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Ich wollte Renesmee noch antworten, aber das wurde dann von der anderen Achak übernommen. Es wunderte mich, dass sie von dem Kailasa Abstand nahm und auf uns beide zukam, wunderte mich, was sie denn plötzlich wollte. Wir kannten einander kaum, waren eben einfach nur Teile des gleichen Stammes und damit irgendwie miteinander verbunden. Trotzdem konnte sie ihren Kram machen und ich kümmerte mich um meinen eigenen. Wen sollte das schon groß stören? Ich hatte keinerlei Probleme damit, wenn sie sich mit den Anwesenden beschäftigte und ich mich mit Renesmee zusammen wieder verzog. Damit war immerhin die Aufmerksamkeit nicht bei uns und es würde im Zweifel nur der Achak auffallen, dass wir verschwanden, bis sich die anderen wunderten, dass wir weg waren. Aber naja, dann waren wir ja eh schon weg und ich bezweifelte, dass einer der Menschen sich freiwillig auf die Suche nach uns beiden machte – wir stellten immerhin eine Gefahr da, obwohl wir um einiges friedlicher waren, als die beiden übrigen Wesen. Und der Kailasa? Der würde vielleicht nach Renesmee suchen, aber da seine Aufmerksamkeit und sein Interesse eindeutig bei der Menschenfrau lagen, war auch das sehr unwahrscheinlich. Und die Achak hatte doch eigentlich zu viel Spaß daran den Kailasa zu provozieren. Hatte. Jetzt war ich es, der ihre gesamte Aufmerksamkeit bekam, allerdings nicht in dieser stichelnden, provozierenden Art, sondern ernsthaft und auf andere Weise aufmerksam. Ihre Worte waren ziemlich leise, wohl kaum hörbar für jemanden der Anwesenden. Abgesehen von Renesmee vielleicht noch, wobei sie es vermutlich auch nicht gehört hatte, wenn sie sich nicht ein wenig anstrengte. Achak sprachen leise miteinander, nicht immer so leise, wie jetzt gerade, aber es war durchaus von großem Vorteil, dass wir uns auch so ohne Probleme verstehen konnten.
Ihre Worte irritierten mich allerdings. Ich hatte das Dorf verlassen, bevor der Sturm gekommen war und hatte vor gehabt erst nach dem Ende dieses Unwetters wieder zurück zu gehen und nach dem Rest von meinem Stamm zu schauen. Ich war durchaus sehr loyal, ziemlich auf die anderen fixiert und mir auch sicher, dass ich mich nicht freiwillig von einem von ihnen trennen würde. Ich stand voll und ganz hinter unserem Anführer und würde ohne Frage mein Leben für ihn geben – nur was genau meinte die Achak? Ein ungutes Gefühl kam in mir auf. Wenn es nichts Ernstes war, wäre sie nicht extra gekommen, um mit mir zu sprechen. Ihre Spielchen mit dem Kailasa waren meiner Beurteilung nach ziemlich amüsant gewesen für sie und nur etwas wirklich Wichtiges wäre es wohl wert diese zu unterbrechen. „Was meinst du? Was ist los?“, fragte ich zurück, ebenso leise und kaum hörbar, wie sie es getan hatte. Mir war relativ egal, ob die anderen jetzt abhauten oder versuchten uns zu belauschen. Mir war auch egal, was Renesmee jetzt dachte. Meine Aufmerksamkeit galt der Achak vor mir, alles andere um mich herum schaltete ich aus – als eine große Gefahr sah ich aber auch niemanden von hier. Keiner schien wirklich darauf aus zu sein groß zu kämpfen und sich mit uns anzulegen und selbst wenn, würden wir es bemerken, bevor sie uns erreicht hatten. Der Geruch veränderte sich, die ganze Luft schien anders zu sein, wenn jemand angreifen wollte und irgendwie hatte ich immer das Gefühl, als wäre es fast greifbar, was der Angreifer in diesem Moment dachte. Außerdem wären die Schritte unverkennbar und das Ziehen der Waffen laut wie Schreie in meinen Ohren. Nein, also es war keine Gefahr, wenn ich mich jetzt auf die Achak konzentrierte und alles andere in den Hintergrund wandern ließ. Was war mit unserem Anführer? Was war mit dem ganzen Dorf? In meinem Kopf schien plötzlich vollkommene Leere zu sein, ich konnte mir nichts mehr vorstellen, was sein konnte, was wirklich realistisch war. Sie konnten nicht tot sein, dem Sturm zum Opfer gefallen. Niemals alle, vielleicht ein paar wenige, aber niemals alle.. und unser Anführer, unser Herrscher, das Oberhaupt, er würde uns niemals im Stich lassen. Er war das Glied, was uns alle zusammen hielt. Er führte das Volk und schenkte uns Sicherheit. Wie sollte unser Dorf ohne ihn bestehen? Nein, nein. Er würde uns nicht im Stich lassen. Nicht, wie meine eigenen Eltern.
Ich hatte jetzt eigentlich auf eine Antwort von Elija persöhnlich gewartet, dies sogar erwartet, weil ich immerhin mit ihm gesprochen hatte, aber nein, da mischte sich wirklich die Achak ein, weil sie sich anscheinend die Erlaubnis dazu nahm. Nur, weil sie vielleicht so ein gutes Gehör hatte, dass sie jedes kleinste Flüstern einer anderen Person vernehmen konnte?! Und nur, weil sie alle Geräusche drum herum ohne weitere Anstrengung wahrnahm, während andere Leute das erst später hörten? Ein wenig dreist fand ich dies schon. Da konnte man ja noch nicht mal drauf hoffen, hier in diesem Gebäude private Gespräche führen zu können, ohne dass gleich jemand um die Ecke stehen und zuhören könnte! Ihre Antwort wäre wirklich nicht nötig gewesen. Nein, wirklich nicht. Und dieser Unterton in ihrer Stimme verriet dass sie nicht gerade auf Freundliches hinaus war. Was war denn bitte ihr Problem? Meint sie jetzt, ihre Laune ebenfalls an anderen Leuten auslassen zu müssen? Soll sie doch gefälligst ihre Ohren wo anders hinstecken, dachte ich mir in dem Moment wirklich leicht wutentbrannt, weil ich sowas einfach nicht leiden konnte und auch nicht dulden lassen wollte. Das hatte sie nämlich rein gar nichts zu interessieren. Ja gut, vielleicht übertrieb ich in diesem Moment ein wenig, doch hatte sie nicht so eine bissige Antwort abzugeben, wenn ich denn gar nicht mit ihr sprach. Und ich war nunmal nicht so hellhörig wie sie, was mir ja wirklich leid tut - nicht. Ich musste echt nicht so hellhörig sein, denn ich wollte nicht so enden wie sie und schon gar nicht so selbstsicher und bissig rüber kommen wie sie. Da war ich doch lieber eine Wachiwi. Und nein, gegen Elijas Rasse im Allgemeinen war das jetzt kein Vorwurf..
