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Ob sie die Lüge nun wahr nahm oder nicht spielte eigentlich keine Rolle. Welche sollte es auch spielen? Hauptsache sie akzeptierte, dass ich darüber nichts sagen würde. Nicht wollte. Das war das einzige was diesbezüglich zählte und sie akzeptierte es, auch wenn sie nicht sonderlich begeistert von meinen Worten klang. Konnte ich ihr nicht verübeln, vermutlich würde es mir in ihrer Situation ebenso gehen, immerhin war sie hier und half mir, während ich mich wie ein stures Kind benahm und nicht sagte was geschehen war. Aber wie gesagt; das war meine Sache und hing sicherlich auch irgendwo damit zusammen, dass ich nicht wollte, dass hier irgendetwas weiteres geschah, wer wusste schon wie sie drauf war? Am Ende begab sie sich noch auf einen selbst ausgerufenen Rachezug. Mit Zasha war ganz offensichtlich nicht zu spaßen, obwohl ich mich tatsächlich wunderte, wieso ich denn noch am Leben war. Beschweren allerdings wollte ich mich wohl auch nicht. Wollte und sollte ich nicht, ich konnte froh sein noch am Leben zus ein. Leicht zuckte ich mit den schmalen Schultern, drehte letztlich den Deckel auf die Flasche, die auf meinem Bein abgestellt worden war, bevor ich diese wieder in dem Rucksack neben mir verstaute und die Fremde, Samira, wieder anblickte. Ohnehin fragte ich mich, wieso es sie denn interessierte? Aus Angst ihr könnte ähnliches geschehen? Sie sah nicht aus als hätte sie Angst. Neugierde. Im Endeffekt besaß jeder diese Neugierde und jeder hatte vermutlich zu viel davon. Neugierde war bis zu einem gewissen Grad sicherlich gut, aber man sollte sie wohl auch nicht in Übermaßen besitzen. In meiner Nähe, vor allem momentan, schien das egal zu sein. Aber jeder war in irgendeiner Weise zu verletzen und zu besiegen. Man musste nur einmal auf den Falschen treffen. So wie ich. Man musste nur auf den Falschen treffen und eine zu große Klappe besitzen und dann.. dann konnte es ganz schnell auf das Ende zu gehen. Glücklicherweise nur war ich verschont geblieben. Mit Glück, wegen Unwissenheit oder doch ganz bewusst konnte ich wirklich nicht sagen - aber was spielte das schon für eine Rolle? Ich strich mir langsam eine Haarsträhne aus dem Gesicht.. meinen Haargummi hatte ich wohl im Gefecht mit dem Kailasa verloren, war aber auch nicht weiter wichtig. Lieber der Haargummi wie mein Leben, wenn man so wollte. "Wie lange sind wir schon hier?" ich ging, wie gesagt, davon aus, dass sie mich hier irgendwie hergeschleppt hatte. Wieso sollte ich auch davon ausgehen, dass der Mann, der erst verantwortlich hierfür war, doch ein funken Gutes in sich zu tragen schien? Das einzige, was in mir aufkam, wenn ich an sein Gesicht oder seinen Namen dachte war nackte Panik, die ich so schnell im Keime zu erdrosseln versuchte wie es mir nur irgendwie möglich war. Ich war ihr etwas schuldig. Vielleicht würde ich ohne sie gar nicht mehr leben. Ja, ja.. ich war ihr definitiv etwas schuldig.
Ich zuckte mit den Schultern "Ich weiß es ehrlich gesagt nicht" gab ich als nüchterne Antwort. Keine Ahnung, wie lang sie ohnmächtig war. "Ruh dich noch etwas aus." meinte ich ehrlich und ging zu dem Fenster "du kommst ohne mich auch klar, also werde ich dich wieder in Ruhe lassen" beendete ich meinen Satz. Ich drehte mich elegant wieder zu ihr um "Hat mich gefreut Pandora" verabschiedete ich mich leicht nickend und verließ dann das Zimmer und die Hütte. Meinen Bogen hatte ich in der Hand, den Köcher um die Schulter geschnallt. Ich war keine besonders gute Schützin. Es reichte gerade mal, um Wild zu erlegen oder aus einem Hinterhalt im Notfall anzugreifen. Ich machte mich wieder auf zur Lichtung, wo ich meine Waffen versteckte. Nur wenige Menschen kannten diese kleine Stelle im Wald. Die meisten Lebewesen, die hier herkamen waren die Wachis. Denn das Wasser hier war unglaublich klar und sauber, weshalb es sich perfekt zum baden eignete. Ich setzte mich gedankenverloren ans Ufer des Teiches und ließ meine Beine ins kühle Nass hängen. Mit einer Bürste kämmte ich mir mein langes, seidiges Haar und sang dabei ein Lied, welches meine Mutter mir früher immer vorgesungen hatte. Es war in der Sprache der Wüstenmenschen verfasst und handelte von einer Liebschaft, die über die Zeit hinaus funktionierte. Es war ein langsames Lied, welches in normaler Stimmlage gesungen wurde, sodass auch nicht ausgebildete Stimmen kein Problem damit hatten.
Es kam mir ein bisschen so vor, als würde die Zeit viel langsamer voranschreiten, als stünden wir minutenlang schweigend einander gegenüber, obwohl es wohl nur einige wenige Sekunden waren. Es war der Zeitpunkt, nachdem ich meinen Namen genannt hatte, bevor Renesmee ihn und den meiner Begleiterin wiederholte. Vermutlich wirkte er nur so lang, weil ihr Blick auf mir lag, weil ich spürte, wie sie mich ansah und ganz ungewollt fragte ich mich, was für einen Grund sie wohl dafür hatte. Ich kannte mein eigenes Abbild nicht, würde es niemals kennen und allein vom Gefühl her war schwer zu beurteilen, wie ich nach außen wirkte. Meine Augen, die Augen eines Achak, schienen ihr ja zu gefallen. Schließlich waren das ihre ersten Worte gewesen, die weiterhin in meinem Kopf spukten. Und auch ganz ungewollt spannte ich mich ein wenig an. Was denkt sie wohl von mir? Wieso sieht sie mich so lange an, nicht aber Nerea? Oder blickt sie zu ihr etwa genauso lange? Fragen über Fragen stellten sich in meinen Gedanken und ich bekam das Gefühl nicht mehr still stehen zu können, ihrem Blick nicht standhalten zu können. Es war alles so intensiv, unbekannt und ein Stück weit beängstigend. Nicht Renesmee beängstigte mich, sondern die Tatsache, dass wir hier eigentlich etwas taten, was im Stamm nicht gern gesehen wurde. Kontakt zu anderen Lebewesen war nicht erwünscht, wurde bestraft und verachtet und doch sprachen wir einfach so mit einer Wachi. Wir hätten sie ja auch schlecht angreifen können, immerhin tut sie uns doch nichts, verteidigte ich uns in Gedanken schon. Aber nicht nur uns, sondern irgendwie waren diese Gedanken auch auf Renesmee bezogen. Ich wollte sie damit beschützen, verteidigen, obwohl es keinen Sinn machte. Sie würde unser Lager niemals betreten, würde uns alle niemals mehr wiedersehen und deshalb war es sinnlos mir den Kopf darüber zu zerbrechen, wie ich sie verteidigen würde, falls es zu so einer Situation kam. Es war einfach ausgeschlossen. Und doch spürte ich, dass ich ihre Gegenwart nicht missen wollte, nicht einfach verschwinden und sie dann sicherlich niemals mehr wiedersehen.
