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Es bestärkte mich in meiner Abwehrhaltung nur noch mehr, dass Elija ebenfalls keine Freude hinsichtlich ihres Verhaltens aufweisen konnte. Das hatte sich die junge Wachi aber auch selbst zuzuschreiben, immerhin hatten wir nicht begonnen unhöflich und provokant zu werden – in meinen Augen erschien es mir als reine Provokation, dass sie unsere Aufmerksamkeit nicht auf normalen Wege auf sich ziehen konnte, wo sie doch zu den Wesen mit den besten Verführungskünsten zählen sollte. Wahrscheinlich war sie es nicht gewohnt einfach so links liegen gelassen zu werden, selbst wenn es sich hierbei nur um wenige Sekunden gehandelt hatte, die nötig waren, um mir ein Bild von der Meinung des jungen Kriegers zu machen. Unter Bild durfte man sich natürlich nichts Wortwörtliches vorstellen, sondern es als Metapher verstehen. Aufmerksam hörte ich auf meine Umgebung, die aber bis auf den Wind weiterhin leise blieb und nur das leise Sausen der Waffe in der Luft unterbrach das Flüstern der Baumkronen. Nichts machte den Anschein, als würden sich noch weitere Verbündete von der Wachi hier aufhalten und nur auf einen unbedachten Moment unsererseits warten. Diesen Gefallen machte ich ihnen mit Sicherheit nicht, dennoch lockerte ich meine Muskeln wieder und richtete mich normal auf, sodass die Angriffslust aus meiner Erscheinung verschwand und nur die Abneigung in meinem kühlen Gesicht übrig blieb. Ich fragte mich gerade, was für einen Eindruck wir auf diese andere Rasse machen mussten, wo wir uns doch von der Außenwelt zurückzogen und so gut wie möglich das Kreuzen der Wege mit anderen Lebewesen mieden. [i]Womöglich verwildert…[i] Für mich ein durchaus möglicher Gedankengang, aber es tat derzeit nichts zu Sache, weshalb ich mich erneut auf die wackelige Unterhaltung einließ, dabei war es lächerlich zu fragen, was wir von ihr wollten.
„Wenn du nichts von uns willst, wieso bist du dann auf uns zugekommen?“ Ihre zweite Frage überging ich vollkommen und hatte auch nicht vor zu antworten, denn es kam alles andere als produktiv rüber, wenn man nach der beherbergten Seele im eigenen Körper verlangte. Vielleicht könnten wir sie damit ja abschrecken, aber ganz glaubte ich ja nicht daran, weshalb ich mich auf die Wachi selbst beschränkte und dabei den Achak neben mir und mich heraus hielt. Elija verhielt sich ruhig, schien keine Anstalten zu machen, weiterhin auf die verführerische Frau einzugehen, was mich doch innerlich Erleichterung verspüren ließ, die den Weg aber nicht nach draußen fand. Normalerweise waren wir stark und reagierten nicht auf jedes herbeigelaufene Futter so auffällig – ich verbat mir außerdem es Verzweiflung zu nennen – aber die Lage spitzte sich mit jeder verronnen Woche zu und langsam, aber sicher war mir egal, welches mein nächstes Opfer sein würde und wenn ich mich dafür extra mit einem kräftigen Kailasa anlegen musste. Eigentlich vollkommene Verschwendung von uns, dass wir sie nicht einfach als Proviant für die Reise nahmen… der Gedanke war aber auch zu verlockend!
Mit schnellen Schritten lief ich durch den Wald. Wie ein Raubtier hatte ich meine ganze Konzentration auf die Umgebung geirichtet, lauschend, schnuppernd, schmeckend. Mit tiefen Atemzügen inhalierte ich den Wald und wich jedem Baum oder Strauch aus, dessen raschelnde Blätter oder dessen leise im Wind knirschende Holz ihn verriet. Viele der Achak brachten es nicht fertig, schnell durch den Wald zu laufen, sie waren sich ihrer Sinne nicht so sicher und trauerten immer noch ihrem Sehsinn hinterher.
Ich verstand es nicht. Wir waren zu so viel mehr in der Lage, die Schärfe unserer Fähigkeiten wog das verlorene Augenlicht um Dutzendfaches auf. Für die meisten Achak war das Gehör die Fähigkeit, der sie am meisten vertrauten, wobei sie ihre Nase kläglich vernachlässigten. Der Geruch verriet einem doch so viel mehr. Nicht nur die Lage seines Herkunftsortes, sondern auch die Art und bei Lebewesen noch einige Informationen mehr. Beinahe alle Achak verabscheuten die Menschen und merkten gar nicht, dass viele von ihnen sich nicht sehr von ihnen unterschieden. Die Tiere waren uns da immer noch vorraus, wie zum Beispiel in ihren Sinnen. Für Raubtiere gab es kaum einen wichtigeren Sinn als den Geruchsinn, gefolgt vom Gehör, dem dann erst das Augenlicht folgte.
Bald drang das sanfte Rauschen und das leise Geplätscher des Flusses an mein Ohr. Ich hatte vergessen, wie nah er am Lager entlang verlief. Sorgsam untersuchte ich die Umgebung, nahm aber außer einpaar kleinen Vögeln in den Bäumen keine Lebewesen war. Und außer den Fischen im Wasser. Leise, um sie nicht aufzuscheuchen, ließ ich mich in das fast knietiefe Wasser gleiten. Für einen Moment mussten sie doch verschwunden sein, doch nach ein paar Minuten, in denen ich reglos geblieben war, spürte ich wieder die Wellen an meinen Beinen, die die hektischen Bewegungen der Fische auslösten. Den Dolch in der Hand verfolgte ich die Berührungen der Wellen und konnte einen recht großen Fisch lokalisieren. Ohne große Anspannung - die sich ebenfalls in Wellen übertragen würde - brachte ich meinen schmalen Dolch über dem Fisch in Stellung und stieß ruckartig zu. Zappelnd und Wassertropfen spritzend wand sich der aufgespießte Fisch an meinem Dolch.
Den würde ich mir aös erstes selber gönnen, auch wenn ich noch einige Fische ins Dorf bringen musste. Aber woher sollte ich den die Energie nehmen, genügend fischen zu können, wenn ich meinen wachsenden Hunger nicht mal mit einem lächerlichen Fisch betäuben konnte? Die letzte richtige Mahlzeit lag lange zurück. Ich würde vorschlagen müssen, wieder einmal ein Festessen in einer Menschensiedlung zu veranstalten, anstatt nur einzelne Menschen zu rauben. Wenn wir denn welche fanden. In letzter Zeit wurden sie immer seltener, und das dauernde Hungern brannte mich von innen aus. Ich konnte damit nicht umgehen.
In einer geschmeidigen Bewegung zog ich mich auf einen Felsen am Rand des Flussbettes und befühlte den gefangenen Fisch. Immer noch zappelte er und verursachte klatschende Laute, jedes Mal wenn er an den Dolch kam. Mir schlug sein Geruch entgegen, der neben dem fischigen auch den Duft enthielt, der jedem lebendigen Tier anhaftete, und der Geruch nach Blut. Mit einem Ruck zog ich das Messer aus dem Fisch heraus und begann ihn auszunehmen, wobei ich eine unbändige Zufriegenheit spürte, je länger ich ihn dabei am Leben ließ. Allmählich ließ auch sein Gezappel nach, bis sich hinterher nur noch die Kiemen schwach bewegten. Mit Genugtuung legte ich ihn neben mir auf den Felsen und schnitt ihm mit einem Dolchhieb endgültig den Kopf an. Wenn ich meinen Hunger schon nicht an einer Menschenseele sättigen konnte, wollte ich ihn wenigstens damit besänftigen, zu spüren, wie ein Tier der letzte Lebenshauch verließ.
Aus Holz, das ich schnell am Waldrand fand, machte ich ein kleines Feuer und hielt den auf einen Stock gesteckten Fisch in die knisternden rauchenden Flammen. Der Rauchgeruch mischte sich mit dem des Holzes und dem des Fisches und dem des Flusses und des Waldes. Schnell war der Fisch gebraten und ich füllte meinen Mund mit dem nicht sehr sättigenden, aber wohlschmeckenden Geschmack.
