wieder um einiges überlegen. Ich wusste, was ich tat. Er hatte nicht einmal eine Ahnung, was passieren könnte. "Verrätst du mir deinen Namen?", fragte ich ihn noch einmal direkt und mit freundlicher Stimme. Allmählich flauten auch meine Aggressionen wieder auf ein erträgliches Niveau ab. Ich würde ihm das schon wiedergeben können. Aber nicht jetzt. Jetzt durfte ich erst einmal seine Verwirrung auskosten.
Mit einem Mal hatte ich ein seltsames Gefühl. Ich konnte es nicht ganz einordnen. Bildete ich mir das ein, oder hatte ich tatsächlich die Andeutung eines vertrauten Herzschlags und Atems gehört. Mir schien es sogar fast, als hätte ich einen Geruch in der Nase, der mir auf seltsame Weise bekannt vorkam. Ich wusste nicht, zu wem all diese Eindrücke gehörten, aber mir war, als hätte ich diesen Duft mit Dutzenden anderen beinahe tagtäglich wahrgenommen. Ein Stich fuhr in meinen Magen. Diese Dinge erinnerten mich so stark an unser Dorf, dass ich beinahe nach Luft gerungen hätte. Ich kam immer noch nicht damit klar. Eindeutig nicht. Und deshalb musste ich doch jetzt auch ablenken. Der Kailasa hier bot sich doch dafür an. Wahrscheinlich hatte ich mir all diese Eindrücke eh nur eingebildet, es war mehr als unwahrscheinlich, dass noch ein dritter Achak, neben mir und dem Achak mit seiner Wachiwi, hier in dieser Psychatrie auftauchte. Es war schon mehr als verwunderlich gewesen, dass ich den Weg überhaupt geschafft hatte. Nein, da konnte doch nicht noch einer von uns auftauchen.
Ich richtete meine Konzentration wieder auf den Kailasa vor mir und stellte mein doch gerade leicht verrutschtes Lächeln wieder vollständig und überzeugend her. Ich musste ihn nur gründlich genug verwirren, dann würde sich schon eine Möglichkeit bieten, ihn außer Gefecht zu setzen und meinen Dolch wieder zu bekommen.
Lauernd wartete ich ab. Versuchte dabei, die störenden Geräusche um mich herum – in mir drinnen – auszublenden und mich rein auf die vertraut klingende Stimme zu konzentrieren, die ich eben noch schwach vernommen hatte und in mir eine Hoffnung entfacht hatte, die ich gerade stark nötig hatte und an die ich mich mit letzter Kraft klammerte. Eine Hand an der Wand abgestützt, führ ich mir mit der anderen über das Gesicht und atmete einmal tief durch, versuchte die Gerüche durch den Spalt der offenen Tür filtern zu können und schrak dann kurz zusammen, als ich so vertieft war und die Stimmen auf einmal wieder so deutlich zu hören waren, dass die Personen sich einfach in dem Zimmer direkt vor mir aufhalten mussten. Der Laut des knarrenden Bodens entfernte sich von mir, also bewegte sich eines der beiden Wesen von der Tür weg. Ich tippte anhand der aufgeschnappten Informationen auf einen gut gebauten Mann, aber das war nicht wirklich das, was mich wirklich interessierte. Ich wollte mehr über die zweite Person erfahren, die sich meinem Wissen nach in dem Raum verbergen musste, die mir über die Entfernung hinweg dennoch bekannt vorgekommen war.
Mit leerem Blick senkte ich den Kopf für einen Moment, sodass es aussah, als würde ich den Dolch in meiner zitternden Hand begutachten, hob mein Gesicht dann aber wieder und atmete noch einmal leise durch. Mir stockte der Atem jedoch zwischen durch, als ich die unverkennbare Stimme einer jungen Achak vernehmen konnte. Der Stamm war nicht groß gewesen, war allen Anschein nach aus seinen Blütezeiten gestoßen worden und schrumpfte mit jedem Jahr der mangelnden Beute. Demnach war es keine große Fähigkeit die einzelnen Mitglieder zu kennen, allein anhand der Stimme deuten und einordnen zu können. Minire Lojtar. Die junge Frau war zwar nicht meine erste Wahl gewesen, was die Gesellschaft im Stamm selbst betraf, aber im Moment brach die pure Freude in mir auf, als ich die ruhige, lockende Stimme vernahm und mir absolut sicher war, dass ich jemanden gefunden hatte, der das Unwetter anscheinend überlebt hatte und ebenfalls hier Schutz gesucht hatte. Nur zu gern würde ich dem ersten Impuls folgen und die Tür eintreten, in den Raum platzen und alles erfahren, was ich verpasst hatte. Es gab da nur den ein oder anderen Haken: Die Achak hatte Gesellschaft und noch dazu fühlte ich mich nicht in der körperlichen Lage, rasche Bewegungen zu machen.
Mit leisen Sohlen pirschte ich mich weiter an die Tür heran und schlich mich lautlos wie eine Windböe in den Raum hinein, wo ich augenblicklich vor der Tür verharrte und die Bewegungen der anderen beiden studierte. Minire konnte ich nicht recht ausmachen, sie musste entweder am Boden sitzen oder liegen, denn ihre Stimme drang nicht aus der gewohnten Höhe an mein Ohr. Die Freude über das Wiedersehen – ha, so ein kleines Wortspiel am Rande hat noch niemandem geschadet – ließ mich meine schmerzenden Muskeln so weit vergessen, dass ich mich auf die Situation konzentrieren konnte und langsam die Hand mit meinem Dolch hob, um in eine lauernde Haltung zu fallen. Ich musste wie ein gehetztes Raubtier aussehen, mit dem Dreck auf der Haut und in den Haaren, den blutroten Verletzungen am Körper. Nie im Leben hätte es meine Loyalität zugelassen, dass ich meine Wunden über ein Stammesmitglied stellte, das womöglich meine Hilfe brauchte, denn so ruhig sich Minire auch anhörte, Achak verstanden sich darauf, anderen etwas vorzuspielen, da niemand in unseren Augen die Wahrheit lesen konnte.
Vom ersten Moment an, als ich Pandora gesehen hatte, war ich mir sicher gewesen, es komme niemals dazu, dass wir letzendlich miteinander sprachen - richtig sprachen. Nicht nur dieses vorsichtige und misstrauische Gespräch, welches sich gleich zu Anfang entwickelte, während sie sich mit ihrer Pfanne geschützt hatte. Nein, wir redeten ganz normal, wie man es so tat, wenn das Verhältnis zweier Personen ziemlich locker ist - und so war es schließlich ja auch nach einer Zeit. Nach und nach hatte die Brünette sich geöffnet und anscheinend auch eingesehen, dass von mir keine Gefahr aus ging, oder ich beziehungsweise keine Gefahr darstellen wollte. Gefährlich konnte ich schon werden, immerhin bin ich ein Kailasa. Aber sie hatte mir nichts getan, mich nicht erzürnt, also war auch alles bestens. Wenn man mich jedoch provozierte oder sich sogar über mich lustig machte konnte es durchaus dazu kommen, dass ich schon mal den Kailasa raushängen lasse. Doch sie ist ein kleines Menschenmädchen, das mir etwas Ablenkung bieten konnte. Nicht im negativen Sinne. Im Nachhinein war ich schon froh darüber gewesen, mal wieder etwas reden zu können. Schon lange hatte ich keinen meiner Brüder unter die Augen bekommen und auch so, wenn man täglich durch die Straßen lief, bot sich einfach keine Gelegenheit, jemanden zu treffen und mit diesem etwas zu unternehmen. Die Meisten waren ahnungslose Menschen, die sich eher verkrochen, wenn sie schon einen großen und kräftigen Mann sahen. Dieser konnte immerhin ein Kailasa sein, nicht? Und zu gegeben.. Ich sehe nicht gerade wie das Gegenteil aus. Ja manche könnten auch behaupten, allein an meiner Größe erkennt man, wer ich bin. Aber - ein großes Aber, weswegen sich man doch nicht so sicher sein darf - es gibt eben auch Menschen, die genauso gebaut sind. Gut so, eigentlich. Zwar bin ich gern die Größere, aber diese Tatsache bietet mir Schutz, wenn es darauf ankommt, mein wahres Wesen aus irgendeinem Grund verstecken zu müssen. Dann ist da noch mein Tattoo, aber dies erkennt man auch nicht sofort, wenn ich nicht gerade halb nackt durch die Gegend laufe.