Sie wiederholte unser beider Namen und schwieg erneut wieder. Weitere Sekunden verstrichen, ohne, dass jemand etwas sagte. Es muss ihre Macht sein, die so auf mich wirkt. Anders kann es nicht sein. Und damit war es für mich beschlossen: wenn sie nicht weiter in meiner Nähe war, würde ich nicht mehr solche Gedanken haben, würde nicht mehr ständig an sie denken und sie schon bald vergessen haben. Ich wusste, dass es richtig war und dass ich stark bleiben musste, mich wehren und Kraft zeigen. Ich war Krieger. Ich war Achak. Und sicherlich würde ich kein Spielzeug für so eine dahergelaufene Wachi darstellen. „Wir müssen jetzt gehen. Der Himmel zieht sich langsam zu und -“, an dieser Stelle brach ich kurz ab. Sie brauchte nicht wissen, was wir taten, wohin wir wollten oder wieso wir das taten. Es reichte, wenn sie wusste, dass wir friedlich gehen würden und sie sich dann auch wieder ihren eigenen Dingen zuwenden konnte. „Wir gehen“, wiederholte ich noch mal, blickte einen Augenblick noch in ihre Augen und wand mich dann von ihr ab. Nerea und ich mussten noch Nahrung finden und ich weigerte mich diese Wachi als Nahrung anzusehen. Sie war uns höflich gegenübergetreten, also würde sie am Leben bleiben können. Ich werde sie niemals mehr treffen, werde sie vergessen und vielleicht kurz daran erinnert werden, wenn ich das nächste Mal auf eine beliebige ihrer Art treffe. Doch mit jedem Schritt, den ich mich langsam von ihr entfernte, wurde mir mehr und mehr bewusst, dass dieses Vergessen vielleicht doch nicht ganz so einfach werden würde.
Eine kurze Zeit der Stille verstrich, ehe Elija sich zu Wort meldete. Die andere Achak jedoch schwieg. Wir müssen jetzt gehen.., waren seine Worte. Es waren unglaublich lange Worte. Im Gegensatz dazu, dass er davor fast gar nicht gesprochen hatte.. irgendwie hatte ich mir gewünscht, er hätte mehr gesprochen. Wieso, kann ich mir nicht erklären. Die ganze Sache kam mir irgendwie lächerlich vor und innerlich schämte ich mich auch ein wenig, dass ich mich auf einmal so nach Gesellschaft sehnte und mir wünschte, er wäre nicht sofort gegangen, so als wolle er sofort Abstand zwischen uns bringen. Naja gut, er hatte keinen Grund, sich ein wenig mit mir zu unterhalten und tralala. Ich musste mir wieder ins Gedächtnis rufen, dass die Achak sehr fremdenfeindlich waren und ich echt erstaunt sein konnte, überhaupt mit welchen geredet zu haben. Eigentlich waren sie nicht so gefährlich, wie immer gesagt wurde. Klar, sie konnten sicherlich gefährlich werden, aber sehr feindselig waren sie mir nicht gegenüber getreten - mehr oder weniger nicht. Die meisten hatten ja ein Treffen mit ihnen nicht überlebt. Warum also haben sie mich verschont? Warum haben sie mich nicht ausgesaugt, beziehungsweise meine Seele geklaut? Viele Fragen schwirrten in meinem Kopf rum, während ich dem schon davongehendem jungen Mann hinter her blickte. Ich war gar nicht dazu gekommen, etwas zu sagen, war mir auch unsicher gewesen, ob ich mich irgendwie verabschieden sollte. Immerhin war sein 'Abschied' recht gezwungen rüber gekommen, als würde er vor der Situation fliehen wollen oder davon genervt sein. Meine Lippen öffneten sich leicht, schlossen sich sogleich wieder und gaben nichts mehr von sich. Was soll ich schon sagen? Mein Blick galt einfach nur den beiden Gestalten mit dem weißen Haar, den blutroten Lippen und der extrem blassen Haut, während diese langsam im Wald verschwanden. Dann fiel mir auf, dass sie ziemlich Richtung Stadt gingen. Halten sie nicht normalerweise Abstand zu solchen Gegenden? , dachte ich leicht verwirrt, während ich mein Messer wieder wegsteckte; es bestand jetzt schließlich keine Gefahr mehr. Grübeln schlug ich jedoch eine etwas andere Richtung als die beiden ein. Mein Blick war ein letztes Mal den beiden gewidmet, während ich mit einer leichten Enttäuschung- woher sie auch immer kommen mag- meinen eigenen Weg ging.