Noch immer hielt ich mich aus dem Gespräch raus, lockerte aber ebenfalls meine Haltung wieder. Es musste wie ein eingespieltes Team wirken, wie Ying und Yang. Sie bewegte sich, ich bewegte mich und umgekehrt. Stumme Blicke der Verständigung und absoluter Einklang – irgendwie war mir das zuvor noch nie bewusst gewesen und jetzt gerade fand ich diesen Gedankengang faszinierend. Es war ja schließlich nicht so, als wären Nerea und ich ständig zusammen unterwegs und würden hunderte von Leuten treffen und so miteinander kommunizieren, aber irgendwie klappte es trotzdem. Absolut ungeplant und doch durch unseren engen Zusammenhang des Stammes möglich. Ich wusste nicht genau, wie es auf die Wachi wirkte und so langsam störte mich der Gedanke daran, dass wir uns gegenseitig nur mit unserer Spezies identifizierten. Wir alle hatten einen individuellen Namen. Wir Achak jedenfalls und ich ging einfach mal davon aus, dass es bei den Wachi und den Kailasa, ebenso bei den Menschen, nicht anders war. Ich hätte womöglich auch gefragt, wie die Wachi vor mir denn hieß, aber ich wagte es nicht. Es wäre absolut unpassend Nerea gegenüber, da sie dieses Gespräch führte, ich selbst bildete eher.. den Schmuck, der im Notfall verteidigen kann. Einen Untertan eben und genau wie ein solcher fühlte ich mich gerade auch, aber das war schon in Ordnung. Ich hatte nie einen höheren Stellenwert annehmen wollen, alles war einfacher, wenn man still Befehlen folgte und ich hatte mich auch daran gewöhnt. Dennoch räusperte ich mich leicht, weil all die unausgesprochenen Worte – ja, es waren eigentlich maximal fünf oder so – mir im Hals stecken blieben und ich das Gefühl hatte husten zu müssen, sollte ich mich nicht räuspern. Es war ein leises Geräusch, sehr kurz und sicherlich nicht störend für das weitere Gespräch. Ich fand, dass Nerea das gut anging. Sie wich der Frage dieser Wachi geschickt aus und bekam dennoch – wenn die junge Frau denn darauf einging – schnell weitere Informationen, die uns weiterhelfen würden. Und ich schätzte die Wachi durchaus so ein, dass sie antworten würde, immerhin war sie bisher ja auch relativ offen gewesen. Mein Blick wurde etwas weicher, lockerer. Die Wirkung von uns Achak wurde generell schon als sehr extrem beschrieben, rein von unserem äußeren Erscheinungsbild her und ich wollte sie nicht verängstigen. Irgendwie faszinierte sie mich ja und das nicht nur wegen der übermenschlichen Ausstrahlung und betörenden Stimme. Nicht oft traf man einfach so auf eine andere Spezies und hatte auch noch die Möglichkeit sich zu unterhalten.
Pandora hieß sie also. "Schöner Name. Hab ich noch nie gehört, aber er gefällt mir." meinte ich dann auch schon ohne weiter darüber nachzudenken, was ich hier überhaupt von mir gab. Und das Komische daran war ja, dass ich mich gerade selbst dabei ertappt hatte, dass das Gesagte weder als Zweck für meine Spielchen aus meinem Mund gekommen war, noch dass es irgendwie eine Lüge war. War um genau zu sein die reinste Wahrheit gewesen und ich konnte gerade selbst nicht einmal so genau sagen, warum ich sie nicht direkt anging. Immerhin hatte ich Hunger und sie war wie eine warme, duftende Mahlzeit, die man mir vor der Nase herumschwenkte. Also warum nicht gleich zupacken und ihr das Leben aushauchen? War doch gar nicht mal so schwer eigentlich. Ein bisschen quälen und ihr vielleicht die Luft abschnüren.. und ihr würde niemand zur Hilfe kommen. Sie würde nicht einmal versuchen brauchen wegzulaufen. Vor allem war doch dann auch noch die Frage, ob sie das überhaupt mit einigen Schmerzen schaffen würde. Ich vertrieb die Gedanken kurzerhand wieder, indem ich tief durchatmete, schaute sie dann auch schon wieder an, weil sie doch tatsächlich versuchte mir weiszumachen, dass ich doch ja nicht glauben sollte, dass sie mich zu ihrer Familie führen würde. Allerdings war sie wohl schlau genug um zu wissen, dass ich längst erraten hatte, dass ihre 'Familie' nur eine Illusion ihrer Lügerei war und keineswegs existierte. Zumindest nicht hier. Oder aber ihre Familie war schon tot. So wie meine. Beide von solchen Bestien wie.. Zasha! Hmpff. Dieser Gedankengang gerade brachte mir doch ziemlich schnell die schlechte Laune zurück. Ich stieß die Luft geräuschvoll aus, kniff für einen Moment meine Augen zusammen und ermahnte mich zur Ruhe. Vergiss es. Und siehe da, da hatte ich schon den Beweis, dass sie geflunkert hatte. Wobei mich ihre nächsten Worte doch etwas stutzen ließen. Vermutlich. Da lag sie aber falsch mit ihrer Vermutung. Denn eigentlich war ich nicht alleine. Normalerweise waren die Kailasa beieinander, hielten sich gemeinsam irgendwo auf. Klar ging jeder von uns auch seines eigenen Weges, aber wir standen zueinander. Machten die anderen Spezies und die Menschen ja auch. Meistens zumindest. Denn wenn ein Jammerlappen von Mensch sah, wie ein anderer Mensch von uns gequält wurde, nahmen die ein oder anderen menschlichen Feiglinge schonmal die Beine in die Hände, anstatt dem Artgenossen zu helfen. Naja, was ja letztendlich auch Selbstmord wäre, aber manche hielten davon anscheinend nichts, einem anderen zu helfen. Davon hielt ich persönlich eigentlich auch rein gar nichts. Außer natürlich bei meinen Genossen. Aber wem anders und wen ich nicht leiden konnte.. die konnten lange auf meine Hilfe warten. Da schaute ich lieber zu, wie sie litten. "Vermutlich..." stimmte ich ihr mit einem leichten Blick zur Seite und zu ihr zu, während wir weiterhin nebeneinanderher liefen. Über die Straße. Bis sie mit ihren nächsten Worten doch einen Schalter in mir umlegte, der mich ein raues Lachen ausstoßen ließ. Und dann funkelten meine Augen vor Lust, ihr Schmerz und Leid zuzufügen. Mit einem rauen, leicht knurrenden 'Sicher?' machte ich einen Schritt auf sie zu, packte grob ihre Handgelenke und zog sie an mich, schob sie dann allerdings rückwärts gegen einen hohen Maschendrahtzaun an der linken Straßenseite. "Nur zu. Wehr' dich." brummte ich und grinste sie hämisch an, schaute ihr in die vor Schreck aufgerissenen blauen Augen, bevor ich ihre Handgelenke fest gegen den Zaun drückte und sie mit meinem Körper so mit ihrem Rücken dagegen drängte, dass der Zaun ihr sichtlich weh tat. Und mein Hunger wurde gestillt.. ihr Schmerz nährte mich, ihr Leid gab mir meine Kraft langsam aber sicher zurück..
Schöner Name. Habe ich noch nie gehört, aber er gefällt mir. , drangen seine Worte an mein Ohr, ließen mich aufsehen, den Kopf wieder leicht in seine Richtung drehen. Ein zaghaftes, kaum sichtbares Lächeln umspielte für einen Moment meine Lippen, bevor es wieder verschwunden war. „Dankesehr...“, gab ich mit ruhiger, leiser Stimme zur Antwort darauf, bevor ich mich wieder auf meinen Weg konzentrierte. Wie gesagt; fliegen wollte ich gewiss nicht. Nicht jetzt, nicht später, nicht irgendwann. Vor allem aber nicht in seiner Anwesenheit. Wer würde das schon auch wollen? Und wenn ich es doch verhindern konnte, indem ich ganz einfach meinen Blick nach vorne auf die Straße richtete, dann sollte ich das wohl auch tun. Ich wäre zumindest dumm, wenn ich es nicht tun würde. Weder ich hätte etwas davon auf dem Boden zu landen noch er.. Das glaube ich zumindest, dass es nicht so war ahnte ich in diesem Moment keinesfalls.. überhaupt gar nicht. Wie sollte ich auch? Gerade als ich anfing ein wenig aufzutauen sollten solche Gedanken auftauchen? Gewiss nicht. Ich war auch nur ein Mensch, durch falsche Spiele zu beeindrucken, naiv wie alle waren, auch wenn man immer von sich behauptete, dass man es nicht war. Jeder ließ sich belügen, wenn der Gegenüber wusste, wie er es anzustellen hatte. Auch ich. Auch jedes andere Wesen, wenn man es genau nahm.