Den Unterkiefer leicht aufeinander pressend wandte ich mich zu ihr um, um einige Worte anzusetzen, die ich ihr jetzt gerne entgegengeworfen hätte. Aber sie sprach schon gleich weiter und widmete ihre Aufmerksamkeit dem Achak neben mir, dessen Gedanken doch tatsächlich gleich zu ihr sprangen, als wäre sie nun wichtiger und besonderer und ach.. Ich sollte mich wirklich nicht an bestimmte Personen binden. Genau das geschah dann meistens. Gerade aufgrund der Tatsache, dass ich mein halbes Leben lang alleine bin, nur einigen Personen flüchtig über den Weg laufe oder diese gleich aussauge, neige ich auch oft dazu, besitzergreifend zu werden. Zumindestens habe ich das Gefühl. Tja und deswegen ermahnte ich mich wieder einmal selbst, Elija doch seine Sache machen zu lassen und die eigenen Gedanken wieder zu ordnen. Mit einem letzten leicht abschätzenden Blick musterte ich die Achak, wandte dann meinen Blick ab und trat einen Schritt von Elija weg. Er schien sowieso beschäftigt zu sein. Mit einem Ohr horchte ich immer noch deren Gespräch so gut es ging, mit dem anderen war ich darauf gefasst, irgendein anderes, winziges Geräusch aus Richtung Treppe wahrzunehmen und nicht zu verpassen. Elija und die Andere schienen sich irgendwie über den Stamm zu unterhalten, weshalb ich sowieso nicht mitreden konnte.
Meine Worte schienen die junge Frau etwas skeptisch zu stimmen. Gut, okay.. anders konnte es ja auch fast nicht sein. Ich hatte sie gewürgt und sie hatte mir ja schon auch wirklich mit der Bratpfanne demonstriert, dass ich ihr nicht noch ein weiteres Mal so nahe kommen sollte und es auch ja nicht wagen sollte, sie noch einmal in irgendeiner Weise zu berühren. Hatte ich gerade auch wirklich nicht vor. Der Schlag mit der Pfanne hatte mir für das Erste echt ausgereicht. Mein Kopf dröhnte immer noch und der stechende Schmerz in meinen Schläfen schien sich auch nicht in den nächsten paar Minuten verflüchtigen zu wollen. Leider. Die junge Frau schien verunsichert zu sein, vermutlich dachte sie, ich würde mich ihr gerade nur zuwenden, weil ich sie wieder so um den Finger wickeln wollte um sie anschließend wieder so leiden zu lassen, sie wieder so zu quälen. Hatte ich aber echt nicht vor. Und genau genommen.. ich wusste selbst nicht einmal so genau, warum ich mich nicht einfach den schier unendlichen Provokationen der Achak hingab, sondern hier gerade doch ziemlich ruhig versuchte, mich nur mit Pandora zu.. unterhalten. Falls man das den unterhalten nennen konnte. Sie interessierte mich irgendwie. In gewisser Weise wollte ich mehr über sie wissen und sie hatte einfach eine komplett andere Wirkung auf mich wie andere Menschen und Wesen. Sonst hätte ich sie doch auch niemals am Leben gelassen, sie sogar in ein Haus getragen- oder? Ihre Worte allerdings ließen mich aus meinen Gedanken wieder auftauchen, sie mit meinen grünen Augen aufmerksam anschauen. Ja, doch.. ich würde schon sagen, dass sie meine Aufmerksamkeit verdient hatte. Und warum ihr diese Ehre gebührte? Sollte ich ihr jetzt ernsthaft sagen, dass sie mich in irgendeiner erstaunlichen Art und Weise faszinierte? So, wie ich noch nie von irgendjemandem sonst fasziniert gewesen war? Selbst wenn diese Worte jetzt über meine Lippen kommen würden, würde sie sie mir doch eh niemals abkaufen. Wieso sollte sie das auch tun? Und genau um das auch noch ein wenig zu unterstreichen, meinte sie doch ernsthaft, dass mir mein Kopf ja immerhin doch ziemlich dröhnen musste. Klar tat er das. Aber warum sollte mich das davon abhalten, ihr meine Aufmerksamkeit zu schenken? Als sie allerdings die Bratpfanne demonstrativ noch ein wenig höher hob, glitt mein Blick von ihren blauen Augen zu eben jenem Ding, das sie mir über den Kopf gezogen hatte. Ihre Hand schien sich dermaßen um den Griff zu verkrampfen, dass ihre Knöchel schon fast ein wenig weiß herausstachen. Sollte das jetzt heißen, dass sie mir nochmal eine überziehen würde, wenn ich sie jetzt nicht sofort in Ruhe lassen würde? Aus den Augenwinkeln nahm ich wahr, dass die Achak sich zu dem anderen Achak und an Renesmee gewandt hatte- anscheinend hatte sie die Lust daran verloren, mich weiterhin zu provozieren. Was mir eigentlich nur recht war, sie war mir echt wahnsinnig auf die Nerven gegangen. Tat sie ja mit ihrer bloßen Anwesenheit immer noch. Aber so konnte ich mich wenigstens ein wenig entspannen, wenn sie mir nicht ständig irgendwelche absurden Sachen an die Stirn warf, die mich nur noch wütender werden ließen. Ich kniff kurz die Augen zusammen, dann wandte ich Pandora wieder meinen Blick zu. „Würde ich sonst mit dir reden?“ antwortete ich also nur knapp, mit leicht rauer Stimme. Wobei ich dem anderen Teil ihrer Frage ausgewichen war, sie schlicht weg ignoriert hatte. Was sollte ich denn da schon drauf sagen?