Sie sagte nichts und tat auch nichts weiter und somit entfernten sich Nerea und ich immer weiter von der Wachi. Es fühlte sich falsch an zu gehen, aber doch wusste ich eigentlich, dass wir nicht hatten bleiben dürfen. Dass wir sie hätten töten müssen, um die Legenden zu bestätigen, aber allein der Gedanke daran verpasste mir eine unerklärliche Gänsehaut. War es wirklich nur diese spezielle Macht, die jede ihrer Art besaß? Ich konnte mir nicht vorstellen, dass sie noch immer Kraft auf mich ausüben konnte, wir waren schon einige Meter entfernt und ich hörte, dass sie erst ihre Waffe wieder wegsteckte und sich dann ebenfalls bewegte. Sie folgte uns nicht, stellte ich mit einem gewissen Gefühl der Enttäuschung fest. Aber was hatte ich auch erwartet? Dass Renesmee – wirklich ein wunderschöner Name – zwei abweisend wirkenden Gruselgestalten hinterher lief? Nicht sonderlich wahrscheinlich, aber es störte mich dennoch. Ich war einen Augenblick versucht mich nach ihr umzudrehen, zuckte mit dem Kopf aber nur ein kleines Stück zur Seite und wandte meinen blinden Blick anschließend wieder nach vorne. Es machte keinen Sinn sich umzudrehen, um einen letzten ‚Blick’ auf sie zu erhaschen, die Entfernung war zu groß, um ihre Aura zu spüren oder sonst irgendetwas von ihrer unglaublichen Ausstrahlung.
Mit einem leicht bedrückenden Gefühl lief ich neben Nerea her, weiter Richtung Stadt. Wir erreichten die ersten zerfallenen Häuser und hielten wieder einen Augenblick inne, nutzten unsere gestärkten Sinne, um mögliche Gefahren – und Nahrungsquellen – ausmachen zu können. Noch schien jedoch alles still zu sein und so schlichen wir lautlos ein paar Schritte in die Stadt hinein. Hier beschlossen wir, trotz aller Gefahren, die es mit sich brachte, dass wir uns besser eine kurze Zeit trennten, um schneller voran zu kommen. Ich spürte, wie sich das Wetter langsam veränderte. Dichtere Wolken zogen auf und die Luft roch feucht. Vermutlich würde es Regnen oder Gewittern in der nächsten Zeit und Nerea und ich wollten schnellstmöglich mit Nahrung zurück ins Dorf kommen. Wir beschlossen uns spätestens beim ersten Regentropfen wieder am Waldrand zu treffen und so trennten wir uns. Jeder für sich war stark und geübt genug, um sich zu verteidigen, weshalb es eigentlich kein Problem darstellte, aber doch konnten zwei Achak mehr aufpassen, als einer alleine.
Mit einem schwer zu definierenden Hoffnungsschimmer entschied ich mich für die Richtung, in der ich die Wachi noch am ehesten vermutete. Sie war ebenfalls in Richtung Stadt gelaufen, wenn auch etwas anders, als wir und somit hoffte ich irgendwie, dass ich sie noch mal sah, obwohl ich genau wusste, dass es nichts brachte. Dass ich lieber einen ganz anderen Weg gehen sollte, um wirklich etwas zu finden, was unserem Stamm etwas brachte.. aber ich konnte nicht. Ich ….vermisste sie. Und langsam hatte ich mich auch davon überzeugt, dass es nicht nur ihre Wachi-Macht war, die mich zu ihr zog. Ich redete mir ein, dass es schlichte Neugier war. Neugier diese andere Art kennen zu lernen und zu verstehen und dass es mir nur so ging, weil ich auf eine Welt hoffte, die weniger im Chaos versunken war. War es da nicht ein guter Anfang, wenn sich die Rassen untereinander nicht rein als Nahrungsquelle ansahen, sondern miteinander auskamen? Konnten wir nicht zusammen vielleicht doch etwas verbessern? Mit diesen Gedanken machte ich mich also vollkommen lautlos auf den Weg durch die Stadt und nutzte meine Sinne, um meine Umgebung zu verstehen.
Das Menschlein war anscheinend wirklich lebensmüde. Provozierte zwei der Wesen, denen er Nahrung bieten konnte. Das war dreist. Und dumm. Und ich dachte immer die Achak zeigen sich nicht vor so vielen Augen. Fast wäre ich ihm dafür an die Kehle gesprungen. Und dann hätten ihm auch seine beiden Dolche nichts mehr gebracht. Er hatte wohl vergessen, dass es kaum Menschen – oder andere Wesen gab – die eine Begegnung mit einem Achak lebend überstanden hatten. Meist war nichts mehr als die Hülle des Körpers über, wenn wir unseren Hunger gestillt hatten. Nicht viel mehr als die abgestreifte Haut einer Schlange, denn wurde die Seele gestohlen, blieb nicht mal der Körper so zurück, als wäre das Wesen auf andere Weise ums Leben gekommen.
Aber das interessierte weder das Menschlein als auch den Kailasa. Dumm. Sie dachten wahrscheinlich, weil ich nichts als eine zierliche Frau war und sie auch noch in der Überzahl würde ich keine große Bedrohung sein. Wie sie sich da täuschten. „Du verwechselst da zwei Tatsachen, Mensch“, sagte ich mit einer zarten, weichen Stimme, die die meisten Achaks besaßen. Sie war nicht zart im Sinne von der Verführungskraft einer Wachiwi-Stimme, sondern nicht so dumpf und laut und grob wie die der anderen Wesen. Sie war für Ohren bestimmt, die genauso geschärft wie die eigenen waren, und war so sogar noch um einiges angenehmer für das empfindliche Gehör.
„Die Augen, die uns erblickt haben, sind nicht so selten, nur sie sind sehr bald darauf, blinder als unsere.“ Meine Stimme klang trotz der Weiche kalt, eiskalt, wie von Raureif bedeckte Seide.
Und was für eine weitere Dreistigkeit einen Kailasa zu fragen, ob er schon einmal einen Achak gefangen hatte! So etwas war noch niemals in unserer gesamten Geschichte passiert und es gab nicht die geringste Chance, dass es einmal geschehen könnte. Der kleine Mensch sah wohl immer noch nicht ein, dass keines der anderen Wesen auch nur die kkeinste Chance gegenüber einem Achak hatte. Vorallem nicht, wenn dieser ein ausgebildeter Krieger war.
Auch der Kailasa war sich dessen wohl nicht bewusst, denn er stellte sich nun mehr ins Sichtfeld des Menschens und damit auch näher an mich heran, was ihm vielleicht nicht wirlich bewusst war. Dass er sich wieder an den Menschen wandte, ignorierte ich geflissentlich. „Sehr aufmerksam von dir, dich noch gestärkt zu haben. Auch du wirst uns wundervolle Nahrung bieten“, erwiderte ich mit gefährlichem Unterton in der Stimme. Den Blick hatte ich immer noch über die Köpfe der beiden hinweg in die Ferne gerichtet und meine Lippen umspielte ein leises, selbstsicheres Lächeln. So machte das doch Spaß. Und wenn ich heute erst einmal mit zwei Opfern zum Dorf zurückkehren würde, würde sich das Oberhaupt noch einmal Gedanken machen müssen, ob nicht auch wir Frauen zu Kriegern ausgebildet werden sollten.