Wie gesagt, es war ein echt gutes Gespräch, wobei wir uns mit der Zeit einfach, an die Wand lehnend, vor das Tor gesetzt haben. Zur Zeit wäre sowieso niemand mehr hier rein gekommen, da es schon ziemlich finster draußen war. Alles nahm seinen Lauf und wir beide wurden müde. Zwar ließ ich mir nichts anmerken, weil ich generell mit etwas weniger Schlaf ganz gut auskam, doch auch meine Antworten wurden immer kürzer. Pandora verfiel schon bald in einen ziemlich ruhigen Schlaf. Respekt, oder? Dafür, dass sie sich mit der Zeit auch noch an einen so blutrünstigen Kailasa 'kuschelte' und ruhig neben ihm schlief, ohne die Bratpfanne - die mittlerweile unberührt neben ihr lag, weil ich sie ihr zurück gegeben hatte - schützend vor sich zu halten. Müde lehnte ich meinen Kopf gegen die Wand. Ich hätte eigentlich den Arm um sie gelegt, ums ihr gemütlicher zu machen, aber wecken wollte ich sie nun auch nicht, indem ich ihren Kopf nochmal bewegte. So schlief auch ich nach nicht allzu langer Zeit ein. Ob wir nun dort im Eingangsbereich waren oder nicht war im Endeffekt ziemlich egal.
Nächster Morgen und die Sonne leicht durch die Tür des Gebäudes. Geräusche von draußen weckten mich. Kein Geräsuch des tobenden Gewitters, nein.. Vogelgezwitscher. Unglaublich. Krass. Das Wetter hatte also wieder mal gezeigt, was es so alles drauf hat, und uns letzten Endes doch verschont. Tja, ohne uns Wesen auf der Erde ist es eben doch langweilig, wieso also sollten wir alle verrecken, wenn Gott die Erde doch für uns, oder besser gesagt für die Menschen, erschaffen hat? Träge hob ich meinen Kopf an. Mir fiel auf, dass ich in der Nacht im Schlaf ziemlich an Pandora herangerutscht sein muss, da diese nun fast an meiner Brust lag und ich mich in ihre Richtung gedreht hatte. Mein Kopf hatte nachts wohl ebenfalls an ihr gelehnt.. Naja. Gähnend versuchte ich mich ein wenig aufrechter hinzusetzen, gleichzeitig aber nicht zu viel Bewegung zu verursachen. Ein Blick nach links verriet mir, dass niemand hier war. Alle, die hier waren, hatten sich vermutlich in irgendwelchen Zimmern versteckt. Kurz darauf erwachte aber auch Panda, die mich nahezu anstarrte und den Kopf hochriss. Dieser Anblick brachte mich zum Grinsen. Ihre blauen Augen waren eindeutig sehr ausdrucksstark. Die Verwunderung und so plötzliche Realisierung war deutlich in ihnen herauszulesen. ''Mhmm.. Morgen.'', murmelte ich zustimmend. ''Jap. Meine Schulter ist eben aus hochqualitativen Muskeln.'', meinte ich leicht schulterzuckend, während ich versuchte, einen sehr überzeugenden Gesichtsausdruck aufzusetzen. Als Pandora sich zu strecken begann, setzte auch ich mich richtig auf. Mein Rücken knackte leicht, als ich diesen durchstreckte. Sehr bequeme Wand. Wirklich.
Es war seltsam gewesen. Mit den verschiedenen Wesen Unterschlupf unter einem Dach zu suchen und hier gemeinsam zu verharren, bis das Schlimmste des Sturmes vorbei gewesen war und auch noch danach weiter vor Ort zu bleiben, war ungewohnt gewesen. Mehr als nur das, denn zwar hatten wir uns vor der Gefahr von außen schützen können, doch mich hatte stets das Gefühl begleitet, dass auch hier drinnen etwas lauerte, was bedrohlich für mich werden konnte - wenn unterschiedliche Wesen zusammen lebten, war es unvermeidbar, dass dieses Gefühl aufkam.
Doch jetzt, als es draußen endlich wieder schön, fast schon frühlingshaft geworden war, war ich froh, durch die schweren Tore der ehemaligen Psychatrie wieder nach draußen zu treten und das Sonnenlicht zu erblicken. Auch die frische Luft tat gut und weckte meine Lebensgeister. So lange da drinnen eingepfercht zu sein, mit Leuten, deren Gesellschaft ich sonst eher vermied, in Räumen, die nur so von ihrer mysteriösen Ausstrahlung lebten, war nicht sonderlich angenehm gewesen. Das jetzt hingegen fühlte sich schon fast so an wie Freiheit.
Mir war danach, mich zu bewegen, weiter hier raus zu kommen und mich mal ein wenig von der Zwangsheimat der letzten Zeit zu entfernen und die Gegend zu erkunden, nicht zuletzt auch, weil ich Hunger hatte und mal frisches Blut brauchte - wortwörtlich.
Wie gerufen entdeckte ich auch einen jungen Mann, der sich auch in dieser Gegend aufhielt. Allein durch sein Äußeres war er auffällig - bestimmt war er über 1.90m groß und sein Körper war von sportlicher Natur. Als wäre er ein Kämpfer oder ein Krieger, stark, ausdauernd und gefährlich. Kurzum - genau das, was mir gefiel.
Es war nur psychisch, das war mir klar, nichts als Einbildung, aber es kam mir vor, als würde das Blut solcher Männer besser schmecken; das Auge isst schließlich mit.
"Na, hast du dich verlaufen?", fragte ich mit einem leicht provokantem Grinsen auf den Lippen und ging auf den jungen Mann zu, um einige Meter von ihm entfernt stehen zu bleiben. Er war keiner von uns, sondern vielmehr ein Mensch. Was er hier wohl wollte?
