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Mein Misstrauen und meine Vorsicht hatten mich all die Jahre beinahe unbeschadet überstehen lassen, waren mir immer treue Diener gewesen und nutzen mir auch in dieser Situation. So verlockend es auch war, meiner Neugierde über diese mächtige Art, den Talutah Wachiwi, nachzugehen, hielt mich mein Verstand zurück und zwang mich zur Ruhe. Immerhin kannte ich diese Wesen bereits, war ihnen schon das ein oder andere Mal über den Weg gelaufen und hatte es selber immer unbeschadet überstanden, was man ein oder zweimal von den Schönheiten nicht behaupten konnte. Überhaupt waren sie dann oftmals nicht mehr ganz so schön, wenn ich mit ihnen fertig war, aber diese Zeit lag schon etwas länger zurück und war demnach nicht der Rede wert. An dem heutigen Tag ließ ich mich wieder vermehrt von meinen Erinnerungen ablenken, was nur ein weiteres Signal dafür war, dass ich dringend einen Menschen oder ein anderes Lebewesen mit intakter Seele brauchte. Ob da die zierlich gebaute Frau vor mir auch ausreichen würde? Ich nahm es einfach einmal schwer an und musste mit einiger Missbilligung mit anhören, wie sich Elija selbstständig zu machen schien. Mein kalter Blick lag für einen Moment auf seinem Körper, der die Distanz zwischen der Fremden und sich selbst verkleinerte, wanderte dann aber wieder bei einem schneidenden Geräusch zurück zu der jungen Frau. Leder. Der abgewetzte Geruch stieg mir für wenige Sekunden in die Nase, verschwand aber ebenso schnell wieder, als wäre er nie dagewesen. Noch blieb ich auf meiner Stelle stehen, ließ den jungen Krieger machen, aber würde es nicht erlauben, dass er sich selber in Schwierigkeiten brachte und damit das Überleben aller gefährdete. Wer wusste schon, was diese Wachi im Hinterkopf für Pläne hatte. Dennoch musste der Achak in Acht bleiben, denn das Leder musste zum Schutz einer Waffe gedient haben, demnach war die Wachi bewaffnet und mit ganz viel Pech konnte sie mit dieser Waffe gut umgehen. Mein Blick würde strafend auf ihr liegen, wenn er etwas anders als ausdruckslose Eiseskälte vermitteln könnte. Niemand vergriff sich an dem Stamm, in dem ich eine gehobene Funktion hatte und genau das zeigte ich ihr mit den starren grauen Blick in den Augen.
Erst als ich die anmutigen Schritte erneut vernahm, löste ich mich aus meiner Starre und bewegte mich ebenfalls lautlos, hielt mich aber weiterhin schräg hinter dem Krieger. Beruhigend spürte ich das kühle Elfenbein an meiner Hüfte, wie der kleine Dolch gut verborgen unter dem Pullover lag und durch nichts zu erahnen war. Ich trug das Familienerbstück sogar beim Schlafen an meiner Seite, was man entweder als paranoid oder intelligent abtun konnte. Ich missachtete nur jegliche Kommentare zu diesem misstrauischen Verhalten, aber nahm es auch niemandem sonderlich übel, solange gewisse Grenzen eingehalten wurden. Zwar hatte die Wachi noch keine andere Art von Grenze überschritten, aber sie brauchte nicht einmal in Erwägung zu ziehen, sich an meiner Begleitung den Magen vollzuschlagen. Abschrecken wollte ich sie dennoch nicht, schließlich würde sie andererseits eine gute Mahlzeit für den Stamm hergeben – eine Chance, die ich keineswegs ungenutzt lassen wollte. Aber die Situation war mir unangenehm, es war zu leise und damit fiel schon einmal ein großer Aspekt meiner Orientierung flach. Der Wind liebkoste nur ihre Gestalt, aber wenn sie nichts sagte, konnte sich kein Bild zu der Stimme in meinem Kopf formen. Da halfen alle Sagen von der Schönheit und Anziehungskraft einer Talutah Wachiwi herzlich wenig.
Nein.. ich hatte nichts anderes zu tun. Was sollte ich auch sonst tun? Wieder auf der alten Industriehalle herumsitzen und vor mich hinstarren? Natürlich könnte ich genauso ein paar andere Spezies aufspüren und ihnen Feuer unter dem Hintern machen, bis ich meine Genugtuung bekam und sie leiden lassen konnte. Aber warum sollte ich mir die Arbeit machen und die Wachiwi oder die Achak aufsuchen, wenn mir die junge Frau geradezu in die Arme gelaufen war? Zumal ein Mensch doch wesentlich ungefährlicher war als eine der anderen beiden Spezies. Die Wachiwi waren zwar wirklich hübsch, aber ich hatte nicht unbedingt das Bedürfnis von ihnen ausgesaugt zu werden. Die tranken ja leider nicht nur das Blut von männlichen Menschen, sondern auch von den männlichen Achak und uns Kailasa. Wenn sie jemanden von uns erwischten. War ja nicht so als würden wir uns ihnen auf dem Silbertablett präsentieren lassen. Soweit würde es noch kommen.. Naja und die Achak.. denen traute ich noch weniger als den Wachiwi. Wobei ich jetzt auch noch nicht wirklich oft einer der beiden anderen Spezies begegnet war. Aber gut, die taten jetzt nichts zur Sache und solange mir keiner von denen auf die Nerven ging und hier auftauchte.. Egal. Jetzt war die junge Frau hier neben mir sehr viel mehr interessant und forderte meine ganze Beherrschung ein. Sie schien ein wenig in Gedanken versunken zu sein und ich lief erstmal stillschweigend neben ihr her, bevor mich ihre.. Frage doch ziemlich.. innerlich aufschnauben ließ. Ahnte sie was? Ahnte sie, wer und was ich war und in welcher Gefahr die schwebte? Natürlich könnte ich sie einfach so und ohne mit der Wimper zu zucken töten. Ihr Leben auslöschen. Sie leiden lassen, ihr unsagbare Schmerzen hinzufügen und ihren dann für sie erlösenden Tod in die Länge ziehen. Ich könnte alles mit ihr machen, ich war mir meiner Kraft durchaus bewusst. Und mit jedem bisschen Schmerz, den ich ihr zufügen würde und sie leiden lassen würde, würde ich stärker werden und an Kraft gewinnen. Auf was ich aus war? Auf ihren Schmerz. Auf ihr Leid. Darauf, dass ich die Bestie in mir aufleben lassen können würde. Genau darauf. Trotzdem verfinsterte sich meine Miene ein wenig, wenn auch nur für den Bruchteil einer Sekunde. Aber genau dieser Bruchteil könnte mein ganzes Vorhaben jetzt zunichte machen, wenn sie es gesehen hatte. Zasha, Zasha.. Da fiel mir doch glatt wieder die Bedeutung meines Namens ein. Verteidiger der Menschheit. Welch' Ironie.. Ich schaute einen Moment auf den Boden vor uns, hob meinen Blick dann aber wieder an und schaute die Brünette an. "Auf Gesellschaft. Sind ja nicht viele da mit denen man sich abgeben kann.. oder will.." meinte ich und meine Mundwinkel zuckten kurz und leicht nach oben zu einem schwachen Lächeln. Wenn sie was bemerkt hatte.. dann würden meine Spielchen leider kürzer ausfallen müssen. Schade..