Natürlich hatte ich in Erwägung gebracht, mich nochmal nach ihnen umzuschauen, aber das war einfach unhöflich. Sie konnten es nicht sehen, wenn ich geschaut hätte, aber irgendwie kam ich mir dabei zu aufdringlich vor.leicht von mir selbst genervt hatte ich den Kopf geschüttelt. Jetzt stell dich mal nicht so an, ich komm gut allein klar!, sagte mein inneres, vernünftiges Ich. Ja, ich hatte so zwei Seiten. Die eine, die immer überlegte, was am sinnvollsten, praktischsten und einfachsten wäre. Und dann die Seite, die auf mein Herz und mein Gefühl hören wollte. Wenn man nicht weiß, welcher Seite man nachgehen soll, kann das schon ziemlich anstrengend sein, anstrengend und nervenraubend. Manchmal war es aber auch so, dass ich viel zu viel nachdachte, über alles mögliche. Und gerade ging mir dieser Elija nicht aus dem Kopf. Was sie wohl in der Stadt machten? Vielleicht waren sie genauso wie ich auf der suche nach Essen. Wo können die Chancen höher sein als in der Stadt, wo es nur so von Menschen wimmelt? Nun ja, in Gedanken versunken kam ich nun schließlich in der Gegend, wo nun Häuser anstatt Bäume standen, an. Mein Blick glitt durch die Gegend. Bis jetzt waren keine Personen zu sehen, weswegen ich wohl weiter gehen würde, um an einer anderen Stelle mein Glück zu versuchen. Irgendwo musste sich ja ein schnell um den Finger zu wickelnder Kerl, der wohl etwas zu viel getrunken hat und deswegen sowieso weniger zurechnungsfähig war, aufhalten. Mein Weg ging etwas weiter Osten, in die Richtung, in der die Achak wahrscheinlich irgendwo waren. Zu dem Zeitpunkt dachte ich eher weniger an ein weiteres Treffen. Die kühle Art des Achak am Ende hatte mir irgendwie versichert, dass er nicht gerade interessiert war. Wieso sollte er auch, redete ich mir dann ein. Er mag ja kaum auf ein Gespräch aus gewesen zu sein, als er mit seiner Begleiterin losgezogen war.
Nach einigem Gehen, wobei ich mich immer noch recht weit am Stadtrand befand, blieb ich stehen, um die Lage zu prüfen und mir erstmal einen Überblick zu schaffen, wo ich überhaupt war. Mit wachsamen Blick beobachtete ich eine Frau, hoffte, dass sie vielleicht Begleitung bei sich hatte, aber nein. Heute war es irgendwie nicht so einfach, sein Essen zu finden. Lag es an dem Wetter? Schon möglich. Wer ging schon gerne bei stark bewölktem Himmel raus? Außerdem sah es ganz nach Regen aus, der natürlich wiedermal total unpassend kam.
So, so. Der Kailasa hatte also sein Abendessen und die Achak schien gleich der Meinung zu sein sich für den frisch genährten Körper - oder sollte ich sagen die Seele? - bedanken zu müssen. Da drohte sie gleich zwei Lebewesen die etwas von Kampf verstanden. Ich konnte es den Kailasa nämlich keinesfalls abstreiten, dass sie nicht kämpfen konnten. Das konnten sie definitiv, aber davon lebten sie auch. Die Achak war sich meiner Ansicht nach viel zu sicher. Jeder war irgendwie zu töten, jeder war irgendwie zu verletzten, zu stoppen und zu besiegen. Die Achak waren überheblich, weil es bis jetzt vielleicht scheinbar noch niemanden gegeben hatte der dies getan hatte. Vielleicht. Vielleicht aber auch nicht und es war nur ein gut gehütetes Geheimnis, das auch nur die Legenden darum bewahrte wie eben ein solcher Achak zu töten war. Aber ich war experimentierfreudig, hatte Geduld. Ich würde einiges ausprobieren können, bis ich irgendwann wohl zu einem Ergebnis kommen würde. Niemand konnte mit einem abgeschlagenen Kopf weiter leben. Niemand dessen Herz Blut durch die Venen des Körpers pumpte konnte ohne dieses überleben. Niemand war Meister von Schmerzen und konnte sie beherrschen ohne jegliche Reaktion darauf. Niemand war unverletzbar, niemand war unsterblich. Vielleicht mochten sie sich weiter entwickelt haben, aber sie waren auch nur Lebewesen. So wie ich.
Mein Blick ruhte einen minimalen Moment auf dem Kailasa, der sich mehr und mehr in mein Sichtfeld begab, was es mir wiederum leichter machte sie Beide gleichermaßen im Blick zu behalten. Dennoch hielt ich auf jeweils einen einen meiner Dolche gerichtet. Dabei ging ich auf Dauer gesehen davon aus, dass die Blinde es schaffen würde den Kailasa gegen sich aufzuhetzen, was mir einen Verbündeten bringen würde - für den Fall der Fälle. Es war nicht so, dass ich ein Wesen dem anderen Bevorzugte, aber ich stand dann doch eher hinter denen, die gegen meinen Gegner, meinen Feind kämpften wie hinter meinen Feinden - zu diesem Zeitpunkt. So viel stand fest.
Dann sprach sie mich ganz direkt an, ich lauschte aufmerksam, verzog das Gesicht allerdings zu einem leichten, spöttischen Grinsen was sie natürlich nicht sehen konnte - das verschaffte mir in dem Augenblick allerdings nur noch mehr Genugtuung. "Blinder wie ihr? Ist das denn möglich?", war es das? Nein war es nicht. Blinder wie blind konnte man nicht sein. Ob tot oder Lebendig. Blind war blind. "Vermutlich sollten wir euch aber langsam mal wieder von eurem Hohen Ross hinunter holen, damit ihr nicht weiter mit solchen Worten - oder überhaupt Worten - um euch schmeißen könnt ohne zu wissen wer vor euch steht und ob ihr euch nicht vielleicht täuschen könntet. Manch einer könnte das als Beleidigung ansehen." Ganz recht, meine Worte waren ernst gemeint und konnten von mir aus auch gerne als Belustigung dienen. Das würde es mir nur einfacher machen. Noch immer klang meine Stimme monoton, so als wäre ich mir dem Ernst der Lage nicht bewusst, dabei war ich das sehr wohl. Ich wusste durchaus, dass ich in Gefahr schwebte, aber das machte mir nichts. Nicht in dem Sinne zumindest, dass ich nun mit weichen, schlotternden Knien vor diesen Kreaturen stehen könnte. So weit wagte ich nun wirklich nicht zu gehen.