Minder intelligent. Hmpff. Also hätte sie mir das jetzt an den Kopf geworfen.. nein, also dann wäre wirklich alles mit mir durchgegangen. Gut, vielleicht- wahrscheinlich war es auch so- dachte ich nicht viel über etwas nach, wenn ich wütend war und provoziert wurde, aber deswegen war ich noch lange nicht dumm. Ich war nun einmal ein Kailasa und ließ mich auch einfach ziemlich schnell auf hundertachtzig bringen, aber das bedeutete echt noch lange nicht, dass ich da nicht ein bisschen Grips im Oberstübchen hatte. Auch wenn mein Gehirn möglicherweise nicht so sehr auf Hochtouren lief, mir rauschte momentan eh das Blut wie sonst was in den Ohren und allgemein war ich von dem seltsamen Verhalten der Achak einfach so abgelenkt, dass ich irgendwie gerade nicht so recht verstand was das alles hier sollte. Erst tat sie so als würde sie mir gleich an die Gurgel springen wollen, provozierte mich bis es schon gar nicht mehr weiter zu gehen schien und dann von einer auf die andere Minute.. grinste sie mich fröhlich an! Was sollte das denn bitte? Also ganz ehrlich, die hatte sie doch nicht mehr alle. Wollte sie mich jetzt einfach nur ablenken und anlocken, damit sie ihren Dolch wiederbekommen würde? Mir schlussendlich doch an die Gurgel springen würde? Oder tat sie das aus einem anderen Grund? Einfach nur weil sie gerade daran Belustigung fand, mich zu provozieren? Mich zu verwirren, was sie gerade echt schaffte?
Echt, ich kam gerade mit ihrem verdammten Stimmungswechsel ständig echt nicht klar. Aber sowas von gar nicht. ‚Was soll was?‘ Von wegen. Ich verzog mein Gesicht zu einer Grimasse, kniff die Augen ein wenig zusammen und lief noch einen weiteren Meter auf sie zu, ließ die Achak aber nicht aus dem Blick. Ich traute ihr nicht. Schon gleich gar nicht weil sie jetzt so verdammt.. freundlich war- oder zumindest so tat als wäre sie sowas von freundlich. „Tu nicht so“ knurrte ich schlecht gelaunt und starrte sie an- wobei sie dann doch tatsächlich auf das Thema kam, dass sie ja noch gar nicht meinen Namen kannte.. Bitte? Gerade wünschte ich mir ja schon fast nichts sehnlicher einfach in die andere Richtung gegangen zu sein und in den entgegengesetzten Teil der Psychiatrie gelaufen zu sein. Wie oft waren wir uns nun schon begegnet? Einmal in diesem verfluchten Wald, dann hier im Eingangsbereich und jetzt schon wieder. Schien fast so als würde sie mich verfolgen. Oder irgendein Teil von mir sehnte sich nach Provokation im höchsten Maße und wurde von ihr regelrecht magisch angezogen. Ne. Echt nicht. Ich hatte echt genug von ihr für den Rest meines Lebens. „Ich wüsste nicht, was dich das etwas angehen sollte“ meinte ich mit recht rauer Stimme und atmete tief ein und wieder aus, fuhr mir mit der Zunge dann kurz über meine gerade recht trockenen Lippen.
Jedoch hatte ich aus irgendeinem Grund noch immer nicht bemerkt, dass wir Gesellschaft bekommen hatten. Gesellschaft in Form einer weiteren Achak. Fehlte mir ja gerade noch. Würde ja echt noch spaßig werden heute. Dabei hatte ich eigentlich nur nach einem ruhigen Platz in diesem verfluchten Gebäude gesucht, wo ich mich ein wenig hätte hinlegen können und mich hätte ausruhen können. Anscheinend war das aber echt viel zu viel verlangt. Ich hatte zwar bemerkt, wie die Achak, die vor mir so.. entspannt auf dem Boden saß, kurz ein wenig angespannter wurde, aber ich hatte nicht so wirklich bemerkt, wie da noch jemand in den Raum gekommen war. Außerdem hatte ich der Tür in dem Moment ja auch den Rücken gekehrt, hatte also auch keine Bewegungen aus den Augenwinkeln wahrgenommen, weil meine Aufmerksamkeit voll und ganz auf der Frau vor mir lag.
Ich lachte leise auf. Es war einfach zu köstlich, wie er sich abmühte, einen Sinn hinter meinem Verhalten zu entdecken. "Wie tu ich denn?", fragte ich ihn vergnügt. Oh ja, ich wusste wirklich, was ich tun würde. Jetzt würde ich noch ein wenig so weitermachen, bis er noch näher zu mir trat und ich ihn so verwirrt hatte, dass ich ihn einfach überrumpeln konnte. Gut, dass ich noch saß. So wirkte ich noch kleiner, noch harmloser und er war nicht ganz so aufmerksam. Ja, ich hatte die Situation eindeutig unter Kontrolle. Wie gut das tat. Auch wenn er nicht lange die Oberhand gehabt hatte vorhin, aber es hatte doch gereicht, um mich aufzuschrecken. Aber dieser Moment war vorbei. Er würde sich umgucken, wie schnell ich ihn gleich hätte. Aber jetzt musste ich erst einmal weiterspielen. Inzwischen fiel es mir nicht einmal mehr schwer, das vergnügte, fröhliche Mädchen zu spielen. Vergnügt war ich eh durch die Genugtuung und fröhlich war ich für meine Verhältnisse auch stark. Auch wenn die Aussicht auf Rache doch einen großen Teil dazu beitrug. Ich wüsste nicht, was dich das angehen sollte. Ja, was sollte mich das angehen? Eigentlich nichts. Tat es auch nicht. Auch wenn ein Name im Prinzip nichts Großartiges war. Was konnte ich mit einem Namen schon anstellen? Oh, na gut, da fiel mir schon was ein. Es tat sicherlich weh, mit dem eigenen Namen provoziert zu werden. Genauso wie es schmerzhaft wäre, ihn allzu oft um die Ohren geschlagen zu bekommen, in einer Situation, in der man eh schon litt. Nun gut. Ein Name war eine große Sache. Und umso mehr wollte ich nun seinen erfahren. Man wusste ja nie, ob man nicht mal einen kleinen Trumph im Ärmel brauchte. "Vielleicht hast du recht. Vielleicht geht es mich wirklich nichts an", erwiderte ich und ließ meine Stimme beinahe gleichgültig klingen. "Aber -" Ich verstummte mitten im Satz.
Da. Da waren die Geräusche wieder. Ein Herzschlag und ein Atem, diesmal lauter. Näher. Als stände derjenige direkt vor der Tür des Raumes. Ich spannte mich an. Wenn jetzt noch ein Kailasa dazu kam, dann musste ich mich wirklich vorsehen. Aber da wehte auch schon der Duft der Person in meine Nase und ein überraschtes, aber über die Maßen erfreutes Lachen brach aus mir hervor. Die zweite Anführerin des Stammes. Nerea Lorkens. Im Stamm hatten wir nie viel miteinander zu tun gehabt. Jetzt dagegen dankte ich ihr innerlich für ihr Auftauchen. Laut wollte ich es noch nicht aussprechen. Dafür war es zu vorteilhaft, dass der Kailasa vor mir sie noch nicht bemerkt zu haben schien, obwohl ich das leise Schaben der Tür und - für jeden außer uns Achaks lautlose - Schritte vernommen hatte. Meine Nase zuckte kurz, als ich den schmutzigen Geruch von Erde und Wald, aber auch von Staub, Wunden und - mir schien es beinahe so - Kailasa, einem anderen, als diesem hier, wahrnahm. Was war ihr denn nur passiert? Ihr Atem ging schnell und zittrig, ihr Herz raste, sie schien sich steif zu bewegen. Wie gerne wäre ich sofort zu ihr gerannt und hätte sie gestützt, ihr geholfen, sie gefragt, was passiert ist, wie es ihr ergangen ist in dem Sturm. Meine Hoffnung blühte wieder auf, der Gedanke an den Stamm war ein wenig weniger schmerzhaft, jetzt wo die Aussicht bestand, wieder eine - wenn auch kleine - Gemeinschaft haben zu können.