Der junge Mann war Panda gefolgt, als diese ihren Standort gewechselt hatte. Und ehrlich gesagt konnte er sich einfach kein Grinsen verkneifen, als sie dem Kailasa eins mit der Bratpfanne überzog. Das war einfach so absurd. Das zierliche Mädchen gegen diesen rießen Kerl und doch schien sie ihm damit ordentlich erwischt zu haben. Eine Tat auf die sie wirklich stolz sein konnte. Wobei es ja nicht das erste mal war, dass sie Gebrauch von diesem 'Gerät' machte. Und es schien wirklich gut zu ihr passen, zumindest konnte das Mädchen sehr gut damit umgehen. Also warum nicht als Waffe hernehmen? Amüsant war es auf jeden Fall. Allerdings verschwand seine belustigte Laune ziemlich schnell wieder. Sie befanden sich noch immer in einer gefährlichen Situation und das sollte er nicht unterschätzen. Vor allem hatte man nun auch noch etwas von dem Treppenhaus gehört. Dort befanden sich also auch noch Leute. Innerlich hoffte Jareth jedoch das es sich dabei um Menschen handelte, würde zumindest zu deren Verhalten passen sich lieber zu verstecken als her zu kommen. Denn die anderen Wesen machten doch den Eindruck auf den jungen Mann, als wären sie alle sehr angriffslustig. Na gut, die Wachi konnte man noch als normal durch gehen lassen. Aber eine Verbündete war sie deswegen trotzdem nicht. Also blieb es bei dem Stand. Die drei Menschen gegen den Rest in diesem Raum. Keine schönen Aussichten. Etwas frustriert fuhr sich der junge Mann schließlich durch sein dunkles Haar, ehe er auch schon wieder Zoe vor sich schob und seine Arme um sie legte. Ob er das kleine Mädchen in irgendein Zimmer schmuggeln konnte? Immerhin fiel sie den anderen bestimmt nicht so auf, wie es die anderen Erwachsenen taten. Also vielleicht hatte er eine Chance sie zu verstecken. War nur die Frage wo. Und natürlich wie, sollte ja niemand mitbekommen wenn er die Kleine wohin brachte. Vorerst drückte er das Mädchen jedoch fest an sich, während er sich einen Plan überlegte. Sein Gehirn schien in einer solchen Stresssituation allerdings nicht sehr kreativ zu sein. Fast verzweifelt wandte er schließlich seinen Blick zu Pandora und starrte die junge Frau an. Ehrlichgesagt tat er sich schwer Panda und dem Kailasa zu folgen. Was genau war das bitteschön für ein Gespräch? Ein bisschen beängstigend, fand er. Auch wenn die junge Frau dem Kerl eins übergezogen hatte und ihm vorher sichtbar verängstigt erschien, redete sie nun mit dem Kailasa als wären sie … naja, als würden sie sich eben besser kennen. 'Sie haben meine Aufmerksamkeit nicht auch nur annähernd verdient'. Diese Worte verwirrten den jungen Mann wohl am meisten. Und es machte ihn sichtlich fertig, dass er bei diesem ganzen Chaos keinen Durchblick hatte. Durfte man ihm ja eigentlich nicht verübeln. Denn langsam wusste er wirklich nicht mehr welchen Geschichten er glauben sollte. Gut, der Typ hatte Panda weh getan, das konnte man nicht leugnen. Die Würgemale hatte sie sich sicher nicht selbst zugefügt. Trotzdem tat der Kailasa gerade so als wäre die junge Frau für ihn von größerer Bedeutung. Als wäre sie nicht nur eins seiner Opfer gewesen. Was wiederum erklärte, dass er sie am Leben gelassen hatte. Nur Pandas Reaktion passte in dieses ganze Schema nicht rein. Sie schien zumindest so als wäre sie nicht gerade von seiner Anwesenheit angetan. Aber okay, irgendwann würde Jareth schon noch herausfinden was da eigentlich los war. Währendessen versuchte er die Beiden einfach weitgehend zu ignorieren – Zumindest den Kailasa, Panda schien diesen ja zumindest so unter Kontrolle zu haben, dass er sie nicht angriff – Stattdessen richtete er seinen Blick auf die beiden Achaks und die Wachi. Alle drei schienen den Menschen jedoch keine große Beachtung zu schenken. War doch ein bisschen frustrierend zu wissen, das man nicht als wirkliche Gefahr wahr genommen wurde. Noch frustrierender war es wohl, das dies nunmal der Wahrheit entsprach. Sie hatten diesen Wesen nichts entgegenzusetzen und das bereitete dem jungen Mann langsam doch etwas Angst. Jareth hatte nicht vor hier zu sterben. Und genauso wenig wollte er seine Schwester verlieren, das würde er ohnehin nicht verkraften. Als er spürte wie Zoe langsam anfing zu zittern beugte er sich zu dem Mädchen runter und drückte ihr einen Kuss aufs Haar. Ob sie nun fror oder Angst hatte wusste er nicht. Das einzigste was ihm langsam klar wurde war, das er sie hier wegbringen musste. Irgendwo hin wo es warm war und kein anderes Wesen auf sie lauern konnte. Irgendwo in Sicherheit.
Ich stockte leise bei seiner Reaktion. Er wusste es wirklich noch nicht und ich wusste nicht, ob ich es richtig würde ausdrücken können, aber ich musste es ihm sagen. "Er hat den Befehl an alle gegeben, dass wir uns während diesem verfluchten Sturms alleine durchschlagen sollen und er hat den Stamm in seine Einzelteile zerlegt", zischte ich mit plötzlicher, aber leider hilfloser Wut. Niemals hätte ich diese gegenüber meinem Anführer empfinden wollen, aber in dieser Situation konnte ich nicht anders. Es war eine reine Folter für jeden loyalen Achak. "Er hat uns allerhöchstens zu dritt aus dem Dorf geschickt. Alle - komplett jeden." Ich holte tief Luft. Ich konnte es immer noch nicht fassen. Und wahrscheinlich war ich auch genau deshalb jetzt alleine unterwegs. Ich wollte nur in der Gemeinschaft unseres gesamten Stammes sein, wenn ich mich für einzelne Wenige entscheiden musste - ich konnte es nicht. So selbstsicher, vorlaut und arrogant, aggressiv, rücksichtslos ich auch auf andere Wesen - wie die meisten hier Anwesenden - wirken mochte, ich war kurz davor zusammenzubrechen. Hier auf diesem Boden - in einem Menschenhaus, in Mitten etlicher Wesen, die meine Schwäche wahrscheinlich ausnutzen wollen würden. Ich wollte einfach mich einfach nur noch verkriechen und heulen, bis der Sturm vorbei war und ich vielleicht doch noch darauf hoffen konnte, Reste unseres Dorfes und unseres Stammes zu finden. Ich schluckte still und hoffte einfach, dass man mir all das nicht zu sehr ansah. Der Achak vor mir würde es spüren, aber er würde es auch verstehen. Vielleicht ging es ihm ebenso. Aber keiner der anderen sollte bemerken, in welchem Chaos ich mich befand, oder das gar kommentieren oder versuchen, auszunutzen. Das sollten sie bloß nicht wagen. Es würde ihnen nicht gut bekommen. Ich merkte jetzt schon, dass dieser Gefühlscoktail in Hysterie und Zorn und Überstürzung umzukippen drohte.
Würde ich sonst mit dir reden? Natürlich nicht. Das war zwar nicht unbedingt die Antwort die ich hatte haben und hören wollen, ebenfalls nicht die komplette Antwort, aber damit würde ich mich wohl oder übel zufrieden geben müssen. Zumindest wenn das Gespräch langsam aber sicher dem Ende entgegen gehen sollte - und das sollte es, wirklich. Andererseits verunsicherte mich seine komplette Art einfach total. Zuerst brachte er mich dazu mich ihm auch nur ansatzweise zu öffnen, nachdem ich versucht hatte ihn abzuwimmeln, dann würgte er mich bis zur Bewusstlosigkeit, ich wachte in einem fremden Haus auf, zugedeckt mit einer Decke, auf einem abgewetzten, aber noch brauchbaren Sofa und wusste nicht wie ich dort hin gekommen war - da Samira es wohl ganz offensichtlich nicht gewesen war, wie sie mir kurz darauf weiß gemacht hatte. Nun standen wir hier, er machte sich lustig über mich, wollte sich aber doch mit mir unterhalten, bekam eine Pfanne übergezogen und ließ sich von der Achak provozieren, während er mir ziemlich ruhig gegenübertrag. Mir, die ich ihm eine Pfanne über den Kopf gezogen hatte, was ganz schön für Brummeln gesorgt zu haben schien. Ich wollte gar nicht wissen wie sein Kopf dröhnte, dafür hielt er sich ja wirklich noch ziemlich gut auf den Beinen und tat so, als würde es nicht sonderlich schmerzen. Zumindest kam es mir so vor. Vielleicht hatte ich auch doch weniger fest zugeschlagen wie ich vermutet hatte. Wie dem auch sei, im Endeffekt spielte das gar keine Rolle. Es hatte erst einmal dazu geführt, dass der Abstand zwischen ihm und mir sich vergrößert hatte und das war genau das gewesen was ich hatte haben wollen. Naja, nicht ganz; noch lieber wäre es mir natürlich, wenn er mich gar nicht mehr beachten würde. Woher kam sein Interesse? Wieso konzentrierte er sich nicht auf jemand Anderen, hier waren immerhin genug denen er sich zuwenden konnte. Meiner Ansicht nach zumindest. Seufzend zuckte ich ein kleines wenig mit den Schultern, was sollte ich denn darauf jetzt auch sagen? Erneut würde ich ihn nicht bitten mich in Ruhe zu lassen, er tat es nicht.. nicht, solange ich ihn immer wieder darum anbettelte zumindest. Vielleicht musste ich es ja anders angehen? Nur wie war die Frage. Einfach ignorieren? Und dann? Dann wurde er vielleicht doch wieder wütend. Wobei er mir gerade wirklich nicht so schien, als wäre es tatsächlich darauf aus mir noch einmal etwas anzutun. Aber ich hatte letztes Mal schon den Fehler begangen ihm zu vertrauen, das würde mir nicht noch einmal geschehen. Hier weiter herumstehen? Auch nicht wirklich eine Option die mir gefiel. Das stieg mir gerade ja schon wieder alles zu Kopf, ehrlich.. "Ich... kann das nicht, okay? - Ich will nicht mit dir sprechen, nicht hier sein. Aber wir kommen hier Beide nicht raus, also.." ich stockte einen Moment, zuckte unbeholfen mit den schmalen Schultern "..wir könnten uns einfach gegenseitig ignorieren. Keine Pfanne mehr, keine Berührungen mehr, keine Aufmerksamkeit mehr..", startete ich einen ziemlich.. lächerlichen Versuch die Situation zu beenden, aber mir fiel einfach nichts besseres ein. Gar nichts, mein Kopf war leer.