Erst als Nerea sich bewegte, fiel mir selbst auf, dass ich näher an die Wachi heran gekommen war, als ich es beabsichtigt hatte. Dass ich mich so unachtsam verhielt, sagte einiges – und sicherlich verhieß es nichts Gutes. Also blieb ich still stehen, blickte über die Schuler zu meiner Begleitung ohne sie zu sehen natürlich. Ich war nicht sicher, ob diese Wachi schon wusste, dass wir beide blind waren, vielleicht vermutete sie es nur und solange sie in Gedanken darüber grübelte, waren wir noch mehr im Vorteil, als generell schon. Immerhin waren wir zu zweit und kannten uns gut aus im Kämpfen. Als ich vernahm, wie die Frau eine Waffe zog, wandte ich den Blick wieder nach vorne, die Augen eine Sekunde etwas zusammengekniffen und dann wieder in voller Größe, voller Ausstrahlung. Ich wusste nicht, wie meine Augen tatsächlich aussahen, aber meine Mutter hatte immer gesagt, dass ich mit ihnen beschenkt worden war und sie eindrucksvoll waren. Es war ja aber auch meine Mutter, natürlich sagte sie nur positive Dinge, fast.
Ich überlegte, ob es taktisch klug wäre, ebenfalls meine Waffe zu ziehen, ließ es dann aber doch bleiben. Wenn sie nur ein kleines bisschen zögerlich sein würde, würde ich meine eigene Waffe vermutlich noch nicht einmal brauchen. Vor allem nicht, da Nerea bei mir war und mich so gut unterstützen konnte oder umgekehrt ich sie. Dann kam ich auf die Idee, ob wir sie nicht vielleicht verschonen sollten, mit ihr sprechen, geheucheltes Vertrauen gewinnen, sodass sie uns zu weiteren Wachis führte. Ich wusste nicht, ob sie eher Einzelgänger waren oder wie wir in einem Stamm lebten, aber mehrere Frauen waren auf jeden Fall besser, als nur eine einzige. So wie der Wind um ihren Körper pfiff, schien sie eine zarte Statur zu haben, sie schien nicht sonderlich groß, eher zierlich. Diese eine würde kaum für einen von uns reichen. Wieder wandte ich den Kopf zu Nerea, um sie zu fragen, aber ich tat es nicht. Inzwischen waren wir zu nah an der Wachi und der Wind ließ ein wenig nach, sodass sie meine Worte hätte verstehen können, wenn sie sich aufmerksam verhielt. Also blieb ich weiter auf der Stelle stehen, ein wenig unsicher, wie wir am besten vorgehen sollten. Diese Wachi schien nicht direkt auf einen Kampf auf Leben und Tod aus zu sein, aber vielleicht war es ja auch bloß eine Taktik, ein Spiel, um uns abzulenken. Ich atmete einmal tief durch, vertrieb all meine ablenkenden Gedanken und fixierte so gut es ging wieder die Wachi vor mir. Meine Sinne waren aufs Äußerste gereizt und vielleicht war gerade das auch ein Stück weit mein Verhängnis. Sie roch so frisch, jung, faszinierend. Ihre Ausstrahlung war so eindeutig eine Wachi und egal, wie sehr ich mich sträubte, auch auf mich hatte sie die gottgegebene Wirkung, auch wenn ich mich zurück halten konnte.
Nachdem ich die Waffe gezogen hatte, machten die beiden trotzdem noch keine große Anstalt, auf mich loszugehen. Da hatte ich ziemlich Glück. Waren die Achak doch ganz anders, als es die Mythen erzählten? Die beiden schienen mir bis jetzt nicht besonders feindselig, aber ziemlich misstrauisch. Zumindestens die weibliche Achak. Der Achak vor mir war sogar recht offen auf mich zugegangen. Ob dies die Wirkung meines Anwesens war, wusste ich nicht. Schließlich hatte ich noch kein Wort gesagt, mich kaum bewegt und mich auch sonst nicht auffällig verhalten. Wie sonst sollten sie mich wahrnehmen? Konnten sie doch sehen? Und wenn nicht, konnte ich keinesfalls mit meinem Aussehen punkten. Meine rechte Hand, in der der Dolch ruhte, wurde ein wenig entspannter. Ich senkte sie leicht und betrachtete die beiden. Was waren ihre Absichten? Hatten sie doch vor, mich anzugreifen? Ich wüsste mich zu wehren, ab er ob ich gegen die beiden ankommen könnte, wusste ich nicht. Körperlich zumindestens. Ich wüsste nicht wieso, aber irgendwie zogen mich die Wesen an. Vielleicht war es die Neugier, mehr über sie erfahren zu wollen, wie sie lebten, wer sie waren. Vermutlich waren sie genauso neugierig, etwas über mich erfahren zu wollen. Es war banal, aber ich konnte meine Augen nicht von ihnen lassen. Sie waren einfach anders. Ich hatte noch nie einen Achak gesehen. Und im nächsten Moment kam die offene Seite in mir zum Vorschein. "Ihr habt so schöne Augen.", war das einzige, was ich sagte, während mein Blick bei dem vor mir hängen blieb. Ich hatte nicht laut gesprochen, eher etwas leiser, aber bewusst. In meiner samten Stimme war eigentlich keine Unsicherheit zu spüren. Ja, ich war immernoch leicht misstrauisch, aber soweit die beiden keine große Gefahr zeigten, war ja alles gut. Gespannt wartete ich auf eine Reaktion, während ich mein Dolch ganz leicht durch die Luft schwang und somit unsichtbare Zeichen und Krieger in die Luft zeichnete. Ich richtete es nicht auf die beiden, sondern senkrecht Richtung Boden. Im Moment fand ich es recht gut, dass sie mich nicht als allzu große Gefahr ansahen. Hoffentlich machte ich auch nicht den Eindruck. Und wenn ja, war das nicht meine Absicht. Während ich den Mann betrachtete, stieg eine ganz leichte Flut von Hunger in mir auf. Es war eigentlich nur eine logische Reaktion beim Sehen eines Mannes. Oder waren es die blutroten Lippen, die so an das Blut eines Mannes erinnerten? Leicht biss ich mir auf die Unterlippe, wie ich es so oft tat. Mein Hunger war nur ganz schwach und deshalb recht gut auszuhalten. Ich hatte bis jetzt nicht das Verlangen, dem Mann meine Zähne in die Haut zu schlagen, oder ich den Dolch in das Herz zu stechen, wenn er denn ein Herz besaß.. wie gesagt. Ich wusste zu wenig über diese Wesen, um sie richtig beurteilen zu können. Nur ihre Körpersprache konnte ich aufgrund meiner Guten Menschenkentnisse gut deuten.