"Lieber Kailasa - wenn du mir deinen Namen schon nicht verrätst -", sagte ich mit maliziöser Stimme und bösem Lächeln, sämtliche gestellte Freundlichkeit fallen lassend - er war eh verwirrt genug. "Wir haben Gesellschaft. Sieh einmal zur Tür." Ich wartete auf das Geräusch seiner Bewegung, ortete ihn noch einmal so gut ich konnte und wartete auf den perfekten Moment.
Grinsen. Zuerst einmal grinste Tyler mich nur dämlich an und ich wusste durchaus auch welchen Grund dies hatte. Immerhin musste ich ihn gerade anstarren wie ein Auto. Auto... ich war in meinem ganzen Leben noch nie Auto gefahren – ich hatte mal eins Fahren sehen, das war aber wirklich bei dieser einen Besonderheit geblieben. Erstens lief kaum noch ein Auto, die Meisten waren kaputt und standen wie ein Haufen Schrott auf den Straßen, oder aber die Mittel, Benzin, war knapp. So knapp wie Essen. Aber ich driftete hier gerade wohl schon wieder ab. Das kannte ich normalerweise nun wirklich nicht von mir, ich war aufmerksam, driftete nicht schnell mit meinen Gedanken ab. Erst seit den letzten zwei, drei Tagen war dies der Fall und das nahezu immer. Ständig kam ich auf andere Gedanken und ließ mich ablenken – es war wohl ein Wunder, dass ich noch nicht tot war. Vielleicht lag es eben genau an der Gesellschaft, die ich momentan genoss – oder auch nicht genoss. Woran denn sonst, hm? Ich konnte es wirklich nicht sagen. Aber es schien mir am logischsten, sonst hatte sich doch nichts geändert in den letzten Tagen. Einerseits tat mir die Anwesenheit Anderer, mit denen ich klar kam, gut und andererseits auch wieder nicht, weil sie mich scheinbar unaufmerksam und unvorsichtig werden ließ. Sein Kommentar ließ mich dann aber ebenfalls Grinsen, ob ich das nun gewollt hätte oder nicht. Hochqualitativen Muskeln. Gut, das musste man ihm und seinen Kailasa-Brüdern lassen... sie sahen alle gut aus. Naja, größtenteils. Es gab dann auch die, die zu übertrieben viele Muskeln hatten, aber Tyler sah durchaus gut aus – und Zasha auch, auch wenn ich mir das niemals so direkt eingestehen würde. Natürlich nicht, ich war doch noch sauer auf ihn! Das redete ich mir zumindest weiterhin sehr erfolgreich ein. Hin oder her, dass er am gestrigen Tag eigentlich sogar ganz Nett zu mir gewesen war... obwohl ich ihm eins mit meiner Pfanne übergebraten hatte. Und eigentlich musste das bei den leicht zu provozierenden und temperamentvollen Kailasa doch etwas heißen. Aber daran hatte ich noch keinerlei Gedanken verschwendet und ehrlich gesagt hatte ich auch nicht das direkte Interesse daran dies zu tun. Aber genug des verschwendeten Gedanken daran. Ich schüttelte leicht den Kopf, eben aus diesem Grund, und wandte meine volle Aufmerksamkeit wieder Tyler zu, der ebenfalls begann sich ein wenig aufzurichten. „Da kann ich dir nur zustimmen.“, erwiderte ich, zwinkerte Grinsend, bevor ich mich auf die Beine hievte, mir den Staub und anderen Dreck vom Boden von meinen Kleidern klopfte, bevor ich mir durch die zerzausten Haare fuhr. Provisorisch bürstete – aber sonderlich viel brachte das natürlich nicht. Aber alleine der Gedanke daran führte schon dazu, dass ich zumindest ein klein wenig weniger das Gefühl hatte, dass ich wie eine gerupfte Vogelscheuche aussah. „Scheint wieder schön draußen zu sein..“, stellte ich fest, mehr zu mir selbst als zu Tyler oder jemand anderem, zumal hier gerade auch noch gar niemand anders zu sehen war. Mein Zeug noch neben Tyler auf dem Boden, lief ich langsam in Richtung des Fensters, das mir – oder uns – am nächsten war. Dieses war sogar noch ganz, weswegen ich achtsam den Fenstergriff drehte, um das morsche Holz dann mit einem groberen Ruck – nachdem es vorsichtig nicht funktioniert hatte – aufzuziehen. Daraufhin schlug mir frische, noch etwas feuchte aber schon relativ warme Luft entgegen. Angenehm eben, außerdem liebte ich den Geruch nach Regen, wenn alles frisch und abgekühlt war. Vorsichtig stützte ich mich mit den Händen auf die Fensterbank, ignorierten den Schutt der auf dieser lag, und beugte mich etwas aus dem Fenster hinaus, schloss die Augen und atmete tief durch. Doch, gefiel mir. Wobei mir bis dato die Wassermassen noch nicht aufgefallen waren. Erst als ich die Augen wieder öffnete und mich genauer ansah, fielen mir eben jene Wassermassen auf, die vor allem auf der Straße vor der Psychiatrie ‚unterwegs‘ waren. Auf dem Gelände der Psychiatrie sah es aber nicht viel anders aus, da lag das Wasser nur recht Still, da der Zaun um eben jenes Gelände auf einem Steinsockel angebracht war, demnach die Wassermassen von draußen abschirmte, aber gleichermaßen wohl die von drinnen, vom Gelände nicht heraus ließ. Eine einzige, dunkle Brühe. Logisch, der Garten und Hof war ja auch sehr verwildert gewesen. Das Ganze dämpfte meine Laune schon wieder, ließ mich seufzend den Blick einen Moment senken. „Dafür scheinen wir jetzt aber ein ganz anderes Problem zu haben.“, murmelte ich leise, drückte mich wieder nach drin in das Haus und drehte mich zur Eingangshalle und damit zu Tyler um, wobei ich mich leicht mit der Hüfte gegen jene Fensterbank lehnte.
Ich fühlte mich hin und her gerissen. Einerseits flackerte in mir die Hoffnung auf, dass es noch mehr von dem kleinen Achak-Stamm in die Psychiatrie geschafft hatten, dem Sturm entkommen konnten und sich bei Kräften halten konnten. Alles in mir verzerrte sich nach dem Gefühl der innigen Gemeinschaft, die in unserem kleinen Dorf geherrscht hatte und von einer tobenden Naturgewalt mit einem kurzen Wink ausradiert wurde. Mein Posten machte mich mitunter für das Wohl der anderen zuständig, bescherte mir Sorgen bezüglich deren Aufenthaltsorts und allein die Unwissenheit über ihr Überleben versetzte mir ein unwohles Gefühl im Magen. Auf der anderen Seite war ich aber noch nie ein sonderlich geselliger Achak gewesen, hatte wenig Lust auf große Ansammlungen gehabt und die Massenaufläufe – sofern man den Stamm vor dem Unwetter so nennen konnte – bei Ankündigungen oder wichtigen Besprechungen dem Oberhaupt allein überlassen, war stets als stille, aufmerksame Beobachterin an dessen Seite gesehen worden, aber mehr hatte ich aus dem Rang bei solchen offiziellen Dingen nie geholt. Es hatte mir gereicht, wenn meine Stimme im Notfall von Gewicht war.