Erst auf sein ‚Vermutlich‘ konzentrierte ich mich wieder auf Zasha, wandte ihm dieses Mal aber nicht den Blick zu, weil ich mir dumm dabei vor kam ihn ständig von der Seite hinauf anzusehen. Er war groß, mir blieb keine andere Wahl als den Kopf in die Höhe zu recken, wenn ich ihm ins Gesicht sehen wollte. Es war nicht so, dass es mich störte oder ich der Meinung war Männer sollten klein sein – um Gottes willen nicht –, aber es kam mir vor, als würde ich ihn anhimmeln, wenn ich ständig zu ihm blickte, den Kopf halb in den Nacken legte um in sein Gesicht sehen zu können. Wer war ich denn, dass ich das tat und nichts dagegen tun konnte? Das konnte ich, das bewies ich mir gerade ja selbst, sonst hätte ich ihn schon wieder angesehen. Etwas, das mir vielleicht einen kleinen Vorteil verschafft hätte. Nur dieses eine Mal hätte ich es wohl tun sollen. Hatte ich aber nicht, denn als sein raues, beinahe schon verächtliches Lachen an mein Ohr drang, das klitzekleine Wort hinterher, war es im Endeffekt schon zu spät.
Noch während mir die dunkle Stimme und deren plötzlicher Umschwung einen Schauer über den Rücken hinunter jagte, packte Zasha meine Handgelenke mit festem, groben Griff, zog mich an sich und blickte mir mit vorfreudig funkelnden, grünen Augen entgegen. Entgegen in meine vor Schrecken und Perplexität weit aufgerissenen, blauen Augen die deutlich zeigten wie es mir in der Situation gerade erging. Ich war wirklich erschrocken, ich hatte keineswegs mit einer solchen Reaktion gerechnet. Nicht damit gerechnet, dass er mich angreifen würde, gerade wo ich doch langsam aber sicher der Meinung war, er könne vielleicht doch eine halbwegs nette Begleitung und Ablenkung darstellen. Menschen waren Naiv.. ich war das beste Beispiel dafür, wie es schien. Ich hätte ihn loswerden sollen, irgendwie. Jetzt drang nur ein erschrockener Laut aus meiner Kehle, der beinahe schon lächerlich klang, weil ein dicker Klos sich in meinem Hals gebildet hatte. Innerhalb von Sekundenschnelle, nur wenige Augenblicke nachdem er mich gepackt und an sich gezogen hatte. Auf die Idee er könne einer der verhassten Kailasa sein kam ich in dem Moment dennoch noch nicht. Wieso? Weil es immerhin auch grausame Menschen gab.. weil ich einfach nicht damit gerechnet hatte, rechnete, dass mich einer angriff. Konnte man so viel Pech haben? Der eigene Bruder wurde von einem getötet und jetzt sollte es bei mir das selbe Spielchen werden? Nein. Noch ging ich wirklich nicht davon aus. Zwangsweise wurde ich in Richtung der linken Seite von uns auf der Straße geschoben, spürte schon bald den kalten, dünnen Draht des Maschendrahtzaunes in meinem Rücken.. der Griff von Zasha lockerte sich nicht. Absolut gar nicht.. er wurde eher noch fester, während er mich unentwegt weiterhin anblickte, beinahe schon Spaß dabei zu empfinden schien wie hilflos ich das Gesicht vor dem erschreckend beißenden Schmerz verzog, als er mich fester gegen den Zaun drückte, deren schmaler Draht sich vor allem in meine Schultern, Handgelenke und Hände sich grub, weil er darauf auf Grund seines Griffes doch am meisten Druck ausübte.
Nur zu, wehr dich.. Ich öffnete den Mund, schloss ihn sogleich aber wieder.. aus Angst es könnten nicht Worte, sondern nur ein jämmerliches Krächzen oder ein weiterer, schmerzerfüllter Laut über meine Lippen kommen, was ich ihm neben dem schweren, schnellem Atem, dem rasenden Herzen und dem Ausdruck in meinen Augen nicht auch noch gönnen wollte.. Das ich mich mit aller Kraft versuchte gegen ihn aufzulehnen schien kaum bemerkt zu werden... zumindest kam es mir so vor.
Was.. veranlasste ihn dazu? Was brachte ihn dazu das plötzlich zu tun? Mochte sein, dass ich auf dem Schlauch stand, was aber wohl daran lag, dass mein Körper gerade von Adrenalin durchflutet wurde, mein Hirn zwar arbeitete, aber nicht sonderlich gründlich oder tiefgreifend.. es suchte nur nach einem schnellen Ausweg aus der Situation. „Sag mir... was du willst und... lass mich los..“, forderte ich mit etwas abgehakter Stimme, die von leisem Keuchen, schweren Atemzügen meinerseits unterbrochen wurde. Essen? Trinken? Was auch immer, sollte er sich das wenige was ich hatte eben krallen.. ich würde schon was anderes finden.. insofern meine Hände mir nicht gleich abfielen, ich noch aufrecht stehen konnte, falls er mich irgendwann los lassen wollte. Der Schmerz nahm nicht ab, er wurde immer intensiver.. normalerweise wartete man doch darauf, dass die Glieder taub wurden, der Körper sich daran gewöhnte – von wegen, ich war wohl zu ungeduldig.. zu wenig gewohnt. Ich war eigentlich meist ganz gut davon gekommen. Natürlich trug ich meine Geschichten, meine Narben mit mir.. aber der Schmerz der von meinen Handgelenken, meinen Schulterblättern, meinem Rücken – meiner gesamten Rückseite im Endeffekt – ausging, gewann von Sekunde an Sekunde an Intensität.. seine unmittelbare Nähe, sein Körper gegen meinen gedrückt, machte dies in dem Moment gewiss kein Stück besser.
Ihr 'Dankesehr' war leise, aber dennoch hörte ich es und für einen Moment drehte ich meinen Kopf in ihre Richtung, lächelte sie leicht an und nickte. Mich wunderte es, dass sie noch keinen Verdacht geschöpft hatte, wer ich war. Manch andere Menschen vermuteten es schon gleich von Anfang an, dass sie mit mir einen Kailasa vor sich Zehen hatten. Aber Pandora schien sich vorerst noch in Sicherheit zu wiegen. Vorerst. Ihre Chance von mir wegzukommen sank allerdings von Minute zu Minute, und das immer schneller. Tja, bis ihre Worte letztendlich doch mein Verlangen bestärkten und ich die junge Frau an den Handgelenken gepackt hatte. Dass meine Stimme geradezu verächtlich klang, konnte und wollte ich auch nicht verhindern. War eben so, gehörte zu mir. Zu dem, was ich war. Als ich sie gegen den Maschendrahtzaun drückte, gab sie einen erschrockenen Laut von sich, schaute mich erschrocken und perplex an. Oh, sie war wirklich naiv gewesen zu glauben, dass sie in Sicherheit war. Wer ließ einen Menschen denn schon alleine und ohne jeglichen Schutz davonlaufen? Vor allem wenn man Hunger hatte so wie ich. Letztendlich hätte ich mich ja auch auf die Suche nach einem Achak oder einer Wachi machen können, aber warum der Aufwand, wenn ich genauso gut einen Menschen quälen konnte? Und die waren doch noch wesentlich leichtere Beute.. Ich drückte Pandora immer mehr und immer fester gegen den Zaun und ich konnte ihr den Schmerz, der sie von den Drähten aus durchzuckte, geradezu wirklich von den vor Schreck geweiteten Augen ablesen. Dieser Anblick von ihrem Leid machte mich wirklich wahnsinnig, brachte mich in Rage und ließ neu gewonnene Energie durch meinen Körper rauschen. Ja, es war wie ein Rausch ihr wehzutun. Aber sie schien noch immer nicht kapiert zu haben, mit wem sie es zu tun hatte. Oder aber sie wollte es gar nicht wahrhaben. Ihr Atem ging schwer und schnell und alle Versuche sich zu wehren nutzten nichts. Ich ließ nicht locker, drückte ihre Handgelenke eher noch fester gegen den Zaun, nährte mich von ihrem Schmerz der dadurch entstand. Ich spürte wie neue Energie, neue Kraft durch meine Adern und durch meinen gesamten Körper schoss, wie mein Hunger gestillt wurde und wie ich zu neuer Stärke gelangte. Mein Blick lag immer noch auf ihren blauen Augen, mein Grinsen war verächtlich und hungrig. Hungrig nach mehr Schmerz, nach mehr Leid. Als sie ihre Stimme erhob, mich dazu aufforderte sie loszulassen und wissen wollte, was ich will, nur um ihre Worte ziemlich abgehackt und von einem schmerzerfüllten Keuchen in der Luft zwischen uns stehen zu lassen, kniff ich ein wenig meine Augen zusammen. War das ihr ernst? Wollte sie mir tatsächlich sagen, dass sie keine Ahnung davon hatte, was hier gerade passierte? "Das weißt du nicht, Pandora?" fragte ich mit leiser, verächtlicher und gleichermaßen drohender Stimme, während ich sie noch ein wenig fester gegen den Zaun drückte. "Dann will ich es dir sagen.." flüsterte ich und beugte mich etwas zu ihr vor, bis meine Lippen leicht ihr Ohr streiften. "Ich will sehen wie du leidest, ich will deinen Schmerz haben und ich will sehen wie du dabei zugrunde gehst, liebe Pandora.." hauchte ich ihr ins Ohr, lachte leise und schaute sie dann wieder gierig an.