Langsam, behutsam und aufmerksam bewegte ich mich vorwärts. Ich lief nahe an den Gebäuden, erkundete sie teilweise auch von innen, wobei ich dies mit noch mehr Vorsicht tat. Manchmal schienen die Dielen zwar fest, waren aber doch schon morsch und legten dann plötzlich einen ungewollt schnellen Weg in den Keller frei – da waren mir die asphaltierten Straßen doch noch lieber, obwohl ich diesen Geruch nicht gerne mochte. Es stank mir zu künstlich, zu gewollt. Da bevorzugte ich die morschen Dielen und vor allem den Wald. In der freien Natur fühlte ich mich zuhause, vor allem eben umgeben von unzähligen Bäumen und Sträuchern. Überall neue Gerüche und ständig kleine Geräusche, oft nur von einer Maus oder gar einem fallenden Blatt. Der Wald war meine Heimat und deshalb genoss ich es sehr, dass unsere Siedlung diesem so nah war. Wann immer ich wollte, konnte ich dort hin und einfach gar nichts weiter tun… und nebenbei auf die Umgebung hören und vielleicht einen verirrten Menschen entdecken.
Gerade überquerte ich eine etwas größere Straße, um schnell wieder in zwielichtig wirkende Gassen zu kommen. Ich wollte nicht auffallen, nicht bemerkt werden und musste mich deshalb natürlich eher in kleinen Straßen, dunklen Ecken aufhalten. Ich bewegte mich inzwischen viel schneller, als noch am Anfang. Auch, wenn ich rannte war ich kaum zu hören und nahm genug von meiner Umgebung wahr. So wie jetzt: es hatte sich jemand bewegt, lief unsicher eine Straße entlang und atmete laut. Den Schritten nach zu urteilen war es eher ein Mann, er trat fest auf, obwohl er verängstigt zu sein schien. Ich blieb kurze Zeit regungslos stehen, schloss meine Augen – so konzentrierte ich mich besser – und versuchte meine Umgebung zu verstehen. Ich wollte mir ein Bild davon machen, wie weit der Mann entfernt war und welche Gegenstände und Gebäudereste um mich herum waren, die ich nutzen konnte. Ein leises Quietschen, metallene Geräusche waren zu hören. Vermutlich ein altes Gitter oder eine Feuertreppe. Rechts und links standen recht hohe Gebäude, direkt vor mir war ich schon an einen größeren Stein getreten, vermutlich ein Teil von einem der Gebäude. Der Mann war auf einer Straße ganz in meiner Nähe und kam näher. Gleich würde er die Kreuzung beider Gassen erreichen und das war für mich der Zeitpunkt zuzuschlagen. Seine Schritte wurden nicht langsamer, schienen nicht nach einer Richtung zu suchen und so schloss ich, dass er an meiner Straße einfach vorbei laufen würde, weiter gerade aus wollte. Dann fiel etwas zu Boden, die Schritte hörten kurz auf und der Mann atmete nochmals lauter. Scheinbar war er gerade unterwegs gewesen und hatte ein paar Ressourcen gesammelt und eine davon hatte er wohl fallen lassen. Auch jeder, der nicht das Gehör eines Achak besaß, hätte es wohl in nächster Nähe hören können. Ich horchte kurz, ob ich also noch ein anderes Wesen näher kommen hörte, öffnete dann meine stahlgrauen Augen und verzog den Mund zu einem leichten Schmunzeln. Der erste war für mich und jeden weiteren würde ich mitbringen ins Dorf. Aber der eine, den würde ich mir selbst nehmen. Vielleicht würde es mich ja auch von den Gedanken an Renesmee ablenken. Vielleicht lag es daran, dass ich seit einigen Tagen keine Nahrung mehr zu mir genommen hatte, dass ich so auf sie reagiert hatte.
Ich kauerte mich ein wenig zusammen, um unentdeckt zu bleiben, versteckt hinter dem Felsbrocken vor mir und in dem Augenblick, als der Mann den letzten Schritt an meiner Straße vorbei trat, drückte ich mich ab und sprang lautlos hinter ihm her. Ich packte ihn zunächst von hinten, drückte eine Hand auf seinen Mund, mit der anderen zog ich meinen Dolch heraus und riss und schnitt ihm den Kiefer aus dem Gesicht. Ein Laut, wie ein Schrei, gemischt mit einem Wimmern drang aus seinem Rachen, wurde dann aber schnell erstickt. Ich konnte sein Herz schlagen hören, laut, unsagbar schnell und hektisch. Panik, nackte Panik, Schmerz und Todesangst. Das Lächeln auf meinen Lippen verstärkte sich, während ich ihn schnell herumdrehte und gegen die nächste Wand schlug. Der dumpfe Aufprall seines Kopfes verriet mir, dass er vermutlich schon jetzt nicht mehr ganz klar war im Kopf, aber das störte mich weniger. So wehrte er sich auch in geringerem Maße. Meine Augen fixierten seine, während ich den Dolch an seine Kehle drückte, gerade so, dass kein Blut floss, und mir von der anderen Hand den blutigen Zeigefinger voller Genuss ableckte. Ich brauchte kein Blut und fand es auch nicht unglaublich schmackhaft, aber ich wusste, dass es ihn noch mehr in Panik versetzen würde und diese Qual gefiel mir.