Nun hatte sich aber alles geändert. Der Stamm schien als solcher nicht mehr zu bestehen, ganz ohne Oberhaupt und Anführer. Es juckte mich noch immer in den Fingern, mich auf die Suche nach der hinterlistigen Ratte zu machen, um meinen Frust an dem Verräter auszulassen, mich aufzuregen, mit welcher Verantwortung ich nun allein zurück gelassen worden war, wo es mir doch selber nicht gerade hervorragend ging. Und das war noch milde ausgedrückt, denn ehrlich gesagt fühlte ich mich beschissen – so richtig elend! Da tat es auf einmal gut, zu wissen, dass vielleicht doch jemand Gleichgesinntes in Reichweite war, selbst wenn die Achak im Moment beschäftigt zu sein schien. Es linderte die seelischen Wunden ein wenig, auch wenn ich es niemals offen zugeben würde. Abwartend lauerte ich weiterhin direkt vor der Tür, lauschte den Worten Minires und wusste noch nicht so recht, worauf sie mit ihrer pseudohaften Freundlichkeit hinaus wollte. Sah der jungen Frau gar nicht ähnlich, sich einem Gegner so unschuldig zu zeigen, wo sie doch eher für ihr hitziges Temperament und loses Mundwerk bekannt war. Demnach überraschte es mich auch kaum, als sie auf einmal zu ihrem alltäglichen Tonfall umstieg, in der Unterstimme etwas Boshaftes und Gefährliches mitschwang, als sie die Aufmerksamkeit auf mich zu lenken begann.
Automatisch zierte ebenfalls ein teuflisches Grinsen meine blutroten Lippen, als mein toter Blick die Figur des Gegners im Raum suchte und dann fixierte. Dabei begnügte ich mich allein damit, in die richtige Richtung zu schauen, die plötzliche Überraschung auszukosten, die mein unerwartetes Auftauchen hervorrief.
Das Vergnügen in ihrer Stimme war jetzt wohl echt kaum mehr überhörbar. Sie machte sich doch ernsthaft über mich lustig, was in mir schon wieder eine unbändige Wut aufkommen ließ. Ganz ehrlich: noch nie hatte ich mich so gedemütigt und heruntergelassen gefühlt. Aber die Achak zügelte ihre Zunge kein bisschen. Sie machte es von Minute zu Minute nur noch sehr viel schlimmer und langsam aber sicher riss mir echt der Geduldsfaden. Es grenzte nahezu schon an ein Wunder, dass ich sie noch nicht angegriffen hatte- immerhin wäre sie jetzt wo sie am Boden saß ein viel leichteres Ziel für mich, wie wenn sie mir gegenüberstand. Außerdem hatte ich ja immer noch ihren Dolch. Mein Messer hatte ich allerdings immer noch gut verstaut in meiner Hosentasche- und da würde es vorerst auch mal nicht rauskommen. Ich war ja nicht dumm, ich wusste was man damit anstellen konnte. Oder um es genauer zu sagen: was mit der Waffe eines Kailasa mit einem solchen anstellen konnte. Und eigentlich hatte ich nicht vor mein Leben jetzt schon zu lasse. Genauso wie ich sicherlich nicht wollte, dass man mir jetzt die Haut vom Leib schnippeln würde. Nein, echt nicht.. mit mir nicht. Mit jedem Wort, das aus ihrem Mund kam, machte sie mich aggressiver und wütender und mit jedem Satz näherte ich mich ihr ein wenig, wirklich bereit ihr eine Lektion zu erteilen die sie ihr ganzes Leben lang nicht mehr vergessen würde.
Nein, natürlich ging ihr mein Name rein gar nichts an. Ich würde ihn ihr sicherlich nicht sagen, weil ich es echt nicht aushalten würde, wenn sie mir jetzt noch mehr auf der Nase herumtanzen würde. Ich starrte sie finster an, presste meine Lippen zu einer schmalen Linie zusammen, als sie auch schon mitten in ihrem Satz stockte. Jetzt merkte ich zwar, dass sie ihre Aufmerksamkeit für einen Augenblick auf den Eingang des Raumes richtete, aber ich wagte es nicht mich jetzt umzudrehen und mich somit von ihr abzuwenden- konnte ja immerhin auch einfach zur Ablenkung sein, oder nicht? Wobei es dieses Mal wohl eher nicht zur Ablenkung diente, denn wie sich wenig später herausstellen sollte hatten wir tatsächlich Besuch bekommen. Unerwünschten Besuch meiner Meinung nach. Ich ließ die am Boden vor mir sitzende Achak nicht aus den Augen, aber es dauerte dann auch echt keine fünf Sekunden mehr, da wandelte sich der Gesichtsausdruck der weißhaarigen, jungen Frau von freundlich zu böse. Natürlich war das vorhin alles geschauspielert gewesen- was sollte es auch sonst gewesen sein? Aufrichtig freundlich war das sicherlich nicht gemeint, das hatte ich auch gewusst- immerhin konnte man seinen Feind nicht auf einmal so plötzlich mögen. Jedenfalls konnte ich das nicht und ehrlich gesagt konnte ich mir das bei der Achak auch nicht so wirklich vorstellen. Dazu war sie zu.. vorlaut, zu aufbrausend und.. ich konnte sie eben einfach nicht leiden. Gar nichts an ihr. Sorgte nur dafür, dass ich ihre Rasse nur noch weniger leiden konnte. Als sie mir dann aber auch schon an den Kopf warf, dass wir Gesellschaft hatten und dass ich mal zur Tür sehen sollte, wusste ich, dass sie das wirklich ernst meinte und dass das nicht gespielt war, dass da noch jemand in den Raum gekommen war. Aber sollte ich mich jetzt wirklich umdrehen oder umsehen? Nur damit die immer noch am Boden sitzende Achak mich letztendlich angreifen konnte? Nur was war denn, wenn da jetzt eine weitere Achak hereingekommen war, die wahrscheinlich noch zu ihrer.. Freundin oder was auch immer halten würde? Dann würde die mir in den Rücken fallen. Es blieb mir ja letzten Endes gar nichts anderes übrig, als mich kurz umzusehen, damit ich die potenzielle Gefahr einschätzen können würde. War nicht so als würde ich mich nicht verteidigen können, aber wenn da jetzt eine ausgehungerte Achak hinter mir stand und die andere mir sowieso schon die ganze Zeit an die Kehle wollte.. Kurzerhand machte ich einen Schritt zur Seite und in Richtung Wand, sodass ich diese im Rücken hatte, drehte meinen Kopf ruckartig herum und blickte zum Eingang des Raumes, wo sich doch tatsächlich eine ziemlich geschunden aussehende Achak aufhielt. Wobei ich meinen Körper nochmal deutlich mehr anspannte wie schon zuvor, als ich diese zu Gesicht bekam. Trotzdem ließ ich meine Augen wieder zurück zur sitzenden Achak schweifen, um sicherzugehen, dass die da auch noch wirklich saß und nicht schon auf halbem Wege zu mir war um mich anzugreifen. „Klar. Wahnsinnig tolle Gesellschaft.. meine Freude könnte nicht größer sein“ grummelte ich fluchend und schnaubte abfällig, schaute zwischen den beiden Frauen hin und her.