Der Wind zerrte an meinen Haaren und an meiner Kleidung und ich überlegte,ob ich wohl weggeweht werden würde,wenn ich meine schwarze Windjacke öffnete und wie Segel ausbreiten würde. In dem Moment drehte der Wind und schlug mir meine Haare ins Gesicht. Schnell drehte ich mich mit dem Gesicht in den Wind. Ich lief schon seid Tagen oder Wochen, ich war mir nicht mehr sicher, durch den Wald ohne ein Ziel zu haben. Ich trank aus Bächen und hoffte davon nicht krank zu werden und aß,was ich so fand. Bis jetzt hatte das ja ganz gut geklappt,aber heute hatte ich noch keinen einzigen Tropfen Wasser zu mir gekommen und mein Mund war trocken,meine Zunge pelzig und meine Lippen rissig. Ich hatte Durst. Ein oder zwei Tage würde ich es vielleicht noch aushalten,aber dann wurde es knapp und ich hatte nicht vor zu verdursten. Hoffnungsvoll schaute ich in den bewölkten Himmel und suchte nach Anzeichen auf Regen. Die Wolken waren grau und die vereinzelt vorbeifliegenden Vögel flogen tief. Alles deutete auf ein Gewitter hin... Oder wenigstens auf Regen. Ich packte die Träger meines Rucksacks fester und lief weiter. Der Wind flaute ab und es wurde stiller im Wald. Die Blätter hörten auf zu rauschen und kein Zeug wirbelten mehr umher. "Die Ruhe vor dem Sturm", murmelte ich und blieb plötzlich stehen. Jetzt redete ich schon mit mir selbst! Ich brauchte dringend Gesellschaft, sonst würde ich noch verrückt werden. Ich stapfte weiter und betrachtete dabei meine Umgebung. Die verschiedenen Bäume waren hoch und die Äste fingen erst weit oben an.Wenn man hinaufklettern wollte,musste man wirklich geschickt im Klettern sein.Ich stellte mir vor,wie ich auf einen Hohen Laubbaum kletterte. Wie ich mich hochkämpfte zu den untersten Ästen und wie viel leichter das Klettern dann fallen würde. Ich würde mich in eine Astgabel setzen und über die Wipfel schauen,die sich gewiss bis zum Horizont erstreckten.
Als ich merkte,dass ich schon wieder stehen geblieben war und gedankenverloren einen Baum anstarrte, riss ich mich zusammen und senkte den Blick auf den bemoosten Boden.Hin und wieder kamen Wurzeln oder Steine aus dem Moos,dass fast den ganzen Boden bedeckte.Äste lagen wild verstreut und vom Wald abgebrochen herum,wie gefallene Krieger. Heute war so ein Tag, an dem es nie richtig hell wurde, weil die tief hängenden Wolken die Sonnenstrahlen daran hinderten bis zur Erde durchzudringen. Ich mochte sowieso lieber Regen und Wind,als Sonne und Hitze. Wie,als hätte ich ihn durch meine Gedanken gerufen, wehte eine Windböe zwischen den Stämmen der Bäume hindurch,brachte die Blätter zum rauschen und schlug mir meine Haare ins Gesicht. Schnell trat ich in den Windschatten eines dicken Baumes und suchte nach irgendwas,womit ich meine Haare bändigen konnte. Ich fand ein kleines Lederbändchen, welches ich irgendwann mal anderweitig benutzt hatte,flocht mir einen Zopf und schlang das Band um meine Locken. Dann steckte ich den Zopf unter die Jacke und traute mich aus dem Windschatten hervor. Der Wind schlug mir sofort entgegen und zerrte an meiner Kleidung. Ich war kurz davor mich wieder in den Windschatten zu flüchten und mich einfach zwischen den Wurzeln zusammenzukauern und auf den nächsten (hoffentlich besseren) Tag zu warten, aber nein, mein trockener Mund trieb mich weiter. Ich musste was zu trinken finden.
Meine Nerven waren durchaus gespannt und meine Sinne vor allem auf die Wachi vor uns geschärft, aber meine Konzentration flackerte auch immer wiederkontrollierend über unser Umfeld, sodass mir nicht der geringste, verräterische Laut entgehen konnte. Man konnte nie zu vorsichtig sein, wenn man mich fragte und da Elija eh den Part des offenen Zugehens übernommen hatte, blieb ich eben die Obhut und bewahrte ihn vor dummen Fehlern, die dieser Männermagnet vor uns verursachen konnte. Ich hatte keinerlei Zweifel an dem jungen Krieger, dass er wegen diesem womöglich sehr stark auf ihn einwirkenden Einfluss seine Loyalität verlor, aber wegen seiner Fähigkeit sich zu wehren oder gar anzugreifen hatte ich dann doch so meine Bedenken. Viel zu leichtgläubig war er auf das weibliche Wesen zugetappt, als wüsste er nicht, welche Gefahr von solch einer Frau ausgehen konnte. Im Moment war es noch kein Vorwurf, wenn er sich wieder eines Besseren besinnen konnte und anscheinend schien er es selber eingesehen zu haben, denn das leichte Kratzen seines Gewandes, als er sich zu mir umwandte, signalisierte eindeutig die Erkenntnis darüber, dass er ohne Nachzudenken vorgegangen war. Ich suchte seinen Blick vergeblich, aber wusste, dass seine leeren Augen auf mir lagen, sah aber nach ein paar Augenblicken wieder zu der potentiellen Gefahr in Form einer zierlichen Frau. Mir missfiel es, dass wir uns so nahe an die Wachi herangewagt hatten und damit bekannt gaben, dass sich unsere Heimat hier irgendwo befinden musste. Es passte mir einfach nicht, dass sie womöglich durch diese erst kurz andauernde Begegnung bereits zu viel an Informationen erfahren hatte.