Der Mann versuchte mich wegzuschlagen, ein kaum erkennbares Wimmern erklang und seine Hände drücken kraftlos, aber von Adrenalin gesteuert, gegen mich. Schnell wechselte ich meine Haltung, drückte ihm nun mit der Hand gegen die Kehle, während der Dolch einmal quer über seinen Arm gezogen wurde. Er zuckte und ich lächelte. Nun schlug ich ihn zu Boden, rammte meine Waffe in seinen Baum und legte meine Hand sanft auf seine Brust, auf sein wacker schlagendes Herz. „Sag lebwohl“, hauchte ich und vergrub anschließend meine Finger in ihm, drückte und saugte so an seinem Leben. Meine Augen waren geschlossen, mein Mund leicht geöffnet und ich spürte, wie das Herz in meiner Hand immer langsamer schlug, unregelmäßiger und irgendwann nur noch minimale, kurze Schläge von sich gab. Den Dolch zog ich wieder aus ihm heraus, verstaute ihn – dass er blutig war, störte mich recht wenig – und legte meine Hand an den Rest seiner Wange. Mit geöffneten Augen beugte ich mich tief über ihn, sah ihm ein letztes mal in die Augen und spürte dann, wie das Licht in den seinen erlosch. Seine Seele verließ den Körper und ich nahm sie mir, saugte sie auf und fühlte Vollkommenheit.
Überrascht und verärgert runzelte ich die Stirn. Da schien ein armer kleiner Mensch wohl von sich selbst sehr überzeugt zu sein, dass er mich so offen herausforderte und beleidigte. Es war lächerlich. Eigentlich sollte ich darüber lachen, aber der Mensch verärgerte mich wirklich. Wie konnte er es wagen?
Wut ballte sich in meinem Bauch auf. Ja, ich gab zu, ich war leicht zu provozieren, aber dieser Mensch war wirklich dreist.
Ich hob stolz das Kinn ein Stück und richtete meinen Blick auf das, was meinen anderen Sinnen zufolge sein Gesicht sein musste. Nicht aus irgendwelchem dummen Verlangen danach, Sehen zu können und zu wissen, wie irgendetwas aussah, sondern weil ich wusste, wie unheimlich ein toter Blick wirkte. Ich hatte es oft genug mitbekommen.
"Wenn du dir da so sicher bist, wie wäre es, wenn du gleich damit beginnst, mich von meiner Schwäche zu überzeugen", forderte ich mit leiser, sanfter Stimme und provozierendem Unterton. "Lass dich von uns nicht davon abhalten uns zu zeigen, wie stark die menschliche Rasse noch ist." Ich stieß ein kurzes Lachen aus und streckte beide Arme - in der einen Hand noch den schmalen Dolch - von mir in einer Geste des Hochmutes und der Aufforderung.
Ich hörte, wie er das Gesicht verzog - ich konnte, wenn ich mich anstrengte - fast jede Muskelbewegung hören, und hörte den Wind über sein spöttisches Gesicht streifen. Ich würde wetten können, er machte sich über den Ausdruck lustig, dass unsere Opfer noch blinder würden als wir. Wie wenig die Menschen Sarkasmus und Methaphorik verstanden. Außerdem war unsere Beute schon unfähiger als wir, bevor wir sie gefangen hatten. Unsere Sinne machten uns einfach überlegener.
Wie bitte? Ich würde eine wundervolle Nahrung abgeben? Oh nein, ganz sicherlich nicht. Nie im Leben würde ich mir meine Seele von einer Achak nehmen lassen oder mein Blut von einer Wachi aussaugen lassen, geschweige denn mich von irgendeinem dahergelaufenen Menschen zerschnippeln lassen. Konnten sie gerne mit jemand anderem machen, aber ganz bestimmt nicht mit mir. Nein. Auf keinen Fall. Die Drohung in der Stimme der Achak war wahrlich nicht zu überhören, aber wenn sie glaubte, dass ich mich von einer Horde weißhaariger Gespenster überrennen lassen würde, dann hatte sie sich da aber gewaltig und eigene Fleisch geschnitten. Aber ganz gewaltig. Ich zog meine Augenbrauen leicht in die Höhe, warf der Frau einen prüfenden Blick zu. Sie glaubte doch wohl nicht allen ernstes, dass ich mich einfach so kampflos in ihre Krallen begeben würde.. Konnte sie wirklich mehr als nur vergessen. "Ich glaube ich könnte gerade doch noch ein wenig an Abendessen gebrauchen. Wäre mal wieder eine willkommene Abwechslung den Schmerz einer Achak zu schmecken.. anstatt immer nur diese.. Menschen leiden zu lassen." knurrte ich mit einem nun auch drohenden Tonfall. Gefallen lassen würde ich mir das ganz sicherlich nicht.. Ich beobachtete jede Bewegung der Achak und auch von dem jungen Mann. Mir war durchaus bewusst, dass ich mich weiter in das Sichtfeld des Menschen vorgewagt hatte und nun auch so stand, dass Beide mich schnell angreifen könnten. Diesem Risiko war ich mir wirklich bewusst, aber ich liebte das Risiko und außerdem war es ja nicht so, als ob ich mich nicht verteidigen können würde. Irgendwo wollte ich damit auch- wenn auch vielleicht aus einer unbewussten, aber gewollten Handlung heraus- ein wenig provozieren, und zwar alle beide Wesen. Zumal ich sowieso lieber direkt, offen und frontal auf jemanden zuging, bevor ich mich irgendwie hintenrum anschlich und alles versteckt machte. War nicht so mein Fall, musste ich ganz einfach nicht haben. Die erhobenen Dolche des Mannes juckten mich momentan ehrlich gesagt auch noch kaum- solange er nicht anfangen würde mir damit vor der Nase herumzufuchteln, würde ich auch erstmal ruhig bleiben. Mittlerweile hatte die extremst, von Natur aus blasse Frau mit den blutroten Lippen aber auch damit begonnen, den Menschen anzugehen und ich ließ meinen Blick aufmerksam zwischen Beiden hin und her huschen, auf der Suche nach einer ausschlaggebenden Situation, die das immer voller und voller werdende Fass wohl irgendwann komplett zum Überlaufen bringen würde. Die Situation wurde immer angespannter und mit einer langsamen Bewegung holte ich mein Messer hervor, drehte den Griff in meiner Handfläche umher, während ich dem Menschen einen herausfordernden Blick mit meinen grünen Augen zuwarf. "Hohes Ross? An deiner Stelle würde ich meine Klappe nicht so weit aufreißen. Das könnte ziemlich schmerzhaft ins Auge gehen.." spottete ich, betonte dabei das Auge. War ganz klar eine Anspielung auf die Blindheit der Achak, aber auch darauf, dass sich Beide- Mensch und Achak- mit Schmerzen und Leid gefasst machen müssen würden, wenn sie das weiterhin so provozieren und herausfordern würden. Bis zu einem gewissen Punkt ließ ich mit mir spielen- aber irgendwann würde es auch ganz klar genug des Guten sein. Mehr als genug.. die Grenze war deutlich da, war deutlich gezogen- und überschritt sie jemand von ihnen, konnten sie sich auf etwas gefasst machen.. "Was willst du überhaupt im Wald, Mensch, hm?" fragte ich den Mann, konnte aber nicht verhindern, dass Hohn und Spott in meiner rauen Stimme mitschwangen. Ehrlich gesagt wollte ich das auch gar nicht verhindern.