Ehrlich gesagt befürchtete ich gerade wirklich, dass mein letztes Stündlein geschlagen hatte und wenn ich ganz ehrlich war, kam ich anfänglich wirklich nicht einmal auf die Idee und damit auch den Gedanken, dass er kein Mensch war, sein könnte. Wie gesagt; wieso sollte mich tatsächlich das selbe Schicksal ereilen wie meinen geliebten, verstorbenen - nein ermordeten! - Bruder? Wieso sollte ausgerechnet auch mir so etwas grausames und beschissenes passieren? Das wäre irgendwie echt.. Schicksal? Nein, ich glaubte nicht an Schicksal.. Wie sollte man in der heutigen Zeit auch an so etwas glauben können? Das war absurd. Ich war zwar in gewisser Weise eine Träumerin - ja ich träumte auch von einer besseren Welt -, aber im Endeffekt wusste ich ebenso wie jeder Andere, dass das eben auch nur ein dämlicher, belangloser Traum war der keinerlei Bedeutung hatte und erst recht niemals eintreten können würde. Wie denn auch? Von einem Tag auf den Anderen? Mit einem lauten Knall, einer Explosion, viel Glitzer, Regenbögen, Engelsmusik und so einen Scheiß? Ja sicher. Vielleicht wollte ich die Situation auch einfach nicht wahr haben und realisieren, vielleicht wusste ich sehr wohl was er war und was mir blühte.. Nämlich unsagbare Schmerzen, Schmerzen die ihn stäker und stäkwr werden ließen, während ich selbst schwächer und schwächer wurde.. Wie unfair das doch war, wenn man so darüber nachdachte.. Zumindest konnte ich nichts, was auch nur ansatzweise fair daran sein könnte, erkennen.. Ich hatte ihm immerhin nichts getan, ich war ihm mehr als unterlegen und hätte nicht einmal eine Chance mich so zu wehren, dass ich vielleicht in irgendeiner Art und Weise überleben könnte, wollte er mich wirklich bis zum Tode treiben. Tun könnte er es wohl, wenn er darauf aus war. Was sollte ich in meiner Situation auch unternehmen können? Mir blieb ja kaum etwas anderes übrig als meinem Tode entgegen zu sehen, ihn zu.. Akzeptieren. Aber ich wäre wohl nicht ich selbst, nahm ich so etwas einfach hin und wenn doch, dann nur wenn ich davor dagegen angekämpft hatte. Noch bevor ich meine wörtliche Antwort und Reaktion auf meine abgehakten Worte erhielt ließ mir sein Blick das Blut in den Adern gefrieren, als ich tatsächlich realisierte wer - oder eher was - sich da vor mir, so dicht bei mir befand und seine Worte bestätigten mir das nur nocheinmal mehr.. Das war wie ein Schlag ins Gesicht, ein Schlag in den Magen.. Mir wurde schlecht, auf meinem gesamten Körper breitete sich eine Gänsehaut aus und ein unbändiges, riesiges Gefühl der...Enttäuschung. Über mich, die Welt.. Einfach alles. Ich war wütend, ärgerte mich darüber, dass ich es nicht geähnt und gleich gesehen hatte, wo ich doch hatte mit ansehen müssen wie diese Wesen waren. Wie hatte ich auch nur ansatzweise glauben können das er normal war? Dass er nicht.. Von Natur aus einfach böse war, ein.. Wesen der Hölle. Gewissenlos. Genau so sah er mich auch an.. Als würd eihm das hier tatsächlich Spaß machen, ja genau so wirkte es gerade. Nein, so war es. Ganz offensichtlich war es so.. Wieso sollte es auch anfers sein? Aber wie gesagt; dieses Wissen wer er war oder was er war und seine drogenden, rauen Worte.. Die Tatsache, dass er mir gerade gesagt hatte er würde mich leiden lassen, sich davon nähren, bevor ich irgendwann daran verendete.. Die rüttelten mich wach. Wieso nicht alles mir mögliche versuchen, wenn er sein Urteil über mein Leben und meinen Tod entscheiden zu können ohnehin schom gefällt hatte? Der Druck den er weitergegen mich, meinen Körper verstärkte ließ mich zu aller erst aber doch nochmal vor Schmerzen aufkeuchen und das Gesicht verziehen. Ich gab mir wirklich aller größte Mühe diese Schmerzen zu unterdrücken und sie mir nicht anmerken zu lassen, aber das schien unmöglich.. Der Schmerz zog sich lähmend langsam und wie Feuer durch meinen Körper. Ich biss die Zähne zusammen, wenn das so weiter ging, schnitt mich der Draht irgendwann in Hundert Einzelteile.. Mehr noch, Tausend. Kein schönner Tod, eine totale Sauerrei. "Ich hätte es.. Wissen müssen", brachte ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor, versuchte seinem höhnischen, beinahe herablassenden, Blick stand zu halten.. Funktionierte in dem Moment auch noch ganz gut, weil in mir gerade doch irgendwo auch eine Trotzreaktion hinsuf beschworen worden war.. "Wieso sollte es auch noch ehrliche Menschen geben. Jemanden der nicht darauf aus ist anderen Leid zuzufügen und über Leben und Tod zu entscheiden als wäre er.. Gott." Meine Stimme war leise, wohl dennoch hörbar, ich gab mir zumindest Mühe, aber zu mehr war ich gerade dennoch nicht in der Lage. Fertig war ich trotzdem noch nicht.. Wenn ich mich schon nicht mit körperlicher Kraft wehren konnte, wollte ich wenigstens versuchen und sehen ob nicht doch noch ein Funken Menschlichkeit in ihm schlummerte.. Er war vielleicht kein Mensch und irgendwie bezweifelte ich es, aber kampflos aufgeben und das einfach über mich ergehen lassen war einfach nicht. "Ihr seid alle gleich. Feige.. und sucht euch jemanden der sich nicht wehren kann.. Wieso? Weil ihr Angst habt ihr könntet verlieren? Hast du jemanden genommen der.. Einen Kopf kleiner ist und ungefährlich scheint um es einfach zu haben? Sich ohne Gefahr nehmen zu können was du haben willst, während Derjenige.. Während du darüber entscheidest wer Leben darf, obwohl dazu keinerlei Recht besitzt..." mehr war gerade nicht möglich.. Nur noch ein letztes.. Sträuben entlockten mir noch wenige, aber wirklich ehrliche, keuchende Worte: "Ich frage mich wie deine.. Eltern, Mutter.." mir blieb die Luft aus, ich bekam nicht einmal mehr den Satz zu Ende den ich hatte sagen wollen.. Seine Mutter konnte ja keine Kailasa sein.. Ob sie überhaupt wusste was für ein Monster er war? Ob er ihr nicht letzten Endes um zu überleben selbst das aleben ausgehaucht hatte? Ob sie ihn hätte.. Leben lassen, wenn sie gewusst hätte oder gewusst hatte, was er war und werden würde? Mittlerweile rollte doch die eine oder andere Träne über die Wange. Vor allem vor Schmerz aber sicher auch auf Grund dessen, dass ich mich selbst dafür hassen könnte wie das hier gelaufen war.. Lief.