Das einzig Positiv in dieser Situation war, dass dieses Wesen keinerlei Anzeichen für Angriff durchsickern ließ und schlussendlich sogar die Hand mit der Waffe sinken ließ, aber weiterhin in Bewegung hielt. Mein Blick suchte für einen Moment ihre Hand auf, die ihre Muster zog und damit den ohnehin schon pfeifenden Wind durchschnitt. Doch meine Ohren fanden schnell etwas anderes, woran sie sich orientieren konnte: eine weiche, harmonische Stimme. Man musste kein Genie sein, um zu erahnen, was die Waffe dieser zierlich gebauten Frau war und dass sie wusste, damit umzugehen. Auf einmal machte auch die nachgesungene Melodie des Tölpels einen Sinn, denn solch einer Stimme musste man die Ehre zuteilwerden lassen, indem man sie in die Welt hinaus trug. Ihre Tonlage konnte einem männlichen Wesen durchaus den Kopf verdrehen, weshalb ich beinahe mahnend zu Elija schaute, der meine Aufmerksam auf sich spüren sollte. Doch der Inhalt ihrer Aussage brachte meine Aufmerksamkeit auf sie zurück, wobei ich meine Augen musternd zusammen kniff. Zwar blieb die Umgebung weiterhin im Dunklen, aber langsam begann sich die Gestalt einer hübschen Frau in meinen Gedanken zu bilden. Es dauerte keine zehn Sekunden, da war meine Gesichtsmuskulatur bereits wieder entspannt, doch meine Lippen blieben verschlossen. Auf dieses Kompliment hin hatte ich nichts zu äußern, vor allem, da ich mir nicht sicher sein konnte, ob diese wahrheitsgemäß oder gelogen war, um ein höheres Ziel anzustreben. Deine Stimme ist wundervoll. Es klang beinahe lächerlich in meinem Kopf und wahrscheinlich wäre Elija einen Kopf kürzer, wenn er auf einmal ebenfalls auf Smalltalk umschwenken würde. So etwas duldete ich nicht, schon gar nicht bei anderen Wesen, mit denen Kontakt für ihn im Grunde strengstens verboten war.
Es... brauchte einen Augenblick, bis er eine Reaktion auf meine direkte, ziemlich präzise gestellte Frage zeigte. Zumindest bis ich eine entdeckte, wahrnahm. Ich wagte nämlich nicht zu behaupten, dass ich von meiner Position aus neben ihm alles sehen konnte was sich in seinen feinen, aber dennoch markanten Gesichtszügen abspielte. Ich war zwar immer noch sehr Aufmerksam und eigentlich auch keine schlechte Menschekennerin.. auf die letzten Jahre allerdings hatten sich nicht viele Bekanntschaften gemacht, vielleicht war ich einfach eingerostet. Vielleicht machte ich mir auch schon wieder viel zu viele Sorgen. Seine Antwort stimmte mich aber auch schon wieder ruhiger. Wobei mir durchaus bewusst war, dass er mir wohl kaum offen und ehrlich eröffnen würde, dass er mich beispielsweise ausrauben wollte. Natürlich nicht, er wäre dumm würde er es tun.. selbst wenn ich gegen ihn kaum eine Chance hätte, auch wenn er mich im Prinzip vorwarnen würde. Vermutlich hätte ich dennoch den Kürzeren gezogen. Aber gut, was spielte das für eine Rolle? Sie stimmte mich also gleich wieder ein klein wenig ruhiger, unterband die Gedanken die wie wild durch meinen Kopf stürmten, flogen und mich durcheinander brachten, beschäftigten und in den Wahnsinn trieben mit ihren lauten Schreien was alles geschehen könnte, was er antworten könnte, was der Wirklichkeit entsprach und was in seinem Kopf vorging. Das konnte ich ohnehin nicht herausfinden. Würde ich niemals herausfinden können. Wie denn auch? Ich besaß nicht die Fähigkeit dazu und wenn ich ehrlich war, dann wollte ich sie auch nicht besitzen.
„Und ich zähle zu denen, mit denen man sich abgeben kann.. und will?“ Die letzten Worte waren bewusst genauso gewählt wie er sie von sich gegeben hatte. Auch von der Betonung her. Wieso auch immer, vermutlich war es mehr ein Versehen und ein unbewusstes Wiederholen gewesen weil es gerade einfach zu meinem Satz gepasst hatte. Ich neigte wohl dazu nachzuplappern.. zumindest in dem Moment gerade.
Mit einem dezenten Kopfschütteln vertrieb ich diese Gedanken, richtete meinen Blick wieder nach vorne. Gerade im rechten Moment, da vor mir auf der Straße der Beton-Sockel eines ehemaligen Straßenschildes – welches so vergilbt war, dass man nichts mehr darauf erkennen konnte – lag und mir den Weg versperrte, mich kurzerhand hätte darüber fliegen lassen. Wäre nicht in meinem Interesse. Wirklich nicht. Erstens wegen der Schmerzen die darauf folgen würden- auch wenn es sicherlich schlimmeres gab – und zweitens weil ich gewiss nicht vor dem attraktiven Fremden auf die Schnauze fliegen wollte. Ich konnte zwar hin und wieder wirklich einmal ungeschickt sein, aber gerade.. würde es mir doch peinlicher sein wie in einer anderen Situation. Das gab ich offen und ehrlich zu. Wem wäre das auch schon nicht peinlich?