Immer noch leicht niedergeschlagen strich ich mir mit den Händen über das Gesicht und die Augen. War echt kein bequemer Schlafplatz gewesen. Hatte deutlich bessere gehabt in dieser sonst auch so schweren Zeit, auch wenn's eine runzige Couch gemacht hatte. Besser als im Sitzen an einer überhaupt nicht weichen Wand. Hm.. ja. Da bevorzugte ich doch tatsächlich lieber etwas Warmes und Weiches obwohl ich ziemlich viel einstecken konnte. Heißt aber nicht, dass Kailasa gern auf etwas Kuscheliges verzichten, hm? Aber da hatte ich ja dann Pandora, die eine Option zum Kuscheln für mich gewesen wäre. Haha. Nein ernsthaft. Es ist definitiv besser jemanden zu haben, der mal deine Schulter wärmen konnte. Ist immerhin auch etwas. Ein leichtes Grinsen huschte über mein Gesicht. Ja genau, da kann sie mir nur recht haben, weil ich eben immer die Wahrheit sage und recht habe - meistens jedenfalls. Und so eingebildet, dass ich von mir behaupten kann, der Beste in allem zu sein und jeden übertrumpfen zu können, bin ich nun auch nicht. Ein Kailasa braucht ein gewisses Potenzial und selbstsicheres Verhalten, wobei einige aber auch dazu neigen, sich aufzuspielen. Tat ich auch gerne, aber eher selten. Wenn dann nur, wenn ich einer Person gegenüber stand, von der ich nicht wirklich viel hielt, um ihr zu zeigen, dass man mich nicht so einfach erniedrigen und fertig machen kann. Wäre ja nur allzu peinlich. Aber gut. Im Punkto Stärke könnte sich sowieso kein anderes Wesen, außer einer meiner Art natürlich, mit mir messen. Könnte böse enden. Und peinlich. Mit wachsamem Blick folgte ich den Schritten der Brünetten, woraufhin ich mich aber auch dazu aufraffte, meinen Hintern wieder vom schmutzigen Boden zu kriegen. Um nicht allzu verranzt auszusehen, klopfte ich mir all meine Kleidung gründlich ab und rückte die dunkle Kapuze über der schwarzen Lederjacke noch einmal zurecht. Mit einem Ohr horchte ich den Worten der Frau, aber ihren Worten, nachdem sie behauptet hatte, es sei sehr schön draußen, konnte ich nicht ganz folgen. Runzelnd hob ich meinen Blick an. Warum denn ein anderes Problem? Vielleicht ist ja ein Baum vorm Eingang, der uns allen den Weg versperrte? Doch auch dann gäbe es die Möglichkeit, einfach durch irgendein beliebiges Fenster zu klettern. Notfalls müsste man es eben einschlagen, immerhin gab es hier genug Gegenstände, die dazu geeignet wären. Und aufgrund der alten Bauart war auch nicht sicherzustellen, dass das alles aus Panzerglas bestand. Es sah sogar recht brüchig aus und in einigen Räumen war es schon gerissen. ''Was ist denn da?'', fragte ich also nach, während ich einen Schritt vor trat und sie neugierig und wartend anschaute. Abgesehen von den vielen Zerstörungen, konnte ich mir einfach nicht vorstellen, dass uns etwas daran hindern konnte, wieder hinauszugehen. Oder etwa doch?
Der Sturm war grausam gewesen. Nifano hockte auf dem Dach seiner kleinen Hütte, die man nun als solche nicht mehr bezeichnen konnte und versuchte das Dach zu flicken. Er hämmerte die Holzschindeln wieder fest und ersetze, was gänzlich weggeweht worden war. Solche Stürme ärgerten ihn. Erst konnte man nur da sitzen und bangen und schließlich hatte man den Salat und sehr viel Arbeit an den Hacken. Zwar sah seine Hütte momentan nicht mehr wie eine Hütte aus, aber sie stand noch. Das war das wichtigste. In seinen Augen jedenfalls. Wenn man sich nun fragte, wie ein blinder Mann ein Dach flicken sollte, der sollte sich das Spektakel doch einfach einmal ansehen. Nifano war als erstes auf das Dach geklettert, um die Löcher zu erfühlen, um dann unten Bretter zurecht sägen zu können. Das hörte sich einfacher an, als es war. Immerhin musste er sich auf all seine anderen Sinne verlassen und hatte kein Sägewerk zur Hand. Normalerweise hackte er das Holz mit der Axt und hatte dann, wenn es kalt war eben den Ofen. So etwas wie eine Heizung. Er wohnte hier schließlich nicht gänzlich in der Wildnis und noch immer recht zivilisiert. Auch wenn sein Haus keine neumoderne Toilette besaß. Eine Dusche übrigens auch nicht. Aber so etwas gab es nun mal auch nicht. Er hatte eine Säge, mit der er also per Hand die Schindeln zurecht sägte. Und das dauerte eben auch eine kleine Weile. Nun hockte er jedenfalls endlich wieder auf dem Dach und hämmerte Nägel durch das feuchte Holz. Nägel zu bekommen war gar nicht so schwer. Man brauchte nur einmal in die Stadt, oder in die Nähe eines Ortes, dort fand man genug Metall, dass man im Feuer erwärmen und dann zurecht biegen konnte. Der Beruf der Schmieds wäre dafür natürlich auch sehr hilfreich. Aber man muss sich eigentlich nur selbst zu helfen wissen.
Im Sturm hatte es irgendwann angefangen herein zu regnen. Er hatte noch versucht einige seiner Sachen zu retten. Hatte Eimer unter die Löcher gestellt. Viel hatte das nicht gebracht. Später war das Wasser auch durch die Tür ins Haus. Er hatte also alles hochstellen müssen, da das Wasser ihm schnell bis zu den Knien gereicht hatte. Nun war einiges davon wieder weg und dennoch stand das Wasser in der kleinen Hütte. Sie stand recht verborgen an einer Art Hügel. Der Fels bildete eine der Hauswände, die anderen hatte er mit Holz und Steinen aufgestellt und hatte schließlich ein Dach drauf gesetzt. Ein Fenster gab es nicht. Glas war schwer zu beschaffen und wenn ein Sturm über das Land hinweg fegte, würde das Fenster bloß eingeschlagen werden und die Witterung herein kommen. Also hatte Nifano in seiner Hütte nur eine Tür. Auch aus Holz, versteht sich. Er lebte sehr gern in seiner eigenen kleinen Hütte, die ihm das Gefühl von Heimat und einem zu Hause gab. Er hatte etwas eignes, was nun mal ihm gehörte. Und deshalb reparierte er nun auch alles. Die Tür müsste er auch noch wieder heile machen. Die knirschte und knarrte und war schrecklich verzogen. Zu würde er sie nun nicht mehr kriegen. Aber erst wollte er abwarten, bis das Holz wieder getrocknet war.