Alles schien ruhig, bis ein lautes Geräusch ertönte. Es hörte sich an, als wäre etwas zu Boden gefallen. Ich überlegte, ob ich nachschauten sollte, was es gewesen war. Einige Sekunden verstrichen, in denen ich die Straße bergauf lief und nun nach rechts auf die Hauptstraße blickte. Ein Lächeln Stahl sich auf meine Lippen. Oh ja, warmes Männer. Das war, woran ich dachte, als ich diesen Mann, diesen etwas verzweifelten und in Eile scheinenden Mann sah. Er ließ etwas zu Boden fallen, dass ich von hier hinten jedoch nicht erkennen konnte. Aber das war auch egal. Er war abgelenkt und somit einfach zu kriegen. Leise trat ich aus dem Schatten des Hauses hervor. Ich bewegte mich leise vor, sodass er mich wohl kaum hören konnte. Nach einigen Schritten hielt ich jedoch inne. Irgendwas lag in der Luft, was ich nicht deuten konnte. Oder ich bildete mir etwas ein. Es lagen noch über 15 Meter zwischen meinem zukünftigen Essen heute und mir, als jemand aus dem Schatten sprang. So schnell, dass ich gar nicht realisierte, was geschah. Reflexartig wich ich zur Seite, möglichst in den Schutz eines Hauses. Mein Blick war erstmal der Leere gewidmet, ehe ich ein wenig geschockt ausatmete. Meine Neugier jedoch brachte mich dazu, wieder hinzusehen. So trat ich ein klein wenig hervor, um Sicht auf das Geschehen zu haben. Täuschte ich mich? Nein, das war Elija. Es war der Achak, den ich soeben vor dem Wald getroffen hatte. Aber wo war Nerea? Sie schien nicht da zu sein. Im nächsten Moment tat er etwas, das ich wirklich nicht gedacht hätte. Oh ja, grausam war das richtige Wort. Es kam mir beinahe wie eine Folter vor, der ich nur mit entsetzten Augen zuschauen konnte. Sogar meinen Blick könnte i h nicht abwenden. Im letzten Moment, als Elija den Mann, den ich zuvor als essen angesehen hatte, so aus dem Gefecht gebracht hatte, saugte er ihn förmlich auf. Oder eher gesagt seine Seele. Ein leises, entsetzten Stöhnen trat aus meinem Mund. Einen Achak beim Jagen zu sehen.. daran hatte ich nicht gedacht und am liebsten hätte ich es auch nie gesehen.
Einen kurzen Augenblick verweilte ich reglos über ihm, genoss diese unsagbar schöne Gefühl und atmete tief durch. Dann zog ich meine Finger aus seinem Körper und konnte fast schon zusehen, wie dieser zerfiel. Es war typisch, dass der menschliche Körper nicht in seiner normalen Form bestehen blieb, wenn die Seele entnommen wurde und somit war es für mich nur ganz normal. Ich stand wieder auf, griff dann nach einem Arm des Toten und brachte ihn in die Gasse, in der ich eben gewesen war. Ich lehnte ihn halb an eine Wand, halb an etwas, das ich für einen großen Müllcontainer hielt und kniete mich anschließend vor ihm nieder. Achak waren nicht unbedingt Wesen mit einem Gewissen, aber ich ließ die Menschen nicht einfach sterben und dann irgendwo auf der Straße liegen. Ich wusste, dass es für mich wichtig war Seelen zu nehmen, doch trotzdem fühlte ich mich schlecht dabei. Es war falsch darüber zu entscheiden, dass ich leben sollte und mein Opfer sterben musste und wenn es eine andere Möglichkeit geben würde, würde ich sie vielleicht auch leben lassen. Ich aß generell nur, wenn es nötig war, wenn ich Stärke brauchte oder mich wirklich ausgehungert fühlte. Und heute hatte ich gegessen, um Kraft zu haben, um von der Wachi abzukommen – die übrigens noch immer in meinem Kopf herumschwirrte.
Aus meiner Jackentasche zog ich den Dolch und einen getrockneten, alten Lavendelstrauch. „Beskytte kroppen, ta ham på. Hold ham og, gi ham udødelighet”, wisperte ich in meiner Muttersprache, schnitt mir in den Zeigefinger und drückte anschließend mit diesem und dem Lavendel auf sein Herz. Ich schloss seine Augen, wiederholte die Worte und verstaute meine Gegenstände wieder. Jetzt würde ich mir in einem der Häuser ein Tuch suchen und vielleicht etwas Wasser, um mich zu säubern und dann musste ich weiter Jagen gehen.
Ich schritt also erneut auf die Straße, wo ich mich genährt hatte und beschloss eben noch die Dinge zu untersuchen, die der Mann mit sich getragen hatte. Vielleicht war ja etwas Hilfreiches dabei, das ich gebrauchen konnte. Gerade, als ich mich gebückt hatte und nach der ersten Dose gegriffen, spürte ich es. Ich hielt in der Bewegung inne und sah reflexartig über die Schulter. Da stand sie. Ich war zunächst nicht sicher, ob es Renesmee war, aber die Präsenz einer Wachi war so deutlich für mich, dass ich darauf hoffte, dass sie es war. Oder nein, eher hoffte ich, dass sie es nicht war. Noch waren meine Hände blutverschmiert und wenn sie schon länger dort stand, hatte sie vermutlich auch meine Nahrungsaufnahme mitbekommen. Das war schlecht. Das sollte sie nicht und vermutlich sollte ich sofort aufspringen und sie töten, aber ich tat es nicht. Ich wandte meinen Blick wieder nach vorne, legte die Dose in meiner Hand ab und erhob mich langsam und würdevoll. Anschließend drehte ich mich zu ihr um, hörte auf den Wind und machte in etwa ihre Position aus. „Stehst du schon lange da?“, fragte ich zunächst. Da ich sie aber nicht bemerkt hatte zuvor, ging ich davon aus, dass sie alles mit angesehen hatte und legte den Kopf ein wenig schief. „Hat dir die Show denn gefallen?“, sprach ich weiter und schob lässig meine Hände in die Taschen meiner dunklen Jeans. Ich war frisch genährt und somit stärker als die meiste Zeit. Auch, wenn ich zu spät reagieren würde auf einen Angriff, würde es mir vermutlich keine Probleme bereiten diese Wachi zu töten. Ob es Renesmee war, wusste ich noch immer nicht mit Sicherheit. Dafür war einfach zu viel Abstand zwischen uns in diesem Augenblick.