Ich machte um den Sockel aus Stein in dem die verbogene Metallstange steckte also einen Bogen, kam so einen Moment dichter an den Fremden – dessen Namen ich nicht einmal kannte – heran, streifte ihn kurz und mehr aus Versehen an der Schulter, bevor ich wieder einen gewissen Abstand – vielleicht auch ein Sicherheitsabstand – zwischen und brachte, um anschließend den Blick schweifen zu lassen. Keine Ahnung wo ich ihn hinführen sollte.. ehrlich nicht. Da wartete immerhin niemand auf mich. Und was war dann, was war wenn er das realisierte? Was würde dann geschehen? „Wie heißt du eigentlich?“ ich konnte ihn natürlich auch mit ‚Fremder‘ oder so ansprechen.. aber das klang wohl nicht sonderlich schön, zumindest meiner Ansicht nach.. Geschmäcker sollten bekanntlich ja verschieden sein.
Ich hörte Schritte. Sie waren nicht schleichend, unbedacht. Ich sah kurz noch zu dem Fuchs und kickte ihn halbherzig in einen Busch, um ihn später zu holen. Ich war neugierig. Seit ein paar Tagen hatte ich kaum jemanden zu Gesicht bekommen...
Mit schnellen, aber leisen Schritten ging ich weiter auf die person zu. Ich musste erst etwas durch den Wald. Ich sah ein Mädchen (Keya). Weiter ging ich nicht mehr, sondern lehnte mich an den nächst gelegenden Baumstamm. Mit verschränkten Armen beobachtete ich sie.
Nun gab ich mir keine Mühe mehr, leise zu sein. Kurzer Hand trat ich auf paar Äste, die ein lautes Knacken von sich gaben. Sollte sie mich doch bemerken. Das war sogar meine Hoffnung. Ein bisschen... Gesellschafft konnte nicht schaden.
Für einen kurzen Moment schaute ich gen Himmel. Der Wind war weiterhin so stark, vorallem so nah am Waldrand. Ich lenkte meinen Blick wieder auf die junge Frau, musterte sie mit einem raschen Blick und starrte dann einfach auf ihren Hinterkopf.
Einfach alles in mir begann zu kribbeln, als die Wachi zu sprechen begann. Es war mir deutlich bewusst, dass es ihre ‚Waffe’ war, um sich einen Mann gefügig zu machen, aber ich war nicht so dumm darauf einzugehen. Der sanfte Klang hallte in meinem Kopf immer wieder und im ersten Moment war ich nur von der sanften, melodischen Art überwältigt, ohne überhaupt den Sinn der Worte wahrzunehmen. Ihre Stimme war wie Moos – ich liebte den Wald und ihre Stimme war eindeutig seidig, zart und absolut atemberaubend. Und obwohl ich innerlich einen wahren Ausbruch an Gefühlen spürte, ließ ich davon nichts nach außen. Meine Mimik blieb ausdruckslos, die Augen unbewegt auf das Geschöpf vor mir gerichtet und die Haltung starr und gerade. Es ging keine Gefahr von ihr aus, das war schon mal ein Vorteil und vielleicht sollten wir einfach unserer Wege gehen, uns von ihr trennen und verschwinden, aber noch bevor ich etwas in der Art zu ihr sagen konnte, spürte ich einen mahnenden Blick in meinem Rücken. Es war geradezu, als würde Nerea nach mir greifen und mich einmal schütteln – was ich vermutlich dringend gebraucht hätte, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Also schwieg ich. Einfach wortlos gehen würde ich mich auch nicht wagen. Ich wollte sie nicht im Rücken haben, ganz gleich, ob sie feindselig war oder nicht. Sie trug eine Waffe bei sich, die sie unentwegt durch die Luft sausen ließ und für mich bedeutete diese Geste, dass sie durchaus mit ihr umgehen konnte. Sie einzusetzen wusste und es vermutlich auch schon das ein oder andere Mal getan hatte. Nerea stand in der Hierarchie über mir und so würde ich nichts tun, was ihr missfallen könnte.
Wie wohl ihre Augen aussehen?, schoss es mir ungewollt durch den Kopf. Solche Gedanken waren absolut unpassend, ebenso wie der noch immer vorhandene, unglaubliche Widerhall ihrer Stimme tief in meinem Kopf. Ich fragte mich tatsächlich, ob ich den Klang ihrer Stimme überhaupt wieder vergessen würde, er schien so.. fest. So als wäre er in mir eingebrannt worden und allein der Gedanke an diese doch recht kurzen Worte, sorgte dafür, dass sich ein gewisses Gefühl der Wärme in mir ausbreitete. Das gehört zu ihrer Spezies. Das ist alles nur Teil ihres sogenannten Zaubers, sei kein Dummkopf Elija, denk an etwas anderes. Meine Mimik und Gestik blieben ausdruckslos – jahrelange Übung – aber ich fühlte mich fast, als müsste ich vor ihr zurück weichen. Ich stand so nah, spürte so viel von ihrer Präsenz und hatte tatsächlich ein wenig Angst davor unüberlegt zu handeln. Ich senkte meinen Blick von ihrem Gesicht – jedenfalls da, wo ich ihr Gesicht in etwa vermutete – zu ihrer in Bewegung seienden Hand, versuchte zu identifizieren, was sie mit der Waffe in ihrer Hand tat und wurde wieder aufmerksamer. Was, wenn irgendwo hinter uns weitere Wachi warteten und diese hier uns bloß ablenken sollte – schaffte sie ja ganz gut. Nerea und ich sollten dringend hier weg, aber nicht zurück zur Siedlung, sondern am besten mit großem Umweg und einer Nacht Pause irgendwo in der Stadt erst wieder zu unserem Dorf zurück. Mein Blick ging also zu meiner Begleiterin zurück und ich versuchte auszudrücken, dass ich in ihr allein keine Gefahr sah, aber doch einen möglichen Hinterhalt. So eine Aussage in einen blinden Blick zu legen, war nicht gerade leicht, aber so wie ich Nerea kannte, würde sie zumindest meine Anspannung bemerken und vielleicht handeln.