Zwischen den hämmernden Lauten mischte sich immer mal wieder derbes Fluchen, was nur von ihm stammen konnte. Er ärgerte sich eben. Wer ärgerte sich auch nicht, wenn ein Sturm dessen Existenz beinahe niedergerissen hatte. Aber immerhin war drinnen so gut wie alles heil geblieben. Seine Kochstelle, der Ofen, sein Bett und der Tisch mit den zwei Bänken. Und das Regal, welches er sich irgendwann zusätzlich gebaut hatte. Alles stand noch. Da sollte er einfach froh drüber sein. War er auch eigentlich, bloß ärgerte ihn das Dach gerade viel mehr.
Wo der Rest des Stammes bei diesem Wetter abgeblieben war, wusste er zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Er wollte vorerst sein eigenes Heim retten und er war eigentlich der festen Überzeugung, dass die schon zu ihm kommen würden, wenn denen irgendwas fehlte. Bloß, dass in dieser Beziehung seine Überzeugungen nicht immer richtig waren. Immerhin war ihm immer noch nicht ganz klar geworden, dass die meisten ihn für einen unheimlichen, schrulligen Kerl hielten. Er dachte er sei nett. Zwar nicht immer. Denn meistens hatte er eher schlechte Laune, aber meistens war er doch nett. Dachte er jedenfalls.
Was denn da war? Ich neigte ein klein wenig den Kopf zur Seite, während mein wieder etwas getrübter Blick auf Tyler ruhte, der sich ebenfalls erhoben hatte und nun relativ langsam in meine Richtung kam. „Ziemlich viel.... Wasser.“, stellte ich fest, zuckte ein klein wenig mit den schmalen Schultern, bevor ich mich von der Fensterbank wieder abstieß, um ein wenig zur Seite zu treten, sodass der junge Mann einen Blick an mir vorbei werfen konnte. Geradewegs aus dem Fenster hinaus, auf das Gelände das ziemlich unter Wasser stand und die Straßen, auf denen sogar ziemlich starke Strömungen herrschten. Herrlich, wirklich. Da war nun wieder schönes Wetter und dann so etwas. Das konnte doch nicht wahr sein! In dieser dämlichen Hütte hier befanden sich so viele Wesen, von denen ich einfach nur gerne weit, weit weg wäre. Und dann, dann war das Wetter wieder schön und draußen stand alles unter Wasser, was es mir deutlich schwerer machen würde zu verschwinden. Das konnte doch, verdammt nochmal, nicht wahr sein!
„Naja, wir werden wohl trotzdem von hier weg kommen..“, war ja immerhin nur Wasser, oder etwa nicht? Und mit ‚wir‘ meinte ich nicht unbedingt, dass wir gemeinsam gingen und dann auch noch ein Weilchen zusammen blieben. Ich meinte einfach nur ‚wir, die Allgemeinheit‘ oder sowas in der Art. Es würde uns schon nicht alle zwingen hier zu bleiben. Es würde Mittel und Wege geben hier raus zu kommen – bestenfalls auch noch trocken. Die Strömungen konnten doch gar nicht so stark sein. Oder? Ich konnte es mir zumindest nicht vorstellen, würde es aber wohl gleich herausfinden.
Ich schlenderte zu meiner Tasche, die noch am Boden, gemeinsam mit der Bratpfanne lag, was ich jeweils aufhob, um mir den Rucksack schließlich über eine Schulter zu hängen – der andere Schultergurt war kaputt – und die Pfanne in die Hand zu nehmen, die zu dem Arm und der Schulter gehörte, über der der Rucksack hing. Anschließend wandte ich mich wieder in Richtung Tyler, sah ihn einen Moment prüfend an. „Ich werd dann mal sehen, wie man hier so voran kommt.“ Vielleicht wollte er ja mit, vielleicht auch nicht. Es war mehr eine indirekte Frage, die ich an ihn gestellt hatte, mir war es im Endeffekt egal. Ich war das Allein-Sein gewohnt, hatte damit nicht mehr wirklich ein Problem, auch wenn Gesellschaft im Allgemeinen schöner war. Zumindest, solange man sich nicht gegenseitig auf die Nerven ging.
Wasser. Überall war Wasser. Als der Sturm schon längst dabei gewesen war über das Land zu fegen, hatte die zierliche, schlanke Brünette sich letztlich in einen Keller eines noch relativ stabil wirkenden Wohnhauses geflüchtet. Etwas anderes war ihr kaum übrig geblieben, denn wenn es noch einen gefährlicheren Ort gab als diesen hier, dann war es außerhalb der vier Wände. Und letztlich hatten sei auch Stand gehalten, lediglich das Wasser war von Mitternacht an langsam aber sicher immer höher gestiegen, sodass es ihr nun, wo sie sich von dem Tisch auf dem sie gesessen hatte sinken ließ, bis zur Mitte der Oberschenkel ging. Ein frustriertes Seufzen klang über ihre Lippen, bevor sie sich in Richtung der Treppen wandte, diese erklomm, um sich wenig später schnaubend gegen die Tür zu werfen, die nicht aufgehen wollte. War das nun tatsächlich deren Ernst? War sie hier eingeschlossen? War die Tür versperrt? Sie hatte gerade ein Unwetter überlebt, das als Weltuntergang hätte durchgehen können und nun klemmte die Türe. Die Talutah Wachiwi drückte die Klinge hinunter, drückte die linke Schulter gegen die Tür und versuchte sie aufzustemmen. Nach einigen Versuchen funktionierte dies auch endlich. Zwar mit schmerzender Schulter, aber die Türe war offen und das war wohl gerade erst einmal das Wichtigste.
Und tatsächlich schaffte sie es auch ohne weitere Probleme aus dem Haus heraus und auf die Straße, auf welcher sie von weiteren, unendlich scheinenden Wassermassen empfangen wurde. Glücklicherweise von keinem allzu starken Strom. Nicht direkt vor den Stufen der Veranda zumindest. Sie hatte sich wohl tatsächlich das „richtige“ Haus ausgesucht. Nass war sie ohnehin, weswegen sie sich nun auch keinen Kopf darum machte wie sie nun am besten trocken hier weg kam. Sie strich sich die – noch trockenen – Haare über die linke Schulter, bevor sie die Tasche, die um ihre Schultern hing, mit der einen Hand festhielt. Als könne sie gerade davon ausgehen, dass in den nächsten Sekunden jemand kam, der ihr ihr Hab und Gut streitig machen wollte, dabei war hier keine Menschenseele – wenn man so wollte, mittlerweile gab es ja nicht mehr gar so viele Menschen, eher die drei weiterentwickelten Spezies – zu sehen und irgendwie bezweifelte die Wachi, dass sich dies ändern würde. Dabei hatte sie Hunger, das war nun schon der zweite Tag, an dem sie nichts zwischen die Beißerchen bekam. Sie musste sich unbedingt einmal wieder jemanden des männlichen Geschlechts suchen, um nicht bald vom Fleisch zu fallen. Das schwerste Stück ihres Weges war es gewesen die Straße zu überqueren, deren Strömung die junge Frau doch ein wenig unterschätzt hatte. Es hatte ihr zwar letztlich glücklicherweise nicht die Beine unter dem Körper einfach weggerissen, aber beinahe und das gleich mehrere Male. Sie war gerade froh, dass niemand hier war, der sie dabei beobachtet hatte, denn das musste alles andere als stark, elegant oder gar selbstsicher ausgesehen haben. Sie war einfach nur froh, am Waldrand – der über eine kleine Erhöhung von den angrenzenden Häuserreihen getrennt war – angekommen zu sein. Sie mochte den Wald, die Natur. Darin traf man zwar eher selten Menschen an, ebenso wenig Kailasa, aber Achak waren häufiger anzutreffen und diese mussten doch nun ziemlich aufgewühlt sein, oder nicht? Lexi hatte einmal die provisorischen Hütten eines Stammes gesehen, sonderlich stabil hatten sie nicht gewirkt und „ihr Wald“, war nun auch nicht mehr „ihr Wald“ wie sie ihn kannten. Umgestürzte Bäume, abgeknickte Äste die im Weg lagen. Und sie hatte schon immer einmal wissen wollen wie das Blut eines Achak schmeckte.