Für mich spielte sich alles in Zeitlupe ab. Das, was sich vor meinem bloßen Auge abspielte, ja, sogar meine Gedanken waren wie blockiert. Ich realisierte das alles ziemlich langsam und blinzelte ein paar mal, um mir bewusst zu sein, dass ich das gerade eben gesehen habe. Dieser Anblick des beinahe 'zermetzelten' Körpers war zwar nicht erschreckend für mich, da ich selbst ja nicht besser war. Ich ernährte mich schließlich auch vom Blut anderer und brachte diese wohl oder übel um. Das gehörte eben zum Überleben dazu und war nicht ausgeschlossen. Aber irgendwas an diesem Bild schockte mich. War es die Tatsache, dass ich erkannt hatte, wie gefährlich die Achak waren? War es die Tatsache, dass ich gerade Elija dabei gesehen hatte, wie er die Seele eines anderen in sich aufsog? Ich hatte einfach nicht damit gerechnet. Generell hatte ich nicht damit gerechnet, diesem Achak wieder so schnell über den Weg zu laufen. Ja, meine Hoffnung war gerade zu nicht vorhanden gewesen, dass ich daran glaubte. Ich stand also einige gefühlte Minuten - dabei waren es nur Sekunden - fast ganz reglos da, musste das alles verarbeiten. Krass.., war wohl das einizige, dass ich dachte- falls ich überhaupt einen richtigen Gedanken fassen konnte. Von einen auf den anderen Moment jedoch war ich wieder komplett da. Jetzt schwirrten mir tausende von Gedanken durch den Kopf. Gute und schlechte. Soll ich schnell weg, bevor er mich bemerkt?, war einer der Gedanken. Ich als Wachi konnte durchaus lautlos umherschleichen. Wir waren zierlich und ziemlich leise. Bevor ich auch nur handeln konnte, hörte ich eine Stimme - Elija's Stimme. Sie jagte mir eine leichte Gänsehaut ein und ich fragte mich, wie er mich so schnell bemerkt hatte. Stehst du schon lange da? ... Oh ja, länger als mir lieb ist., waren meine leisen Gedanken, die nur ich hören konnte. Und dann fragte er mich ernsthaft, ob mir die Show gefallen hatte. Zum ersten Mal war ich etwas unsicher, ob ich antworten sollte. Nicht, dass meine Stimme in irgendeiner Weise zerbrechlich klang oder so.. dann würde er mich doch nur als schwach ansehen. Naja er war ja jetzt zumindestens wohl genährt. Meine Lippen öffneten sich ein wenig, während mein Blick an seinem Körper herabglitt. Es war das Blut, dass mich so sprachlos machte. Das Blut, dass an seinen Händen und Armen klebte. An den Händen, die er jetzt so selbstverständlich und gleichzeitig blutverschmiert in die Taschen steckte. Das Blut eines Mannes.. Rechtzeitig bemerkte ich, wie ich in eine Art Trance verfallen war, die der Hunger verursacht hatte. Ruckartig hoch ich meinen Kopf, schloss wieder den Mund und versuchte so gut wie möglich meinen Blick an seinen Augen weilen zu lassen, damit die Gier nach frischem Blut nicht noch größer wurde. Wie gesagt. Ich war nicht so enorm hungrig, dass ich mich sofort auf den Mann stürzen würde, aber trotzdem brachte mir der nahe Anblick dessen, was sich vor mir abspielte, in den noch größeren Hunger. Ich schluckte, bevor ich mit möglchist kräftiger und gleichgültiger Stimme antwortete. ''Sehr amüsamt.'' Nun gut. Das klang vielleicht ein bisschen kühl. Vielleicht ein wenig zu kühl, als es eigentlich sollte. Mich überraschte es auch ein wenig, dass er in alleiniger Anwesenheit so locker war. Das hätte ich von ihm nicht erwartet. Moment-allein?, schoss es mir blitzartig in den Kopf. Meine rechte Hand wich ruckartig zu meinem Dolch, der hinter meinem Cardigan versteckt war, während ich einen Schritt rückwärts ging und meinen Blick von links nach rechts schweifen ließ. Ein paar mal, um sicher zugehen, dass er wirklich alleine war und das kein Hinterhalt war. Was war, wenn dies eine Falle war, sie mich absichtlich hierher gelockt hatten und Nerea im nächsten Moment um die Ecke gesprungen kam, um mich ebenfalls zu töten?
Ich hörte die Worte des Kailasa und wieder stahl sich ein grausames Lächeln auf meine blutroten Lippen. Er glaubte doch tatsächlich, dass er mir nicht nur entkommen konnte, sondern mir auch noch Schmerzen zufügen konnte. Wie vermessen und naiv. "Dann versuche es doch. Auch du bist herzlich eingeladen, mich anzugreifen", erwiderte ich und mein Mund verzog sich zu etwas, das dem puren Blecken der Zähne nahe kam.
Die Situation lief doch super. Ich hatte zwei potenzielle Opfer vor der Nase, jedes von ihnen gegen mich aufgebracht und nun provozierten sie sich auch noch gegenseitig. Wenn ich Glück hatte, fielen sie sich selber an und vergaßen, dass ich sie währenddessen leicht ausschalten konnte. Wie schön es doch war, dass der Mensch auch ihn so provozierte.
Dass all das, die ganze Situation - dass ich eine Frau war, dass ich alleine jagen war, dass ich mich gleich zwei Wesen zeigt und sie offen provozierte, anstatt sie gleich zu töten und noch vieles mehr - , gegen die Traditionen meines Stammes war, störte mich nicht. Diese Traditionen waren veraltet und mussten verändert werden. Wir lebten nicht mehr in einer Zeit, in der es reichlich Menschen und Opfer gab, und hatten keine Gelegenheit so viel unserer Zeit zu vergeuden, wie es traditionell war.
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