Das war unmöglich. Es konnte einfach nicht wahr sein, was sie da sagte und mein Kopf schien zu explodieren, während ich die Worte und vor allem deren Tragweite begriff. Ich begann kaum merklich meinen Kopf zu schütteln, wandte den toten Blick auf den Boden und ließ die Worte einen Moment einfach wirken. Er hat den Stamm zerschlagen , hallten die Worte der Achak in meinen Ohren wider. Das bedeutete, dass es für mich keine Heimat mehr gab, kein Ort, den ich ein zuhause nennen konnte und so gesehen auch keine Familie mehr. Aber wie konnte er das tun? Unser Stamm war stark, hielt immer zusammen und.. und er konnte doch nicht einfach jeden auf seinen eigenen Weg schicken. Mein Herz schlug immer schneller in meiner Brust, als wollte es sich meinem fast explodierenden Kopf anschließen und ich richtete meine Augen wieder auf die der Achak vor mir. Jetzt, wo sie mir so nah stand, konnte ich ihre eigene Verzweiflung spüren. Nach Außen hin versteckte sie sie vor den anderen Wesen, vermutlich hatte sie auch deshalb den Kailasa so sehr herausgefordert. Um sich abzulenken und einfach nicht an das, was mit unserer Heimat passiert war, nachdenken zu müssen. Aber ich spürte, dass sie es ebenso wenig verkraftete, wie ich. Und das, obwohl sie ein wenig Zeit gehabt hatte, um sich mit dem ganzen Gedanken anzufreunden. Ich griff nach ihrer Hand und drückte sie sanft. Ich wollte ihr zeigen, dass ich für sie da war. Ich meine, wir kannten uns kaum, wussten nicht mal die Namen des jeweils anderen, aber doch war sie ein Teil meines Volkes… nein.. sie war so gesehen alles von meinem Volk, was mir jetzt noch geblieben war. Wenn wirklich alle in kleinsten Gruppen zerstreut worden waren, waren einige von ihnen sicherlich dem Sturm zum Opfer gefallen. Wie sollten denn die Frauen, die nur im Dorf gewesen waren, mit Vertrauen, dass die Krieger und unser Anführer sie beschützten, sich alleine bei dem Sturm verhalten? Wie sollten sie es schaffen blind durch einen fremden Wald zu gehen und in eine fremde, zerstörte Stadt? Es war wie ein dicker Kloß in meinem Hals, das Gefühl, als müsste ich mich bei dem Gedanken allein schon übergeben und ganz ungewollt begann ich ein wenig zu zittern. Du darfst keine Schwäche zeigen. Nicht hier, nicht jetzt vor all den anderen , schoss es mir dann durch den Kopf und ich kontrollierte sowohl meine Atmung als auch meine Reaktion. Mit ruhiger Stimme, die wohl für jeden anderen normal klingen würde, abgesehen von der Achak, die auch kleinste Schwankungen hörte, erwiderte ich: „Das erklärt, warum du alleine unterwegs bist.“ Ich wusste nicht wirklich, was ich sagen sollte. Es war unvorstellbar. Ich war in diesem Volk aufgewachsen und mir war durchaus bewusst, was die Folgen davon waren. Ich war jetzt alleine. Auf mich gestellt und… frei. Ein Gedanken durchzuckte meinen Kopf. Wenn ich tatsächlich frei war, hielt mich nichts mehr davon ab mich mit Renesmee zu treffen und genau das zu tun, was ich eben wollte, oder? Hieß das nicht, dass ich mich vor niemandem mehr rechtfertigen musste und somit einfach tun und lassen konnte, was ich eben wollte? Es fragte sich nur, ob ich das denn wollte. Und die Antwort war eigentlich klar – nein. Ich wollte mein Volk, meine Heimat, meine Familie. Und vielleicht konnte ich einen Teil davon noch finden und wieder zusammen bringen. Wenn ich andere Achak fand und sie mit hier in dieses Gebäude brachte, wären sie sicher für die Zeit des Sturms. Und das Volk nicht vollkommen zerstört, zerschlagen. Man konnte es wieder aufbauen, einer musste sich nur dazu bekennen und damit beginnen.
Meine Hand löste sich von der der Achak und ich legte sie ihr stattdessen kurz auf die Schulter. „Ich werde den Stamm wieder zusammen fügen. Sturm hin oder her“, wisperte ich, bevor ich sie los ließ und mich schon halb zur Tür wandte, als mir Renesmee einfiel. Ich konnte sie unmöglich hier allein lassen, aber ich konnte sie auch nicht in die Gefahr bringen mitzukommen. Die wenigsten Achak waren tolerant anderen Wesen gegenüber und die meisten würden sie angreifen. Außerdem herrschte da ja noch dieser Sturm draußen, der ebenfalls eine riesige Gefahr darstellte. Ich wandte mich zu ihr und stellte jetzt erst fest, dass sie einen Schritt von mir gewichen war, was mich etwas verwunderte, aber auf was ich nicht weiter einging. Stattdessen stellte ich mich direkt vor sie, richtete meinen toten Blick auf ihre Augen und umfasste ungeachtet der restlichen Personen ihre beiden Hände mit den meinen. „Ich muss gehen. Es gibt Probleme mit meinem Stamm und…“, ich schluckte schwer. War es für die andere Achak ein Problem, wenn ich Renesmee verriet, was passiert war? Naja, wenn es einmal gesagt war, konnte sie auch nicht viel dagegen tun und wenn es mir nicht gelingen sollte Teile unseres Volkes zusammen zu sammeln, wäre ich eh für mich allein verantwortlich und konnte bestimmen was ich tat oder nicht tat. Freiheit, wenn man es so nennen konnte. „Der Anführer hat ihn zerschlagen. Ich.. will versuchen mein Volk wieder zusammen zu bringen.“ Als ich es aussprach, kamen mir meine Worte irgendwie falsch vor. Was wollte ich schon groß erreichen? Es war fraglich, ob ich bei dem Sturm überhaupt jemanden finden konnte und wenn ich es tat, wäre es reines Glück, dass sie mir vertrauten und folgten. Ich machte mir auch ein wenig Sorgen, um die anderen Wesen hier. Wenn ich mein Volk her brachte, hieß das auch, dass einige Achak dabei waren, die nicht zwingend für sich selbst kämpfen konnten und die beschützt werden mussten und auch, wenn ich nicht an meinen Fähigkeiten zweifelte, war ich mir doch nicht sicher, ob es denn reichte, um die Leben von vielen zu sichern. Vor allem würde ich sie niemals führen können – wollte ich auch gar nicht. Ich wünschte mir eigentlich nur, dass sie wieder zusammen fanden und unser Stamm unbeschwert zurück in sein Dorf konnte, aber das war wohl kaum möglich.