Ja, ich war schon ein wenig enttäuscht drüber, keine Stimme der beiden zu hören. Nicht einer von ihnen machte Anstalten, zu antworten. Eigentlich bestand auch kein Grund dazu.. aber es war schon etwas kränkend. Renesmee war von Grund auf ein herzensguter Wachi, aber sobald einer erfuhr, dass sie von dieser Spezies war, würde Abstand gehalten. Als dachten sofort, ich wolle böses, sei gefährlich. Das führte auch dazu, dass ich allein umherstreifte. Ich hatte bis jetzt kaum mit einer anderen Person außer einer Wachi gesprochen. Die Menschen waren sowieso leicht zu beeinflussen und deswegen nicht als wahre Unterhaltung anzusehen. Aber warum antworteten sie nicht? Meiner Meinung nach trat ich ihnen überhaupt nicht gefährlich gegenüber. Meine Stimme könnte sie wohl kaum so sehr beeinflussen. Ja einige sagten, sie sei schön, aber wenn ich sie absichtlich als Waffe einsetzen würde, wäre sie um einiges gefährlicher, als wenn ich normal sprach, ohne eigentliche Absichten. Der Blick der grauen Augen war kalt. Sie waren an sich schon sehr abweisend, irgendwie gefährlich, aber ohne jegliche Gesichtsregung schienen sie noch stechender. Wenn ich die beiden betrachtete, kamen sie mir wirklich wie Märchengestalten vor. So weißes Haar, welches ich noch nie gesehen hatte, sodass ich am liebsten vorgetreten wäre und meine Hand ausgestreckt hätte, um sie zu berühren. Ja, in den früher erzählten Märchen hatte ich mir die Achak nicht so vorgestellt. Ihre Präsenz übertraf all das bisher Erzählte und all meine Vorstellungen. Wie stellen sie sich mich wohl vor? Die Bewegungen meiner Hand wurden langsamer und endeten schließlich ruhend, während ich meinen Kopf leicht schief legte. Der Achak blickte zu seiner Begleiterin zurück, sprach aber nicht. Wie verständigen sie sich und was sollte dieses ständige hin und her Geschaue? Haben sie keine Stimme?, kam es mir in den Kopf. Während sein Blick noch hinter sich gerichtet war, stieß ich ein leises Pfeifen aus, welches aus nur zwei Tönen bestand, um die Aufmerksamkeit wieder auf mich zu ziehen. "Wirklich schade, dass ihr anscheinend keine Stimme besitzt..", begann ich leise zu sprechen. Ich glaubte, dass sie sprechen können, ja. Aber ich wollte sie irgendwie zum Sprechen bringen. Dieses Schweigen war schon merkwürdig. Nicht unangenehm, aber merkwürdig. Vielleicht hatten sie auch keine Lust zu sprechen, aber dann konnte ich nicht nachvollziehen, warum sie hier standen und mich mit ihren leeren Augen beobachteten. Ich meine.. wenn sie sowieso kein Interesse hatten...?
Ich musste nachdenken, mir unsere Chancen ausrechnen, wenn wir sie doch überfallen wollten und einfach mit ins Dorf schleppten, aber wirklich satt bekamen wir dabei nicht einmal einen ausgewachsenen Krieger, so zierlich wie ihr Körper gebaut war und ihre weiche Stimme unterstrich dabei noch diesen sanften Bau, von dem wohl nicht nur ich ausging. Zu gerne würde ich nun in den Kopf des jungen Kriegers schauen können und ihm dann als Extra noch die Gedanken wieder gerade rücken, damit er ja nicht auf falsche Ideen kam. Er musste hart bleiben, durfte sich nicht von einem einfachen Satz umgarnen lassen, auch wenn das aus meiner Position leicht zu sagen war. Dieser Klang hatte durchaus etwas Verlockendes an sich, aber dennoch war er nicht anziehend genug, um mich in seinen Bann zu ziehen. Dazu schottete ich mich viel zu gut davon ab und war ein einziges Mal – auch zum ersten Mal in meinem Leben – wirklich erleichtert darüber, dass der Rasse, der ich angehörte, die Sehkraft im Laufe der Zeit gestohlen wurde. Wir wären nur eine weitere potentielle Beute für alle verführerisch schönen Wachi und verwegen attraktiven Kailasa. Doch dieses Exemplar schien mir bei Weitem nicht so bedrohlich vorzukommen, obwohl ich eher davon ausging, dass es Taktik war, damit wir uns in Sicherheit wogen und jegliche Verteidigung wie sie die Waffe sinken ließen. Dumm, sollte sie diese Erwartungen wirklich hegen.
Mein kalter Blick lag nach wie vor auf der jungen Frau, wurde dann aber von einer Intensität abgelenkt, die seitlich von mir ausgestrahlt wurde. Elija schien ebenfalls nicht gerade überzeugt von ihrer Unschuld zu sein und lieber den sicheren Weg wählen zu wollen. Dabei konnte ich ihm nur zustimmen, tat dies auch mit einem kaum merklichen Nicken und wandte mich dann aber doch wieder ebenso reserviert wie vorhin auch schon der Wachi zu, die doch tatsächlich meinte, uns wie Hunde zu sich pfeifen zu können. Wenn sie dies noch ein einziges Mal wagen sollte, dann würde sie den nächsten Sonnenaufgang nur unter schlimmen Qualen erleben und darum betteln, dass man ihrem schäbigen Leben ein Ende bereiten würde. In mir loderten nur für einen Sekundenbruchteil der Hass und vor allem aber der Hunger auf, aber meine gesamte Körperhaltung hatte sich dadurch verändert. Wie leicht würde es mir fallen, ebenfalls den Dolch zu ziehen und ihren wundervollen Körper mit Wunden zu bemalen, die ihre Schönheit für immer entstellen würde. Lange konnte ich dies aber doch nicht auf mir sitzen lassen, sondern wandte mein Wort doch zu ihr „Was willst du von uns?“ Ich musste mir mit allen Mitteln ein Fauchen über ihre unverschämte Art verkneifen und zwang mich zur innerlichen Ruhe, obwohl das Temperament weiterhin leise vor sich her flackerte. Meine Stimme strahlte Kraft und Autorität aus, was im strengen Kontrast zu meinem jugendhaften Äußeren stand.