Hatte sie es einfach nicht wahrhaben wollen, was ich war? War sie so naiv zu glauben, dass ich einfach weiterhin neben ihr hergelaufen wäre und nur ihre Gesellschaft haben wollte? Ja, und ob sie es hätte wissen müssen. Natürlich waren die Menschen zu manipulieren, waren zu gutgläubig. Zumindest teilweise.. gab ja auch die, die gleich auf einen losgingen und zum Schluss hatte man vielleicht noch eine ganze Horde am Hals. Aber Pandora war einfach viel zu leichtgläubig gewesen. Konnte ich ja letztendlich auch nichts dafür, dass sie sich so einfach hatte einreden lassen, dass ich auch nur auf ihre Gesellschaft aus war und ‚einsam‘ gewesen war. Die junge Frau versuchte tatsächlich sich die Schmerzen nicht anmerken zu lassen, die Anstrengung war ihr regelrecht in ihre feinen Gesichtszüge geschrieben. Aber diese Versuche waren wohl oder übel erfolglos, denn die Brünette verzog ihr Gesicht, keuchte vor Schmerz auf. Und ich, ich fand gerade immer mehr Gefallen daran, ihr weiterhin Leid und Schmerz zuzufügen. Mein Körper fühlte sich gleich wieder ausgeruhter, frischer und wesentlich entspannter an, als er es noch vor einigen Stunden war, wo ich auf dem Dach der alten Industriehalle gesessen war. Meine Laune schoss regelrecht in die Höhe und selbst ihr gequälter Blick, der mich auffordern zu wollen schien, dass ich doch aufhören sollte, brachte mir eine gewisse Genugtuung. Ich meine- warum sollte ich aufhören, wenn es mir Spaß machte? Wenn es meinen Hunger stillte und wenn es mir einfach danach verlangte? Manch andere verbrachten ihre Zeit vielleicht mit einem Pokerspiel und hatten dabei ihren Spaß- für mich war das Pokerspiel eben das Spiel mit dem Leben Anderer. Ganz einfach zu verstehen, oder etwa nicht? Das war meine Natur. Es war meine Natur, andere Lebewesen leiden zu lassen. Wäre dies eine normale Welt, dann gäbe es uns Kailasa wahrscheinlich schon gar nicht mehr. Genauso wenig wie die anderen drei Spezies. Jeder tötet auf eine andere Weise und schien sie vielleicht noch so schrecklich zu sein- es lag einfach in unserer Natur, schließlich mussten wir ja auch irgendwie überleben. Getötet und getötet werden. Gefressen und gefressen werden. War eben wie bei den Tieren. Da fragte der Fuchs ja auch nicht erst die Maus, ob er sie töten und verspeisen durfte. Fair war es nicht. Nein. Bestritt ich auch erst gar nicht. Aber wer wollte schon verhungern? Ich auf jeden Fall nicht und dafür mussten eben einige leiden. So war das nun einmal. Wobei es doch wirklich Spaß machte, Kontrolle über jemanden zu haben und ihn Auge in Auge mit dem Tod gegenüber stehen zu lassen. Aber Pandora schien dem Tod nicht entgegenblicken zu wollen, denn obwohl ihre Stimme wirklich abgehackt und dem Versagen nahe war, versuchte sie jetzt wohl mich mit ihrer Überredungskunst dazu zu bringen, von ihr abzulassen. Konnte sie vergessen.. wirklich. Warum sollte ich auch bitte aufhören, wenn es wie schon gesagt Spaß machte? Gott.. Gott? Nein, Gott war ich nicht. Würde ich niemals sein und wollte ich auch nicht sein- und wenn er die Menschen so sehr liebte, warum hetzte er uns dann auf die Menschheit? Pech gehabt, würde ich sagen. Ich gab ein amüsiertes, raues Lachen von mir, schaute ihr in die blauen Augen und sog jeden Schmerzimpuls von ihr wortwörtlich in mich auf. Allerdings wich das Gefühl von.. Bespaßung doch erstmal wieder dem Gefühl von Wut, Hass. Feige? Ich war nicht feige. Es hätte auch jeden anderen treffen können. Nicht nur sie. Sie war mir nur mehr oder weniger in die Arme gelaufen und warum hätte ich meine Chance auf einen gestillten Hunger nicht nutzen sollen? Ja, sie war eine leichte Beute gewesen. Aber warum hätte ich mich auch mitten ins Getümmel stürzen sollen, wenn ich meinen Hunger durch sie doch genauso gut beruhigen konnte. Wenn sie mich jetzt provozieren wollte, dann würde ich sie ganz sicher noch sehr viel mehr leiden lassen, als ich es doch eigentlich vorgehabt hatte. Sie würde Schmerzen erleiden müssen, die sie noch nie im Leben verspürt hatte. Das konnte ich ihr aber zu hundert Prozent versprechen. Ich kniff die Augen zusammen, starrte sie mit einem leisen Schnauben an und schloss meine Hände noch etwas mehr um ihre zarten Handgelenke, verfestigte meinen Griff. Kein Mensch, aber auch wirklich kein einziger Mensch hatte mir jemals sowas entgegengeworfen, als ich sie leiden gelassen hatte. Wirklich kein einziger. Nur sie. Und sie trieb es immer weiter. Anscheinend wollte sie wirklich noch mehr Schmerz und Leid verspüren. Alle anderen hatten immer nur um Gnade gewinselt, hatten mir alles versprechen wollen, wenn ich sie denn nur am Leben lassen würde. DAS war feige. Die junge Frau schien wenigstens um ihr Leben kämpfen zu wollen, auch wenn sie mich gerade wirklich mehr als nur ein bisschen auf die Palme brachte. Und erst noch ihre letzten, herausgepressten Worte. Die waren echt.. das Letzte. Ohja, jetzt war ich wirklich sauer. Miese kleine Göre.. Sie sollte ja meine Mutter aus dem Spiel lassen. Das ging sie gar nichts an. Rein gar nichts. Mit einem drohenden Brummen nahm ich ihre beiden Handgelenke in eine Hand, drückte sie über ihrem Kopf gegen den Maschendrahtzaun, wodurch ich jetzt meine zweite Hand ja logischerweise frei hatte. Und genau die legte ich ihr nun an den Hals, erst sanft, bevor ich mit dem Daumen über die Stelle ihrer weichen Haut strich, worunter man ihre Luftröhre spüren konnte. „Oh, ich glaube du hast keine Ahnung davon, was wahre Schmerzen sind. An deiner Stelle würde ich das Thema lassen, wenn du einen.. mehr oder weniger schönen Tod bevorzugst..“ knurrte ich mit tiefer, rauer Stimme und drückte zu.. Ich drückte auf ihre Luftröhre, schnürte ihr die Luftzufuhr ab und hörte sie röcheln, nach Luft schnappen. Sie zappelte und versuchte sich aus meinem Griff zu befreien, aber ich ließ nicht locker. Erst nach einigen Sekunden lockerte ich meinen Griff wieder etwas, ließ meine Hand aber immer noch an ihrem Hals liegen. „Und oh doch, ich besitze das Recht darüber entscheiden zu dürfen, wer sterben muss und wer nicht. Irgendwie muss ich doch überleben, verstehst du?“ fügte ich dann noch hinzu, schaute ihr in die geweiteten, tränenüberströmten Augen. „Nicht weinen, Pandora..“
Über die Frage der Weißhaarigen musste ich ein wenig schmunzeln. "Es ist das erste Mal, dass ich jemanden eurer Spezies treffe.", war meine folgende Antwort, und es stimmte auch. Die Achak waren schwer zu finden. Man wusste nicht, wo sie sich versteckt hielten und auch sonst hatte man nicht gerade viel über sie in Erfahrung gebracht. Wie denn auch? Ob die beiden in ihrem Leben schon jemanden meiner Art getroffen hatte, wusste ich nicht. Es konnte gut möglich sein. Wer weiß wie alt sie in Wahrheit waren, denn sie konnten durchaus älter sein, als sie schienen. Genauso wie die anderen Arten. Nur die Menschen alterten schnell. Ich persönlich find es schön, nicht so schnell zu altern und immer recht jung auszusehen. Es hatte eben seine Vorteile. Manche könnten nämlich denken, man sei jung und unerfahren, aber es kann auch genau das Gegenteil der Fall sein, nämlich dass man nur jung aussieht und schon viele Erfahrungen hatte. Naja, ich find es durchaus nicht schlecht so zu sein. Mein Blick war wieder abwechselnd den beiden vor mir gewidmet. Ihre Haltung wurde durchaus entspannter. Es war nur eine kleine Bewegung, kaum zu erkennen, aber ich nahm sie wahr. Sogar in den Gesichtszügen konnte man dies ablesen, wenn man denn genau hinschaut. Oh ja, manche waren wie blind. Sie hatten zwar Seekraft, achteten aber nicht wirklich auf die Mimiken und Gesten anderer und übersahen so viele Hinweise auf die momentane Situation oder Stimmung des Gegenübers. Die beiden jedoch schienen sich wirklich zu verstehen. Irgendwie nahmen sie die kleinsten Bewegungen war; und das auch ohne Augen. Ich konnte mir nicht vorstellen, wie das richtig gehen sollte. Wahrscheinlich wäre ich ohne meine Augen aufgeschmissen. Vielleicht lernen die Achak mit der Zeit, auf kleinste Zeichen anzuspringen und sie zu deuten. Meine Haltung wurde also auch ein wenig entspannter. Ein kalter Wind kam mir entgegen, weswegen ich automatisch meine Hände um meinen Körper schloss und meinen Cardigan enger um den Bauch zog. Hoffentlich regnet es nicht, bis ich die Stadt erreicht habe., kam mir in den Sinn, während mein Blick kurz empor dem Himmel galt. Einige graue Wolken zierten den vorher hellen, blauen Himmel. Ich betrachtete kurz danach wieder den Mann, der um einiges näher stand als die andere. Eigentlich waren die Wesen recht schön. Ihr Haar war so anders.. ich mochte es. Je länger ich sie betrachtete, umso mehr wollte ich über sie erfahren und umso mehr faszinierten sie mich. Wo sie wohl leben? Wahrscheinlich würde ich dies nie erfahren. Aber vielleicht kamen sie aus dem Wald.. mein Blick galt dem Waldteil, aus dem die beiden gekommen zu sein schienen. Wohlmöglich war es doch nicht ganz so weit weg, wie ich immer glaubte.