Ich wartete schweigend seine Reaktion ab und fühlte mich selber, als würde auch ich die Situation erst jetzt wirklich realisieren. Wahrscheinlich war es auch so. Wie hätte ich es auch vorher realisieren können? Ich war der Typ, der Probleme, für die ich keine Lösung fand, verdrängte - und ich hatte ja auch niemanden vorher gehabt, mit dem ich darüber reden konnte - außer diesem Achak nun. Und jetzt, wo ich das Problem ansprach und alles ausformulierte, stockte mir selbst der Atem, als ich darüber nachdachte. Na gut, während diesem Sturm hatte ich eh keine Alternative, als in diesem Gebäude auszuharren, aber was sollte ich danach tun, wenn sich das Wetter zumindest für kurze Zeit beruhigt hatte? Ich wusste es nicht. Wahrscheinlich würde ich zum Dorf zurückkehren und nach Hoffnung suchen, aber ich glaubte wirklich nicht, dass mir das etwas bringen würde. Wahrscheinlich würde ich nicht mal mehr jemanden dort treffen oder vielleicht noch nicht einmal den Weg finden. Wer wusste es. So abwegig war das nicht. Immernoch prasselte der Regen auf das Gebäude, als würde er versuchen, hier einzudringen, und ich zuckte leicht zusammen, als ein Donner die Geräuschkulisse durchschnitt. Für einen Moment war ich froh, nicht auch noch die Lichtblitze sehen zu müssen, die mit ihm einhergingen. Ich war so schon überspannt genug. Hoffentlich hatte niemand meinen Schreck gesehen, ich durfte mir nicht erlauben, zu zeigen, wie unsicher ich mir in dieser ganzen Situation war. Wieder einmal schickte ich unserem Anführer sämtliche Flüche auf den Hals, die mir bekannt waren. Sollte er doch von mir aus in diesem Unwetter verrecken. Wenn ein Achak das verdient hatte, dann er. Er war an unserem ganz persönlichen Problem doch alleine schuld! Leise hörte ich, wie der Achak vor mir den Kopf schüttelte und sein Herz begann zu rasen. Ich spürte, dass er dasselbe Gefühl hatte wie ich, als ob uns der Boden unter den Füßen weggerissen worden wäre. Wenigstens war er noch da - in meiner Nähe. Wenn ich jemals eine Familie bzw Personen vermisst hatte, die mir persönlich mindestens ebenso nahe standen wie der Stamm, dann war das nichts im Vergleich zu diesem Moment. Selbst nach dem Tod meiner Eltern hatte ich nicht in so einer Hilflosigkeit gesteckt, auch wenn ich damals noch ein Kind gewesen war. Dankbar drückte ich seine Hand, als ich sie an meiner spürte, und hoffte jedoch immer noch, dass all das, all die Gesten und das ganze Gespräch von den anderen Wesen unbemerkt blieb. Ich - wir konnten es uns nicht erlauben, mit Wesen in diesem Haus eingepfercht zu sein, die über diesen gewaltigen Verlust bescheid wussten. Ich wusste nicht, ob ich mich dann noch all zu gut würde wehren können, erst recht nicht, falls sich noch Bündnisse unter den anderen bilden sollten. Doch trotzdem war ich dankbar für den Trost des anderen und seine Versicherung, die dahinter stand, für mich dazusein. Ja, ich würde auch für ihn dasein, auch wenn wir noch nie sehr viel miteinander zu tun gehabt hatten. Wir hatten nun nur noch einander und ich hatte nicht vor, auch diesen letzten Zusammenhalt zu meiner Rasse aufzugeben. Nein, dafür waren wir Achaks nicht gemacht.
"Das erklärt, warum du alleine unterwegs bist." Tat es das? Ich war auch am Tag meiner Jagd allein unterwegs gewesen, aber ich hörte das kaum wahrnehmbare Zittern in seiner Stimme, das er so mühevoll unterdrückte. So ein Glück, dass die anderen keine so guten Ohren hatten. "Ja", sagte ich nur leise. Auch meine Stimme klang seltsam in meinem Ohr. Ich war alleine unterwegs und er ... er war mit einer Wachiwi unterwegs. Aber ich machte mir da nicht viele Gedanken drüber im Moment - ich hatte nun wirklich genug Probleme. Er ließ meine Hand wieder los und ich spürte kurz einen leichten Druck auf meiner Schulter. Bei seinen Worten horchte ich auf. Er wollte tatsächlich wieder hinaus, in dieses Unwetter? Irritiert lauschte ich seinen Bewegungen. Er wollte den Stamm wieder zusammenfügen? Wie denn das? Er wollte tatsächlich in den Sturm und das Chaos und Achaks suchen? Das würde er nicht schaffen. Nein, wirklich nicht. Und genau das wollte ich ihm nun sagen, doch schon wandte er sich an die Wachiwi. Das Geräusch, das seine dazugehörige Bewegung verursachte, konnte ich nicht ganz einordnen. Ich trat einen Schritt zu den beiden und hörte sein leises Schlucken. Und nun erzählte er ihr auch noch, was passiert war! Ich schreckte kurz zusammen und hätte ihn fast unterbrochen, aber ich hielt mich doch zurück. Er würde schon wissen, ob er ihr vertrauen konnte. Ich hoffte es einfach. Wenn ich mich auch nicht mehr auf die Vernunft meines einzigen Verbündeten bauen könnte, würde ich mich gleich draußen im Sturz umbringen können. Ich hielt mich zurück, bis er ausgesprochen hatte und verdrängte den Zweifel über seine seltsame Verbundenheit zu der Wachiwi. Bevor sie jedoch antworten konnte, trat ich zu ihm. "Lass das lieber. Bei allem Vertrauen, das kannst du nicht schaffen", wisperte ich. Nicht mal die Wachiwi würde mich verstehen können.