Ich spürte, dass Nerea mir zustimmen wollte, aber noch bevor ich mir einen Reim daraus machen konnte, wie wir nun weiter vorgehen wollten, pfiff die Wachi, was ich als ziemlich unhöflich empfand. Mein Blick schnellte wieder zu ihr, meine Augen kniff ich abschätzend zusammen und meine gesamte Haltung neigte sich ein Stück weiter nach vorne, angriffsbereiter, angsteinflößender – immerhin war ich ja doch ein Stück größer als sie, jedenfalls wenn man ihrer Wirkung und dem Wind trauen konnte. Dieser verstärkte sich im Moment auch wieder, fast als wollte er meiner Meinung zustimmen und sie für ihre Unhöfliche Art mit uns umzugehen bestrafen. Dabei nahm ich ihr wehendes Haar wahr und die innere Vorstellung von ihr verstärkte sich. Allein anhand der Stimme konnte ich ja schon eine wage Person in mir konstruieren, aber durch ihre Erscheinung, so wage diese auch war, und den Wind wurde es ausgereifter und klarer. Schwer zu definieren, aber ich hatte durchaus ein Bild von ihr im Kopf. Langes Haar, schlanke, zierliche Figur. Eventuell in einem dunklenblond mit großen Augen, aber das alles waren Beschreibungen von Sehenden. In meinem Kopf waren keine solchen klaren Bilder, sondern eher verwischte Töne. Es war nicht mehr, als etwas helleres Schwarz und etwas dunkleres. Den Unterschied würde ein Sehender niemals erkennen können, aber für mich war er klar und deutlich da. Als wären da Konturen von ihr, die mein Bild prägten, gemeinsam mit der betörenden Stimme, die weiterhin in meinem Kopf hallte. Allerdings konnte ich meinen Drang ihr näher zu kommen jetzt gut kontrollieren, vor allem, als Nerea zu ihr sprach. Meine ganze Haltung drückte neben meiner Unterordnung Nerea gegenüber, Gefahr und Bereitschaft aus. Eine falsche Bewegung und die Wachi konnte noch so betörend wirken. Ich hatte mich zu lange nicht mehr genährt, um eine einfache Beute laufen zu lassen, aber doch war da in meinem Kopf noch immer der Gedanke an einen Hinterhalt, einen bösen Plan, um uns zu töten. Wobei es doch etwas überflüssig war Nerea mit mir zu hintergehen. Soweit ich das wusste, machte weibliches Blut eine Wachi nur schwächer und deshalb war es eigentlich dumm, wenn sie uns beide angreifen würden. Nur von mir würden sie sich nähren können und doch mussten sie gleich gegen zwei unserer Art kämpfen. Unüberlegt. Das war der Begriff, der mir dazu einfiel, ebenso wie ‚ausgehungert’. Vielleicht waren sie einfach so verzweifelt, dass sie lieber eine überflüssige Person angriffen, als gar nichts zu bekommen – vorausgesetzt, dass diese Wachi mit der schönen Stimme überhaupt etwas im Schilde führte.
Würde ich ihr sagen, was ich vorhatte? Nein. Ganz sicherlich nicht. Erstens mal wäre dann der ‚Überraschungseffekt‘ kaputt und zweitens.. würde ich dann wahrscheinlich sprichwörtlich eine von ihr auf den Deckel bekommen. Natürlich war ich ihr körperlich weitaus überlegen, aber das hieß ja nicht, dass sie sich nicht wehren konnte. Außerdem gab es da ja noch die Sache mit dem Herausschneiden des Tattoos.. Der Gedanke daran ließ es mir ja schon wieder kalt den Rücken herunterlaufen. Wollte ja gar nicht erst wissen, wie sich das anfühlte, wenn man es herausgeschnitten und herausgesäbelt bekam. Widerlich.. echt. Genauso widerlich wie die Vorstellung, dass die Wachis ihre männlichen Opfer aussaugen. Unwillkürlich musste ich mich kurz umschauen, einfach aus dem Bedürfnis heraus festzustellen, dass ich mit der jungen Frau alleine war und nicht dass hier gleich noch irgendwer auflauerte. Auf ihre Worte hin nickte ich leicht, lachte ein leises, raues Lachen. Ja, definitiv zählte sie zu den Personen, mit denen man sich abgeben konnte und wollte. Vor allem wenn man an jenen Personen seinen Hunger stillen konnte. Allerdings schien sie nicht so recht auf ihren Weg aufzupassen, denn sie wich noch in letzter Sekunde einem umgefallenen Sockel eines Straßenschildes aus. Wäre sie hingefallen und hätte sie eine Bruchlandung gemacht und sich dabei im besten Falle weh getan, hätte mich das ja gleich noch so angestachelt, dass ich ihr sofort an die Gurgel gesprungen wäre. Hätte ich wahrscheinlich wirklich gemacht, aber sie war dem Teil ja ausgewichen- und als sie dabei kurz meine Schulter berührte, kurz darauf aber auch schon wieder einen gewissen.. Sicherheitsabstand zu mir einhielt, fiel es mir doch tatsächlich noch um einiges schwerer, meine Pläne mit den Spielchen nicht sofort wieder über Bord zu werfen und direkt zum besten Teil zu kommen. Für einen Moment spannte ich meine Kiefermuskeln etwas an, zwang mich zur Beherrschung, schaffte dies dann auch. Na, immerhin etwas. Würde ich mir echt selbst ankreiden, wenn ich das jetzt nicht noch durchstehen wurde. Wobei ich mich langsam echt fragte, wo die junge Frau überhaupt hinlief. Wie war das vorhin gewesen? Meine Familie wartet ein paar Häuser weiter auf mich? Ein paar Häuser.. jaja. Die paar Häuser waren längst.. vorbei. Ihre Frage nach meinem Namen lenkte ich aber auch vorerst wieder davon ab und ich warf ihr einen kurzen Seitenblick zu, ehe ich ihr mit einem leicht rauen „Zasha.“ meinen Namen verriet. „Und du?“ warf ich einige Sekunden später noch hinterher, ließ meinen Blick in der Umgebung umherschweifen. Langsam bekam ich wirklich.. Hunger. War jetzt zwar nicht so, dass mir schon der Sabber im Mund zusammenlief- nein, sicherlich nicht- aber ich spürte geradezu schon meinen Magen betteln. „Sag mal, ein paar Häuser sind aber schon längst vorbei, oder nicht?“ machte ich sie auf ihre Lüge aufmerksam und lächelte sie leicht amüsiert an.