Vielleicht war sie gerade etwas todesmutig, denn mit den meist blinden Gestalten war alles andere als zu spaßen, sie war schon einige Male mit ihnen aneinander geraten, allerdings auch immer wieder glimpflich aus der Situation heraus gekommen. Nun drängte sie ihr Hunger und die unruhige Nacht geradewegs in deren Gebiet. Immer ihrer Nase nach. Der Boden war matschig, teilweise ziemlich rutschig und unter den Baumkronen, die die Sonne abschirmten, war es kühler als in der Stadt und unter freiem Himmel. Sie zog die Jacke etwas enger um den schmalen Körper, als sie plötzlich inne hielt. Nicht nur ein relativ regelmäßiges Hämmern klang an ihr Ohr, sondern auch leises Fluchen. Definitiv abstammend von einer männlichen Stimme. Ohne lange zu zögern drehte sich die Brünette in die Richtung, aus welcher besagte Stimme erklungen war, war aber dennoch zumindest so vorsichtig, dass sie darauf achtete nicht gerade auf hunderte von den kleinen Ästen zu treten, die der Sturm mit sich auf den Boden gerissen hatte. Ebenso, wie sie darauf achtete immer geschützt von den Bäumen keinen Blick auf sich freizugeben. Nicht, bevor sie Denjenigen ausgemacht hatte, von dem die Stimme kam. Ihr war zwar bewusst, dass ein Achak deutlich bessere Sinne hatte und sie wohl dennoch hören oder gar riechen konnte, aber wenn sie Glück hatte, war er abgelenkt – wenn es überhaupt ein Achak war. Das würde sie aber wohl gleich herausfinden. Und tatsächlich handelte es sich um eines der weißhaarigen Wesen, das die Brünette schon bald auf einer recht heruntergekommenen, mitgenommenen Hütte sitzen sah. Sitzen und fluchen. Er war wohl gerade dabei sein Heim wieder aufzubauen. Dabei standen in der Stadt doch genügend Häuser, die ihm Schutz bieten können würden, aber verstand einer diese eigenbrötlerischen Achak.
Beinahe hätte er sich auf die Finger geschlagen. Das konnte er gerade noch gebrauchen. Gebrochene Finger. Dann könnte er auch gleich sein Todesurteil unterschreiben. Jedenfalls war er in dieser Stimmung. Ein oder zwei gebrochene Knochen und seien es Finger würden ihn schon lange nicht umbringen. Doch in seinem Kopf nahm dieses Szenario gerade Form an. Er hätte sich immerhin gerade eine durchaus bessere Freizeitbeschäftigung denken können, als sein Dach zu flicken. Die eine Wand müsste er auch noch reparieren. Ein paar Steine waren durch herum fliegende Äste heraus geschlagen worden und an der einen Stelle sah die Wand auch nicht mehr wirklich wie eine Wand aus. Er ärgerte sich eben. Aber das merkte man auch so. Denn wirklich freundlich härte er sich zurzeit sowieso nicht an. Er trug eine schon recht mitgenommene und zerfetzte Jeans, die ihr nötigstes tat. Er hatte sie vor Jahrzehnten mal irgendwo gefunden und als sein Eigentum beschrieben. Dazu ein recht dünnes, aber langärmliges Leinenhemd. Die Ärmel hatte er sich hochgekrempelt. Kalt fand er es nämlich nun wirklich nicht. Nach dem Sturm war die Sonne heraus gekommen, auch wenn sich die frische Luft zwischen den Bäumen länger hielt, war es um ein paar Grad wärmer geworden. Außerdem betätigte er sich ja beinahe sportlich. Da wurde einem sowieso warm bei. Er hatte eben nicht so viele Klamotten. Brauchte er auch für gewöhnlich nicht. Socken oder Schuhe trug er momentan auch nicht. Wenn er auf dem Dach herum kletterte, tat er das sowieso lieber barfuß. Da hatte er mehr Gefühl, wo er sicheren Halt finden würde und wo eben nicht. Jetzt, da das Holz feucht war, glitschte man sowieso schneller mal aus und landete unsanft auf dem Boden. Mit Schuhen oder Socken wäre das noch schlimmer gewesen.
Er wischte sich gerade mit der Hand über die Stirn, als ihn irgendein Geräusch einen Moment inne halten ließ. Irgendwas hatte er doch da gerade gehört. Als würde sich irgendetwas nähern. Aber dann war da doch nichts mehr gewesen und wahrscheinlich war es nur irgendein Tier gewesen. Also machte er mit der nächsten Schindel weiter. Das Dach wollte er vor Anbruch der Dunkelheit noch fertig bekommen. Und ja auch wenn er so gut wie blind war, bekam er mit, wann es hell draußen und somit Tag und wann dunkel und damit Nacht war. Sonderlich schwer war das nicht und das erkannte er nicht mit den Augen sondern mittels der Haut. Es war einfach ein anderes Gefühl, wenn es hell war.
Irgendwann strich dann ein Geruch und erneut dieses Geräusch an ihn heran. Er hatte doch gewusst, dass er da etwas gehört hatte. Er hämmerte weiter, als wenn nichts wäre, aber der Wind, beziehungsweise die leichte Brise kam ihm gerade recht. Der Geruch gehörte auf keinem Falle einem Tier. Auch machten Tiere andere Geräusche. Da kam ihn gerade jemand besuchen und jemand aus dem Stamm war es nicht. Da war er sich jetzt schon ziemlich sicher. Auch einer dieser Tiere von Männern war es nicht. Die waren zu grob und würden nie so leise sein können. Wieder strich der Geruch um seine Nase und nun hielt er in seiner Arbeit inne. Er hatte kein sehr gutes Gefühl bei seinem Besuch. Er steckte sich den Hammer in den Hosenbund und drehte sich um. Durch den leichten Windzug wusste er schließlich die ungefähre Richtung.
„Kommst du, um mir zu helfen?“, fragte er in den Wald hinein, fuhr sich mit den Fingern durch die schon wieder recht langen Haare, welche aber noch nicht wieder lang genug waren, um sie zusammen zu binden. Ihn konnten sie ja auch schlecht im Gesicht stören, immerhin sah er durch seine Augen sowieso nichts. Er stand aus der Hocke auf, trat an den Rand des Daches und sprang geschmeidig und sanft herunter. Seine Füße landeten im klatschenassen Moos. „Ich würde dir ja etwas zu essen anbieten, aber ich denke, wir beide haben einen etwas anderen Geschmack, was das angeht.“
Er war schlecht im Witze machen. Aber auch das wollte er nie so richtig einsehen.
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