Meine Worte schienen nicht den Anklang zu finden den ich gehofft hatte. Ich schien ihm kein schlechtes Gewissen einreden zu können. Zumindest reagierte er nicht so, wie ich es mir bestenfalls vorgestellt hatte. Nein, zu aller erst einmal schien er einfach amüsiert über das was ich sagte. Er schien amüsiert darüber zu sein was ich hier versuchte.. wie ich jämmerlich versuchte einen Ausweg aus dieser Situation zu erlangen ohne mich dabei noch lächerlicher zu machen als ich es mit meiner strohdummen Naivität wohl ohnehin schon getan hatte. Das verriet mir einerseits sein raues, verächtliches Lachen und andererseits seine amüsiert funkelnden, grünen Augen. Augen, die eigentlich.. faszinierend und schön waren. Augen, die man sicherlich als freundlich hätte bezeichnen können. Schöne Augen, die zu einem attraktiven, jungen Mann gehörten. Solange man nicht wusste was er war und was er wollte, von was er lebte. Von den Schmerzen und dem Leid anderer. Ich wusste durchaus über die Kailasa Bescheid. Ich hatte mich die ersten Wochen nach dem Tod meines Bruders intensiv mit diesen... Wesen beschäftigt und sie hassen gelernt. Abgrundtief hassen gelernt. Und dann hatte ich all dieses Zeug aus meinen Gedanken so gut es mir eben möglich war verbannt. Ich hatte es verbannt und hatte mich gezwungen nicht weiter darüber nachzudenken oder mich damit zu beschäftigen, weil es einfach viel zu sehr schmerzte. Das war es nicht wert, es brachte meinen Bruder nicht zurück und ich hatte mich darauf konzentrieren müssen zu überleben. Ich war keine Sekunde in diesem Leben alleine gewesen, bis man mir meinen Bruder genommen hatte. Er hatte immer für mich gesorgt, hatte mich behandelt wie eine Prinzessin, mir alles recht machen wollen und mich besser behandelt, als es irgendwer anders jemals hätte tun können. Ich war es nicht gewohnt alleine zu sein, alleine für mich zu sorgen. Wenn man so wollte, war ich ins kalte Wasser geworfen worden. Alleine, einsam und verängstigt. Ich war heute zwar immer noch einsam und alleine, aber als verängstig konnte man mich eigentlich nicht mehr unbedingt bezeichnen. Natürlich hatte ich Angst – jetzt gerade beispielsweise auch. Wie sollte es auch anders sein? Aber ich war dennoch zu einer selbstbewussten, jungen Frau heran gewachsen und hatte gelernt mir selbst treu zu bleiben, für das zu kämpfen was ich haben wollte.. ich hatte definitiv eine Kämpfernatur, sonst stünde ich heute nicht mehr hier, auch wenn es... zwangsweise wohl zu Ende zu gehen schien. Aber das wollte ich nicht einfach so akzeptieren und hinnehmen. Das wollte und das konnte ich einfach nicht tun!
Meine Worte sorgten dafür, dass er noch fester, noch unangenehmer den Griff um meine beider Handgelenke verstärkte.. Da kam in mir doch die Frage auf, wie viel sie noch aushalten würden bis sie gebrochen waren.. oder waren sie das schon? Ich hatte nichts knacken gehört, was aber auch schwer war, da der Zaun in meinem Rücken bei jeder Bewegung ein leises Rascheln von sich gab, da ich viel zu konzentriert darauf war zu sprechen und ja nicht aufzugeben, zu konzentriert auf den jungen Mann vor mir war, der mir all dieses Leid gerade zufügte und nicht den Anschein machte, dass er aufhören wollte. Ganz und gar nicht, er schien gerade erst Gefallen an der Situation zu finden. Ich musste mich wirklich dazu zwingen die Augen offen zu halten, nicht fest zusammen zu kneifen und zu versuchen den Schmerz irgendwie.. erträglicher zu machen. Ich musste mich dazu zwingen ihn weiterhin anzusehen, ob es mir nun gefiel oder nicht. Ich wollte, ich durfte und ich konnte nicht einfach wegsehen und warten bis er Erbarmen zeigte und den Qualen ein Ende setzte. Ich konnte einfach nicht.. ich durfte einfach nicht. Das war das letzte was ich tun sollte, einfach aufgeben und warten wie ein.. wie ein Nichts. Darauf, dass der Herr, das dieser selbst ernannte Tod mir endlich dieses Leid nahm und Gnade und Erbarmen mit mir hatte, um mich zu töten, sodass ich in die Hölle, den Himmel – oder was es da eben gab – kam. Nein, solange ich noch dagegen ankämpfen konnte würde ich ihn ansehen.
Kurz darauf allerdings, nachdem meine Stimme erst einmal endgültig versagt hatte, hatte ich schon nicht einmal mehr die Wahl ob ich den Kopf hoch gereckt oder gesenkt halten wollte. Ich versuchte seinem Griff zu entfliehen, als er meine beiden Handgelenke nun nur noch mit einer Hand festhielt – vergebens. Der Schmerz war mittlerweile auch zu groß, als dass ich hätte noch weiteren, enormen Wiederstand leisten könnten, weil jede noch so minimale und kleine Bewegung mich beinahe zu zerreißen schien. Dass es noch schlimmer werden könnte ahnte ich nicht. Wie auch? Bis jetzt war ich von solchem Leid größtenteils wirklich verschont geblieben und darüber war ich mehr als dankbar. Schon als er seine nun freie Hand erst doch sehr... zaghaft – kaum zu glauben, aber es war so – an meine Kehle legte, vorsichtig mit dem Daumen über die erhitzte, zarte Haut strich die sich über meinen Hals spannte, wurde der Klos in meinem Hals größer... ich war vielleicht naiv, aber nicht dumm und ich ging fest davon aus, dass ich mit den Worten bezüglich seiner Eltern, vielleicht auch nur seiner Mutter zu weit gegangen war. Andererseits war es ein wunder Punkt den ich.. nutzen konnte, musste. Dazu ließ er mir gerade aber keine Zeit.. auch eine Reaktion auf seine Worte war erst einmal nicht möglich, denn der eben noch so sanfte Griff um meine Kehle wurde schlagartig durch einen groben, rauen Griff ersetzt, der mir die Luft zum Atmen nahm. Der mich erschrocken und gleichermaßen vergebens nach Luft schnappen ließ die nicht vorhanden war, die unmöglich in meine Lungen gesogen werden konnte, wenn er seine Hand weiterhin an meiner Kehle behielt, weiterhin zudrückte. Natürlich versuchte ich mich erneut dagegen aufzulehnen, meine Hände aus seinem Griff zu befreien, erst recht meinen Hals.. ich versuchte alles mir erdenkliche, wandte mich, sammelte all meine noch vorhandene Kraft.. aber er war einfach viel zu stark, als dass ich mich letzten Endes tatsächlich hätte befreien können. Fertig schien er allerdings noch lange nicht zu sein. Er lockerte seinen Griff nämlich wieder, was mich selbst dazu veranlasste keuchend, gierig nach Luft zu schnappen und meine Lungen mit dem mangelnden Sauerstoff zu füllen der durch meinen Körper gepumpt wurde. Mein Herz raste, meine Brust hob und senkte sich enorm, meine Wangen waren feucht von den Tränen, gerötet.. und überhaupt schienen auch meine Beine langsam nachzugeben.. Das hatte allerdings keine Auswirkungen auf meine aufrechte Haltung. Wie sollte es auch? Er hielt mich fest. Mit seinen Händen, seinem gesamten Körper der gegen meinen gedrückt war, um mir den Zaun im Rücken so unangenehm wie möglich zu machen.