Ich wunderte mich über die Reaktion. Vermutlich hatten sie das als arrogant oder sonstiges angesehen, dabei war das Pfeifen nur eine Hinterfragung. Aber gut. Ja, anscheinend hatten sie Stimme. Zumindestens die Achak, die sich die ganze Zeit über ziemlich ruhig verhalten hatte. Jetzt hörte man den gereizten Unterton sichtlich heraus. Auch der Achak, der näher stand, hatte etwas dunklere Gesichtszüge. Super Renesmee, weiterer Versuch von Freundlichkeit fehlgeschlagen. Ich hatte schon zu lange keine wirklichen Gespräche mehr geführt, mich bzw. mit niemandem abgegeben. Nur zu den Zeitpunkten, wenn ich Nahrung suchte, aber mehr auch nicht. Ein leichter Seufzer, der wohl kaum zu hören war, trat über meine Lippen. Meine braunen Augen wandten sich von den Wesen ab, während ich überlegte, was ich sagen sollte. Jetzt war mir irgendwie die Lust auf ein Gespräch vergangen, aber die leichte Neugier, mehr über die Wesen erfahren zu wollen, blieb bestehen. Naja, dass sie misstrauisch waren, wusste ich jetzt. Schnell reizbar wahrscheinlich auch. Vielleicht traf das ja auf alle Achak zu. Meine Hand schwang wieder sachte durch die Luft, während ich die Klinge beobachtete. Mir war die angriffsbereite Stellung der beiden aufgefallen, aber ich blieb weitestgehend ruhig. Im Notfall konnte ich weglaufen. Sie waren auch schnell, aber schwach. Das sah man ihnen an. Während ich einigermaßen satt war, schienen sie hungrig zu sein, was sie bestimmt nicht besonders stark sein ließ. Mein Blick glitt nun zu der Frau. Sie schien etwas älter als ich selbst. "Ich will nichts. Wollt ihr etwas von mir?", stellte ich dann als Gegenfrage. Meine Stimme war nun etwas fester, nicht zögerlich. Ich wusste nicht, wie das hier enden würde. Vielleicht trennten sich unsere Wege ja genauso schnell wieder, wie sie sich kennengelernt hatten? Vielleicht sahen wir uns irgendwann wieder, durch Zufall, oder eben nicht. Wenn es nach ihnen gehen würde, würden sie mich wahrscheinlich nie wieder sehen wollen. Warum waren sie eigentlich ein so feindliches Volk? Das Volk der Wachis war sehr freiheitsliebend. Aber die Achaks.. die schienen nicht gerade kontaktfreudig zu sein. Vielleicht gab es dafür einen bestimmten Grund, man wusste ja nie.
Ein Nicken, ein leises Lachen. Keine Ahnung wie genau ich das nun auffassen sollte.. ob er sich über mich lustig machte oder ob das einfach.. freundlich sein sollte. Ich beschloss darauf nicht weiter zu reagieren, um nichts weiter dabei falsch zu machen. Wobei falsch wieder Ansichtssache war. Vielleicht war es auch einfach falsch nicht zu reagieren. Aber irgendwas musste ich ja tun und ich hatte mich für „nichts“ entschieden. Wortwörtlich. Zumindest was diesen einen, kleinen Teil betraf. Mittlerweile waren wir dann doch auch schon ein gutes Stück voran gekommen.. die nächsten Häuser lagen schon lange hinter uns und langsam aber sicher dürfte es logisch sein, dass ich ihn entweder nicht zu meiner Familie führte, oder aber diese gar nicht existierte. Erst einmal allerdings kam sein Name. Zasha. Ein Name den ich noch nie gehört hatte. Aber was machte das schon? Ich fand außergewöhnliche Namen schön. Namen, die nicht jeder zweite trug. Das war langweilig, klang auf Dauer total bescheuert und gab einem irgendwie nichts Individuelles. Das war zumindest meine Meinung der Dinge. Es sollte immerhin auch Menschen – ich sprach nur von Menschen und ganz bewusst nicht von anderen Lebewesen, weil ich.. mich einfach nicht mit ihnen vergleichen wollte – die damit zufrieden waren und außergewöhnliche Namen für schrecklich empfanden. Geschmäcker waren verschieden und das war natürlich auch gut so. Es wäre wirklich schade, wenn es nicht so wäre. Stinklangweilig um genau zu sein. „Pandora..“ entgegnete ich, hätte fast noch das gewohnte ‚Panda‘ hinten angehängt. Aber nein, nein.. er war ein Fremder, er hatte mich wenn überhaupt wohl mit meinem vollen Vornamen anzusprechen. Oder nicht? Doch, das hatte er. Deswegen blieb der gewöhnungsbedürftige Kürzel meines Namens auch erst einmal geheim in meinem Kopf und kam nicht zur Aussprache. Und dann kamen auch schon die nächsten Worte aus seinem Mund, meine Befürchtung wurde wahr. Natürlich wurde sie das, er schien immerhin nicht dumm zu sein. Ganz und gar nicht. Einen Moment verzog ich das Gesicht ein wenig, ehe ich zu meinem.. relativ neutralen, vielleicht etwas starren, Ausdruck zurück fand, ein leises Seufzen allerdings nicht wirklich unterbinden konnte. „Ich sagte doch, sie sind sehr misstrauisch.. du hättest damit rechnen müssen, dass ich dich nicht zu.. – vergiss es.“, mitten im Satz hatte ich beschlossen, dass es gar keinen Sinn machte ihm weiter diese Lüge aufzutischen, weil er mich ohnehin schon durchschaut hatte, da war ich mir sicher. Das verriet sein amüsiertes Grinsen. Keine Ahnung wieso ich es ausgerechnet so deutete, es war einfach so.. ein Gefühl. Gefühle konnten einen zwar täuschen, aber dennoch.. ich beschloss einfach darauf zu vertrauen. Zu spät war es jetzt sowieso. Spätestens jetzt blickte er durch, nach meinem ‚vergiss es‘. Dann war ich selbst Schuld.. „Ich bin vermutlich genauso alleine wie du.“, klärte ich ihn auf, zog meine schmalen Schultern einen Moment in die Höhe, bevor ich ihm einen kurzen Blick zuwarf, etwas später allerdings vorsichtshalber noch ein „Das bedeutet aber nicht, dass ich mich nicht zu verteidigen weiß...“ anhängte. Für den Fall der Fälle.. ich meine, vielleicht brachte es ja was, sollte ihm jetzt doch ein dummer Gedanke kommen. Vermutlich brachte ich ihn gerade noch drauf, man.. heute hatte ich es aber echt nicht mit dem, wie ich mich ausdrückte. Grauenvoll.
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