Die Aufmerksamkeit, die vorher noch Richtung Treppe, wo sich irgendwer aufzuhalten scheint, gerichtet war, galt jetzt nach einigen Sekunden wieder den beiden Achak. Meine Neugier konnte ich doch nicht mehr verdrängen und da ich auch aus der anderen Richtung kein weiteres Geräusch mehr gehört hatte, wurde diese Sache gleich wieder uninteressant für mich. Vielleicht kam ich ja später wieder darauf zurück, oder aber die Person würde sich irgendwann selbst zeigen oder wieder verraten, wenn sich denn da jemand hinter der Treppe versteckte, aus was für einem Grund auch immer. Diese Verbundenheit zwischen Elija und der Achak war wirklich merkwürdig. Behandelte man sich so in einem Stamm? Gut möglich. Vielleicht verhielten sie sich alle so, als stünden sie sich nahe, wie in einer echten Familie eben. Ich konnte mir das alles nur nicht richtig vorstellen und es war mir suspekt, weil ich einfach nicht aus so einem Stamm wie sie stammte und dementsprechend auch keine Erfahrungen im Umgang zwischen diesen Wesen hatte. Wie denn auch? Ich war nunmal eine Wachiwi, die ihr beinahe ganzes Leben eher eine Einzelgängerin gewesen war und auch nicht wirkliche Nähe zu anderen hatte. Weshalb es für mich eben auch merkwürdig war mit anzusehen, wie zwischen zwei anderen Nähe herrschte. Zwischen Elija, der ja so eben auch noch meine Hand gehalten hatte, und einer für mich Fremden, dessen Hand er jetzt auch für einen Moment hielt. Meine Augenbrauen zogen sich für einen Moment irritiert zusammen, während ich diese Gesten mit scharfem Auge betrachtete und mir dementsprechend wieder meine eigene Meinung gegenüber der jungen Frau bildete. So nach dem Motto da nimmt er tatsächlich die Hand einer anderen Frau, als wäre ich irgendeine eifersüchtige und narrische Ehefrau, die jede, die auch nur in kleinster Weise etwas mit ihrem Mann zu tun haben könnte, am liebsten zur Hölle schicken würde. Nur im Gegensatz dazu, dass ich nicht verheiratet war und eine Person auch nicht so als Eigentum ansehen wollte, dass man wegen so einer Sache gleich eifersüchtig werden sollte. Deshalb lockerte sich meine Miene gleich, als sich diese Geste auflöste und er ihr aufmunternd, zumindestens glaubte ich, die Hand an die Schulter legte. Worüber sie sprachen hatte ich nicht verstanden, weil sie ja beinahe geflüstert hatten. Und ein Gehör wie ein Wolf oder Achak besaß ich nunmal nicht. Worüber auch immer sie gesprochen hatten.. Das veranlasste Elija anscheinend dazu, weg gehen zu müssen, wie er mir im nächsten Moment weis machen wollte. Er nahm meine Hände in seine und erklärte mir, dass es Probleme mit seinem Stamm gab, was ich wohl im ersten Moment nicht richtig verstand, weswegen ich leicht verständnislos den Kopf schüttelte und nach Worten suchte und das alles durch meinen Kopf gingen ließ. Probleme mit dem Stamm.. Wegen des Unwetters? Ist jemand krank? Oder warum muss er so plötzlich weg? Schließlich hatte er auch schon vor Beginn des Unwetters beschlossen, sich mit mir zu treffen und wollte dies jetzt einfach so wieder lassen, nur weil eine Achak ihm von irgendeinem Problem berichtete? Ein wenig wütend ließ mich das schon werden. Ich wollte nämlich nicht, dass er jetzt einfach so geht! Und schon gar nicht bei diesem Wetter. Deshalb klangen meine Worte wohl etwas aufgebracht. ''Du willst doch nicht wirklich jetzt bei diesem Wetter hinaus und somit hoffen, dass du irgendwem helfen kannst?'' Es war zwar eine Frage, aber auch eine feste Aussage die bedeutete, dass ich ihn jetzt sicherlich nicht einfach so gehen ließ. Das wäre doch viel zu naiv und leichtsinnig? Vielleicht wusste ich nicht, wie schlimm es um seinen Stamm stand und was wirklich los war, doch war ich mir sicher, dass er jetzt auf der Stelle sowieso nichts ändern konnte. Und schon gar nicht wenn ihn versehentlich der Blitz traf. Und dann kam auch schon die Achak näher und versuchte ihn ebenfalls davon abzubringen. Das erste Mal, dass ich ihr irgendwie für ihre Worte danken würde. Sie hatte es absolut auf den Punkt gebracht. Nun gut, vielleicht würde er es schaffen, was auch immer er den vor hatte, doch alleine bestimmt nicht. Und die Gefahr, hinauszugehen, war einfach viel zu groß. ''Stell dir vor, ich würde jetzt gehen wollen. In den Wald wohlmöglich. Bei diesem Wetter. Würdest du mich gehen lassen?'' Erwartungsvoll wartete ich auf eine Antwort. Denn ich wollte ihm klar machen, dass ich nämlich gerade in genau so einer Situation war und das nicht wollen würde. Von ihm zu mindestens nicht.
Ich hatte nicht mit den Worten von Renesmee gerechnet. Also nicht so direkt. Irgendwie war ich zu sehr in meine eigenen Gedanken vertieft gewesen und hatte ihr doch eigentlich nur mitteilen wollen, was ich gleich tun würde, ohne sie groß um Erlaubnis zu fragen. Und doch kam es mir so vor, als hätte ich soeben dies getan: sie um ihr Okay gebeten, dass ich mich auf die Suche machte. Und sie verwehrte es mir – aus nachvollziehbaren Gründen. Aber es war doch merkwürdig. Wir kannten einander kaum und doch fühlte ich mich mit ihr verbunden. Vielleicht sollte ich aufhören mir einzureden, dass sie eine Fremde ist, wenn es sich doch so anfühlt, als wäre sie so ziemlich das Gegenteil davon . Und dann beschloss ich sie einfach als Freundin zu sehen und eben zu akzeptieren, wie ich innerlich schon dachte ohne es wirklich zu realisieren. Renesmee bedeutete mir etwas, das konnte ich nicht abstreiten. Warum also mich selbst belügen und so tun, als würde ich mich nicht zu ihr hingezogen fühlen? Mir kam es so vor, als hätte ich diese Erkenntnis ein zweites Mal gehabt, denn immerhin war das doch auch irgendwie mein Beweggrund gewesen, um zu unserem Treffen zu kommen, oder? Und doch war es gerade absolut unwichtig. Mein Volk war zerschlagen, alles, wofür ich bisher gelebt hatte, zerstört – okay, das war doch etwas übertrieben, aber es traf mich hart. Und ich kam damit wirklich nicht sehr gut klar. Das Volk war meine Heimat. Es war alles, was ich hatte und auch alles, was ich wirklich brauchte… und jetzt hatte ich nichts mehr davon. Die andere Achak hatte nicht gelogen – für den Bruchteil einer Sekunde hatte ich selbst das gedacht – denn ihre gesamte Ausstrahlung sprach dagegen. Es traf sie ebenso sehr, wie mich und diese Emotionen konnte sie unmöglich vortäuschen. Wozu auch? Nur, um mich aus der Bahn zu werfen und zu verwirren? Um mich fertig zu machen? Dazu hatte sie keinen Grund. Ich kannte sie ja kaum und hatte mich für ihre Jagd ausgesprochen, also sah ich keinen Grund für so was – und keine Anzeichen. Ich verwarf den Gedanken also wieder und konzentrierte mich auf die aktuelle Situation. Es tat gut Renesmees Hände dabei in meinen zu halten, ich hatte irgendwie das Gefühl, als würde sie mir Kraft geben, wo mir doch allein durch ein paar Worte so viel davon genommen worden war.