Eigentlich hatte ich schon fast mit dem Gedanken gespielt nichts weiter von mir zu geben oder zu sagen. Zu viele Schmerzen die mich unterbrechen könnten. Meine Lungen brannten wie Feuer, meine Handgelenke, Schultern, Arme schmerzten.. meine Kehle fühlte sich noch immer verschlossen an, ich konnte seine Hand viel zu deutlich noch auf der empfindlichen, dünnen Haut spüren. Er hatte die Macht jederzeit wieder zuzudrücken.. ohne jegliche Vorwarnung, ohne irgendetwas... Er würde mir die Luft nehmen, so lange wie es ihm beliebte, wie es ihm gefiel, ihm Spaß bereitete. Aber dann teilte er mir doch tatsächlich mit, dass er sehr wohl das Recht dazu hatte über Leben und Tod anderer entscheiden zu dürfen.. Ich öffnete den Mund, wurde dann aber, als ich etwas sagen wollte, zu aller erst einmal von einem unangenehmen Husten unterbrochen, das allerdings glücklicherweise wenigstens recht bald wieder ein Ende fand und mit Sicherheit mit dem Sauerstoffmangel und den überanstrengten Lungen zusammen hing. Mein Hals fühlte sich ausgetrocknet an, unangenehm und kratzend.. schmerzte, sehr sogar.
„Mehr oder weniger schönen Tod? Gibt es denn einen... schönen Tod deiner Meinung nach? Tod ist Tod.“, krächzte ich leise, musste meine Stimme erst wieder sammeln, dazu bringen mir annähernd zu gehorchen, aber alles in mir sträubte sich einfach dagegen ihm diese Genugtuung der Unterwerfung entgegen zu bringen. Nicht von mir.. und wenn es mich letztlich tatsächlich einen grausamen und schmerzerfüllten Tod kostete... dann war das so. Aber dann würde er sich das nächste Mal vielleicht zwei Mal Gedanken darüber machen, würde mich wenigstens nicht vergessen. Hoffte ich doch schwer. Und wenn es ein Leben nach dem.. Tod gab – woran ich eigentlich nicht glaubte –, dann würde ich ihn höchst persönlich wieder aufsuchen und dafür sorgen, dass er das keinem anderen mehr antun konnte. Wirklich. So behandelt zu werden hatte niemand verdient und in dem Moment fragte ich mich wirklich, wie man dabei ein solches.. Gefühl von Spaß in seinen Augen funkeln sehen konnte, wo er gerade Leid und Schmerzen verbreitete.. absolut nichts gutes tat. Nichts, das auch nur annähernd Spaß machen könnte. Was würde er tun, steckte er in meiner Haut? Würde er es immer noch.. spaßig finden? Wohl kaum. Aber in diese Situation würde er sich vermutlich nicht einmal hineinversetzen können. „Wer bist du, dass du dir tatsächlich das Recht heraus nimmst darüber zu entscheiden und auch noch zu behaupten, dass es das wäre, was dir zustünde?“, fauchte ich leise – weil ich zu mehr ja ohnehin nicht im Stande war. „Soweit ich weiß brauchst du niemanden zu töten, um dein Überleben zu sichern..“, oder hatte ich da etwas falsch aufgeschnappt? Sie nährten sich von Schmerzen, mochte sein, aber nicht von Tod. Es gab vielerlei Arten von Schmerzen.. die, die sicherlich auszuhalten waren und die, die einem den Boden unter den Füßen hinfort rissen.. „Ich möchte sehen was du darüber denken würdest, wärst du in meiner Situation. Wärst du Derjenige der bedroht wird und nicht Derjenige der droht. Wärst du nicht derjenige, der sich das Recht heraus nimmt über etwas zu bestimmen das dir nicht gehört und das Leben eines Anderen einfach zu.. beenden, nur weil es dir Spaß macht. Das ist Krank... Das ist feige, das ist.. typisch Kailasa.“ Ich wollte ihm noch mehr an den Kopf werfen, wollte noch mehr sagen.. aber mir blieben die Worte in der ausgetrockneten, schmerzenden Kehle stecken. Die Brust hob und senkte sich noch immer angestrengt, versuchte den Mangel an Sauerstoff zuvor auszugleichen. Ein dumpfer, ziehender Schmerz ging auch von meiner Brust aus, ebenso von meinen Handgelenken, meinem Rücken, meinen Schultern. Mein gesamter Körper schien unter Strom zu stehen, jede Sekunde zu explodieren.. Genau so fühlte es sich an. So und noch viel schlimmer, gar nicht wirklich zu beschreiben.
Es klang falsch, wenn ich meinte, dass alles einem höheren Zweck diente, aber in diesem Fall war dieser höhere Zweck unser Überleben: aus diesem Grund hielt wir uns versteckt vor den anderen Wesen und vor den Gefahren, die die neue Welt für alle halbwegs angepassten Lebewesen parat hatte. Es war eine der obersten Prioritäten unsere Existenz weiterhin am Leben zu erhalten und wenn dafür der Kontakt zur Außenwelt verboten werden musste, dann wurde dies auch mit eiserner Strenge durchgezogen. Genau genommen befanden wir uns hier in einer äußerst problematischen Lage, die schnell zu unserem Verhängnis werden konnte, obwohl im Moment beide Seiten nahezu friedlich mit dem anderen Gesprächspartner umgegangen sind. Ich hatte es mir schlimmer erwartet, aber solange die Wachi keinen weiteren Fehltritt an den Tag legte, sah ich mich nicht gezwungen etwas gegen sie zu unternehmen – so sehr meine Instinkte auch danach schrien, mich an ihrem Leben zu bedienen und dem elendigen Hunger in mir zum Verstummen zu bringen. Es war ein harter Kampf, der in meinem Inneren tobte, aber schlussendlich siegte das Durchhaltevermögen, das mich geduldig bleiben ließ. Um aber bei meinem eigentlichen Grundgedanken zu bleiben, nämlich den, das es kein fataler Fehler war, den eigenen Stamm in die Abschottung zu treiben, denn einerseits bleibt damit die Existenz der Achak weiterhin ein Rätsel und außerdem passte man sich spielerisch ohne fremde Einflüsse aneinander an, sodass eben diese nahezu perfekt abgestimmten Bewegungsabläufe möglich waren. Loyalität war eine der wichtigsten Eigenschaften unserer Art und Verrat wurde demnach nicht selten mit dem Tod bestraft.
Nachdenklich nahm ich diese irgendwie von mir erwartete Antwort in Kauf und dachte über meine nächsten Worte nach. Dabei huschte mein leerer Blick für einen minimalen Moment zu Elija hinüber, der anscheinend ebenfalls etwas auf dem Herzen trug, aber die Worte nicht über seine Zunge springen ließ. Bei dieser Geste verspürte ich keinerlei Drängen, dass ich schneller auf die Wachi einging, sondern begann sie erneut mit meinen toten Augen zu mustern, die mir kein Bild schenkten, sondern nur die Ausreifung aller anderen Sinnesorgane ermöglichte. Im Nachhinein gesehen gab es für mich nur Vorteile, obwohl das Sehen für menschliche Wesen das wichtigste Wahrnehmungsorgan ist und wohl immer bleiben würde. Dennoch würden alle anderen Lebewesen niemals das ununterbrochene Rauschen des Windes beim Anschmiegen an einen Körper hören oder die feinen Gerüche aus einer frischen Brise herausfiltern können. Der plötzlich auftauchende Windstoß war kalt und peitschte mir die Haare vor die Augen, doch ich ließ sie gewähren und konzentrierte mich lieber auf eine Antwort, die wohl abgewägt werden musste. „Es ist auch seit jeher unsere Absicht im Verborgenen zu bleiben“ stellte ich neutral fest und ließ die von dem jungen Krieger ausgehende Neugierde auch zu Wort kommen „Verrätst du uns deinen Namen, Wachi?“ Diplomatie war angesagt, wenn man an weitere Informationen kommen wollte und dabei befand man sich immerzu auf einem schmalen Grad – kurz vorm Absturz oder bereits im Fallen, ohne es jedoch mitbekommen zu haben.