Auf die ersten Worte der Wachi erwiderte ich schließlich gar nichts. Was hätte ich auch groß sagen sollen? Ja, ich plane durchaus da jetzt raus zu gehen und mein Leben aufs Spiel zu setzen ? Ich wusste ja selbst, dass das eigentlich eine dumme Idee war, aber wie sollte ich denn tatenlos in diesem Haus ausharren, wenn ich genau wusste, dass Teile meines Volkes da draußen waren und womöglich gerade von einem Baum zerquetscht wurden, weil sie gehofft hatten darunter Schutz zu finden? Allein die Vorstellung verpasste mir einen kurzen Kälteschauer. Vermutlich war ich dem Volk gegenüber einfach zu loyal. Zu sehr darauf fixiert. Die Wachi hatte niemanden um sich herum und lebte ja auch noch, scheinbar doch recht zufrieden. Ich musste mich womöglich nur an den Gedanken gewöhnen allein zu sein. Wobei ich ja die andere Achak hatte, und Renesmee. Also war ich gar nicht so allein, ich fühlte mich nur im Augenblick etwas einsam.
Als besagte Achak dann neben mich trat und mich ebenfalls von meinem Vorhaben abbringen wollte, seufzte ich leise. Das schaffst du nicht . Das klang so endgültig. Es war, als wäre all das schon längst verloren. Als wäre es irreparabel und das wollte ich einfach nicht so hinnehmen. Wäre ich bloß da geblieben, schoss es mir durch den Kopf. Wenn ich Renesmee nicht ausgerechnet heute getroffen hätte, dann …. Dann wäre sie jetzt vielleicht nicht bei mir. Ziemlich wahrscheinlich sogar. Also war es mein Stamm oder die Wachi? Eine super Entscheidung. Und ich hatte mich für die Wachi entschieden ohne nur zu ahnen, was daraus alles folgte – aber hätte ich denn etwas ändern können? Ich konnte spekulieren, würde es aber niemals wissen. Vermutlich hätte ich doch auch nichts ausrichten können, wäre ich vor Ort gewesen und wenn doch, dann… dann… wusste ich auch nicht so genau. Es war alles geschehen und vorbei. Endgültig vorbei und absolut irreparabel.
Ich konnte nicht genau sagen, wohin mein Blick ging – ich konnte doch eh nichts sehen! Also war es mir jetzt auch egal, wie blind oder sehend ich doch wirkte. Es war einfach ein großer Haufen Mist, alles zusammen. Und dann kam Renesmee mit ihrer Frage und ich sah doch wieder zu ihr auf. „Nein“, hauchte ich recht leise, „würde ich nicht.“ Mehr konnte ich dazu nicht sagen. Natürlich würde ich sie nicht gehen lassen, aber ich war mir auch nicht sicher, ob sie sich bewusst war, was das alles für mich bedeutete und ob sie überhaupt wirklich verstanden hatte, was ich soeben gesagt hatte. Es gab unseren Stamm der Achak nicht mehr. Und ich glaube, dass ich es schon jetzt begann das zu akzeptieren.
Seine Antwort bekam er schon bald darauf. Ein Messer im Rucksack. Nur ein Messer im Rucksack? Wie leichtsinnig war es nichts griffbereit zu tragen? Das konnte der Russe absolut nicht nachvollziehen. Aber gut, jedem das seine, nicht wahr? Servan selbst würde das niemals passieren. Niemals würde er nicht eine Waffe so am Körper tragen, dass er nicht in Sekundenschnelle daran kommen würde. Alleine so trug er schon den Dolch und die Schusswaffe sofort griffbereit – aber nicht einsehbar – am Körper, während in seinem Rucksack noch so einiges mehr zu finden war. Das erwartete er ja aber auch von niemandem. Er kannte niemanden, der in Sachen Wesen und Waffen so ausgebildet war wie er – zumindest keinen Menschen. Wobei es von der Sorte ohnehin nicht mehr sonderlich viele gab. Das war ärgerlich aber nicht veränderbar. Demnach musste – und konnte – er damit leben. Kurz darauf folgten weitere Worte, die Servan ein amüsiertes Schnauben entlockten. Einfach los lassen und sie würde verschwinden. Sie schien noch immer nicht den Ernst der Lage begriffen zu haben. „Ich habe keine Angst davor, dass du mir etwas tun könntest.“, klärte der Dunkelhaarige die junge Frau noch immer mit leiser, rauer Stimme nahe ihres Ohres auf. Nein, er hatte nicht direkt Angst vor ihr. Natürlich würde auch sie ihm gefährlich werden können, das wollte er auch gar nicht abstreiten, aber sie schien nicht wie jemand der geschickt mit Waffen umging oder sich gar damit auskannte. Und überraschen war in dieser Situation schwer. Er war ganz klar in der überlegenen Position und dies zu ändern würde für sie gar unmöglich sein. „Wärst du aufmerksamer gewesen, hättest du nicht nur mich sondern auch die beiden Männer entdeckt, in deren Richtung du gelaufen bist. Genau genommen hab ich dir also sogar deinen Hintern gerettet. Mich anzugreifen wäre nicht das, was ich mir als Dankeschön daraus erhofft hatte.“, klärte Servan sie auf. Nein, er war nicht auf weiteres aus, absolut nicht. Servan fand nur gerade Spaß daran sie ein wenig zu reizen, vielleicht um auch herauszufinden ob sie unvorsichtig wurde und ihn doch angriff. Vielleicht mit einem kleinen Taschenmesser, dass sie in der Hosentasche versteckt und ihm verschwiegen hatte. Dennoch lockerte der Russe seinen Griff ein wenig – wobei die Klinge an ihrer Kehle bestehen blieb. Sicher war sicher und ganz auf der sicheren Seite sollte sie sich doch noch nicht fühlen. Nicht denken, er würde einfach so mir nichts, dir nichts nachgeben und ihr alles glauben was sie ihm auftischte. Es war unverantwortlich und dumm keine Waffen griffbereit bei sich zu tragen, ob sie das nun tat oder nicht. Es war so. In der heutigen Welt zumindest, früher mochte das ja vielleicht anders gewesen sein. Aber sie war doch maximal 20 Jahre alt – soweit er einschätzen konnte. Darin war er schon immer schlecht gewesen, es war dunkel und schüttete noch immer in Strömen. Vielleicht lag er auch falsch. Aber im Endeffekt spielte das auch gar keine Rolle.
Ich habe keine Angst, dass du mir etwas tun könntest, hallte es in ihrem Kopf wider. Na das klang ja sehr danach, als würde er sie als Gefahr einschätzen. Nicht. Ein bisschen ärgerte sich Phia über seine deutliche Einschätzung ihrerseits, aber wirklich falsch lag er ja auch nicht, oder? Was sollte sie schon groß ausrichten. Wenn sie sich bewegte, würde er ihr die Kehle aufschneiden und wenn sie versuchte an eine Waffe zu kommen – oder ihren Schlagring, der wohl nicht sonderlich effektiv war, einsetzte - würde er ihr ebenfalls die Kehle aufschneiden. Nicht gerade die beste Situation und eine Gefahr ging von der jungen Wachi wohl tatsächlich nicht aus, traurig aber wahr. Gerade als Sophia dann fragen wollte, wieso er sie denn dann nicht einfach laufen ließ, gab er ihr auch schon die Antwort. Da waren also noch mehr Leute im Wald. Moment, zwei Männer? Lucas! , schrie es in ihrem Kopf. Sie konnte sich da natürlich keinesfalls sicher sein. Es konnten auch irgendwelche Wesen sein, die durch den Wald liefen.. oder andere Menschen, die sie nicht nur festhielten, sondern direkt töteten. Besser sie blieb still und versuchte erstmal aus dieser Lage hier raus zu kommen, bevor sie irgendwas riskierte. Die kommenden Worte des Mannes hinter ihr empörten die Rothaarige dann aber doch etwas. Er tat ja gerade so, als wäre er ihr Retter und als würde er ihr etwas Gutes tun! Pah! Als ob. Er hielt sie fest, drohte sie zu töten und wollte dann auch noch ganz viel Dankbarkeit, dass er sie gefangen hatte. Ja, sicher. Das konnte er aber mal direkt wieder vergessen. Angreifen würde sie ihn trotzdem nicht – er war größer und sicherlich um einiges erfahrener im Kampf als Sophia. Das wäre purer Selbstmord. Oder Verstümmelung, wer konnte das schon genau sagen.