Ich hörte ein paar knackende Äste und drehte mich auf dem Absatz um. Ein riesiger Mann lehnte an einem Baum und schaute mich an. Wie konnte ich ihn nicht bemerken? Neugierig stieß ich mich von dem Baum ab,an dem ich lehnte und trat ein paar Schritte auf ihn zu. Der Wind war immer noch stark und wehte meinen Zopf aus meiner Jacke. Ich betrachtete den Mann (Zacharas) näher. Er war groß, sehr groß, hatte schwarzes Haar und eine Augenfarbe,die zwischen blau und grün lag. Das hier war kein normaler Mann, sondern ein Liwanu Kailasa. Ich hatte noch nie einen getroffen, aber jetzt,wo ich vor ihm stand, konnte ich ihn nur anstarren. Ich wusste, dass diese als gefährlich galten und ich besser auf dem Absatz kehrt gemacht hätte und zugesehen hätte, dass ich möglichst viel Anstand zwischen ihn und mich brachte, aber nein, ich war einfach zu neugierig. Außerdem war das immer hin ein Mann und ich hatte Hunger. Ich richtete mich auf und trat noch einen Schritt auf den Riesen zu. Er war beeindrucken durch seine Größe und seine Stärke, die man ihm sofort ansehen konnte. Ich schaute ihn immer noch prüfend an und überlegte, ob ich etwas sagen sollte. " Was willst du?", fragte ich etwas grober,als ich eigentlich wollte. Meine Stimme war trotzdem noch weich und melodisch. Ich konnte relativ gut singen, wenn ich wollte, aber ich tat es eigentlich nie, denn ich hatte eigentlich selten jemanden, dem ich etwas vorsingen konnte. Ich konzentrierte mich wieder auf den Kailasa und suchte an ihm nach einem Zeichen,dass er mir irgendwie feindlich gesinnt war. Der Wind rauschte durch die Bäume und die Wolken hingen immer noch tief am Himmel. Alles war wie immer, bis dieser seltsame Kailasa aufgetaucht war und mich total verwirrte. Gut, eigentlich verwirrte er mich nicht, er verunsicherte mich nur etwas. Ich überlegte schon mal, wo ich mein Messer hatte, denn der Schwarzhaarige sah nicht grade freundlich aus, auch wenn er bis jetzt keine drohende Haltung angenommen hatte. Mein Hunger hielt mich bei dem Mann, auch wenn ich die leichte Vermutung hatte, dass ich nicht an sein Blut kommen würde. Trotzdem hatte ich so einen wie ihn noch nie getroffen und wollte mehr über ihn erfahren. Flüchten konnte ich ja immer noch. Mein Blick senkte sich zu seinen Händen. Hatte er da Blut am Ärmel oder spielte meine Fantasie schon verrückt? Ich biss mir auf die Unterlippe und sah lieber wieder in das Gesicht des Kailasa, bevor ich noch mehr sah, dass es nicht gab.
Ich lächelte. Es war kein wirklich freundliches lächeln. Es war eher amüsiert. Ich sah, das sie verunsichert war, und das lies mich etwas lächeln. Ich folgte ihrem Blick und musste leise lachen, als sie schnell von dem Blut weg sah. ,, Was ist? Magst du kein Blut, Kleines?'', fragte ich mit einem leicht verächtlichem Grinsen. Ich merkte, das sie überlegte, wohl eine Waffe aus ihrer jacke zu ziehen. Ich schwenkte kaum auffällig den Bogen in meiner Hand hin und her, nur damit sie wusste, das ich nicht unbewaffnet war.
Auf ihre Frage, was ich wollte, antwortete ich nicht. Was wollte ich eigentlich? Das sie leidete? brauchte ich das gerade so dringend, das ich es selbst nicht bermkte? Oder war mir einfach nur... naja, langweilig? Ich wusste es nicht genau, aber es für mich auch egal.
Ich richtete mich nun ganz auf, wodurch ich noch ein Stück größer wirkte. Kurz ließ ich meinen Blick über sie schweifen.
Ja, sie war schön. Ihre langen, blonden Haare hatten eine ähnliche Farbe wie die meiner Schwester. Und auch die blauen Augen waren ihren ser ähnlich. Nur diesen leicht arroganten Blick, den hatte meine Schwester nicht.
Ich verschob diese Gedanken und beobachtete das Mädchen wieder aufmerksam und verfolgte jede ihrer Bewegungen.
Es war kein Wunder für mich, dass sie zuvor noch keinen Achak gesehen hatte, meistens waren wir ein weniger friedliches Volk anderen Spezies gegenüber, aber ich empfand es als nicht nötig jedes Wesen anzugreifen, dass meinen Weg kreuzte. Hier gerade konnte man gut sehen, dass es durchaus möglich war miteinander zu reden – nicht gerade sehr ausführlich und irgendwie auch im Ganzen eher sehr vorsichtig und zurückhaltend, aber wir sprachen miteinander und hatten uns in die Nähe der anderen Spezies gewagt ohne direkt das Schlimmste zu wollen. Nun gut, die Wachi hatte ihren Dolch doch recht schnell gezogen, aber da sie ihn wieder sinken ließ und nun doch ruhig wirkte, sah ich es nicht als eine sonderliche Gefahr oder Bedrohung an. Sie schützte sich selbst vor etwas Fremdem – uns. Und das war meiner Meinung nach absolut verständlich. Meine Haltung entspannte sich also noch ein wenig mehr, wenn ich auch weiterhin auf den Wind achtete, ob nicht doch von irgendwo ein neues, unerwartetes Geräusch kam. Ich sah es aber nicht als unseren Nachteil an, dass wir blind waren, nein, eher sah ich es als den Nachteil der Wachi an, dass sie so sehr auf ihre Augen vertraute und so wenig auf den Rest Acht gab. Diese Dummheit von jeder anderen Spezies konnte ich nicht nachvollziehen. Wir haben alle so viel bekommen und machen doch so wenig daraus, nur, weil es vielleicht schneller geht? Oder im ersten Moment einfacher erscheint? Das war für mich keine Entschuldigung. Aber vermutlich war es gerade so gut für uns Achak, da wir von den anderen weniger Gefahr erwarten mussten – was nicht bedeutete, dass sie nicht auch Kraft und Stärke besaßen und durchaus eine Bedrohung darstellten. Sie gingen eben nur anders mit ihrer Umwelt um – sah man ja daran, wie die Menschen die Welt zerstört hatten. Immer nur auf das geachtet, was eben gerade da war und nicht auf das, was wirklich passierte.
Als Nerea nach dem Namen der Wachi fragte, wichen meine Gedanken der Neugier. Als hätte sie gespürt, was ich fragen wollte. Ein leichtes Schmunzeln wollte auf meinen Lippen erscheinen, aber ich unterdrückte es doch und starrte lieber weiter ausdruckslos zu der jungen Wachi vor uns, mich selbst fragend, ob es ihr nicht unangenehm war, dass wir sie die gesamte Zeit so ansahen. Wo wohl ihr Blick die meiste Zeit lag? Ich meine, man konnte schon spüren, wenn man beobachtet wurde, aber doch auch nicht immer und nie ganz hunderprozentig. Diese Kraft fehlte mir noch ein wenig, was wohl auch damit zusammen hing, dass mich meist nur blinde Augen betrachteten und ich dann natürlich keinen Blick auf mir spüren konnte.
Natürlich mochte ich das Blut, welches da anscheinend doch an seinem Ärmel war, nicht, aber ich mochte das Blut, das in seinen Adern floss. Und ich wollte es. Ich merkte, wie er unauffällig seinen Bogen hin und her schwang und ich frage mich unwillkürlich, ob ich denn wirklich so leicht zu durchschauen war. Sah man mir so sehr an, das ich jetzt gerne ein Messer in der Hand hätte um mich besser zu fühlen? Ich musste lernen mich besser unter Kontrolle zu haben. "Wie kommst du darauf, Großer?", fragte ich schlagfertig zurück. Er nannte mich ´Kleines´, da konnte ich ihn ja ´Großer` nennen. Über diese Idee musste ich leicht lächeln, was meinen ganzen kühlen Gesichtsausdruck veränderte. Vielleicht kam es seltsam rüber, wenn ich ihm gleich einen Spitznamen gab, aber wenn er durfte, durfte ich auch. Er richtete sich zu seiner vollen Größe auf und ihn Großer zu nennen war wirklich passend, fand ich. Anscheinend hatte der Riese noch nicht bemerkt, was ich war und das kam mir zugute. Vielleicht kam ich heute doch noch an meine Mahlzeit. Trotzdem hatte ich Respekt vor dem Bogen, den er immer noch in der Hand hielt. Ich traute dem Mann zu,dass er trotz seiner Größe und Masse sehr schnell war. Ich hatte auch so das Gefühl, dass er nicht mal eine Waffe brauchte um mich zu bändigen. Ich trat lieber wieder einen Schritt zurück. Die Aussicht auf sein Blut hatte mich Unvorsichtig werden lassen. Und ich war mir nicht sicher, ob ihm sein neuer Spitzname sonderlich gefallen würde und er auf die Idee kommen würde mich dafür leiden zu lassen.
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