„Oh ja, ich bin dir unglaublich dankbar“, flüsterte sie mit ziemlicher Ironie in der Stimme. Konnte er sich ja aber eigentlich auch ausrechnen, dass sie ihn jetzt nicht für einen Heiligen hielt. Und ein wenig hatte er seinen Griff ja auch gelockert – nicht gelöst, nur minimal gelockert. Sophia konnte sich also ein wenig entspannen und hoffen, dass er diese zwei Kerle bald als gegangen betrachtete und sie dann wieder gehen konnte. Im Augenblick hatte sie eher wenig Lust auf seine Gesellschaft. Wobei es doch auch etwas Gutes hätte, wenn ich ihn bei mir behalte, oder? Kämpfen kann er vermutlich. Ich nicht.. und wenn ich nicht noch mal in so eine Situation will, dann könnte er hilfreich sein , ging es ihr so durch den Kopf. Dass sie den jungen Mann fast schon als Ding bezeichnete, was sie einfach in ihren Rucksack stecken und jederzeit raus holen konnte, wenn sie es brauchte, viel ihr nicht weiter auf. Vermutlich würde er sie ja auch eh nur als Risiko für sich selbst sehen und bei der nächsten Gelegenheit los werden wollen. Nachvollziehbar, irgendwie. So viel Nutzen er ihr auch bringen konnte, so wenig brachte sie ihm doch. Abgesehen von einer anderen Person in der Nähe und damit ein wenig Gesellschaft. Der Kerl da schien ja nicht sonderlich oft in den Genuss davon zu kommen, so schien es jedenfalls Sophia. Aber sie wollte auch nicht vorschnell urteilen, vielleicht hatte das ja auch alles seine Gründe. Sicher war nur, dass sie schnellstmöglich dieses Messer von ihrem Hals weg bekommen wollte.
Ich war doch irgendwie erleichtert, dass er vielleicht verstand, in welcher Situation ich gerade war und worauf ich hinaus wollte. Es war doch eigentlich nur zu seinem Besten. Ich wollte ihn keinesfalls irgendwie von seinem eigenen Stamm fernhalten, oder eben von seinen Leuten. Nein, diese Absicht würde ich nie haben. Und wenn es wirklich drauf ankommen sollte und es keine andere Möglichkeit gäbe.. dann müsste ich ihn gehen lassen. Immerhin konnte ich ihm nicht einfach so irgendetwas verbieten oder ihn von irgendwas fernhalten, was ihm wichtig war. Nein, so etwas würde ich persönlich auch nicht tun - gerade nicht von einer Person, die man gerade mal paar Tage kannte. Reflexartig griff ich nach seinen Händen und blickte leicht lächelnd, aber mit leichter Besorgnis in der Stimme und auf dem Gesicht, zu ihm rauf. "Ich möchte doch nur nicht, dass dir etwas zustößt.." Meine Worte waren eher leise, damit nicht jeder irgendwie auf unser Gespräch aufmerksam wurde. Aber gut, die anderen schienen ja sowieso recht beschäftigt zu sein und sich gerade mit Bratpfannen und so weiter auseinander zu setzen. Da würden sie unsere Dinge schon nicht interessieren. Wenn ich aber nochmal so über meine Worte nachdachte, fragte ich mich selbst, warum ich denn auf einmal immer so emotional werden konnte. Eigentlich war das nie meine Art gewesen. Zurückhaltend und eher weniger kontaktfreudig - diese Worte würden mich gut beschreiben, aber in letzter Zeit war ich doch generell ganz anders gewesen. Ich hatte nicht immer so die Schwierigkeiten, auf andere zuzugehen. Ja, man könnte sogar behaupten, dass ich sehr offen und kontaktfreudig war.. nur wollte ich darüber jetzt nicht mehr nachdenken, besonders nicht über die Geschehnisse mit dem Kailasa Zasha, denn das war doch eine nebensächliche Ablenkung gewesen, bei der ich meine Fähigkeiten doch anders eingeschätzt und mir nie zugetraut hätte. Leise seufzend blickte ich für einen Moment auf unsere Hände hinab. Bei Elija hatte ich irgendwie nicht sonderlich das Problem, einfach seine Hände zu halten, als wäre es etwas Normales. Naja irgendwie sollte es aber auch meine Worte bekräftigen. Hirnsinnige Gefühle, dachte ich mir kurz drauf. Sie verwirrten mich in letzter zeit einfach viel zu sehr und sollten doch am besten ganz weg bleiben, so wie all die Jahre davor. Und da kam dann plötzlich ein Achak daher und brachte fast alles durcheinander.. unglaublich.
Sie konnte das nicht? Sie konnte was nicht? Pandora wollte also nicht mit mir sprechen.. und schon gleich gar nicht hier sein. Eigentlich. Aber wenn sie nicht mehr raus in den Sturm wollte, dann würde sie wohl oder übel hierbleiben müssen. Und ich ging irgendwie auch davon aus, dass sie hierbleiben würde. War ja eigentlich fast schon Selbstmord, wenn man da noch rausgehen würde. Gut, Selbstmord war vielleicht ein bisschen übertrieben, aber der Wind heulte wirklich erbärmlich und wenn man nicht aufpasste, dann konnte man schon von wie Streichhölzer umknickenden Bäumen und von Dächern herabfallenden Ziegelsteinen erschlagen werden. Also zum Spaßen war das da draußen definitiv nicht. Aber sie hatte auch wiederum Recht. Wir würden alle Beide nicht hier rauskommen. Vorerst zumindest nicht. Wann das Wetter wieder einigermaßen passabel sein würde- tja, das stand wohl in den Sternen geschrieben. Das Wetter war wahnsinnig unberechenbar, es konnte von einer auf die andere Minute komplett umschlagen und von schön sonnig zu einem beschissenen Schneesturm wechseln. Als die junge Frau dann einen Moment lang stockte, schaute ich sie mit meinen grünen Augen aufmerksam an, zog ein wenig eine Augenbraue nach oben, bevor sie auch schon wieder fortfuhr und mit ihren schmalen Schultern leicht zuckte. Gegenseitig ignorieren? Keine Pfanne mehr, keine Berührungen mehr, keine Aufmerksamkeit mehr? Wie? Zugegebenermaßen verwirrte die junge Frau mich gerade etwas, weshalb ich erst einmal tief einatmete und versuchte den stechenden, pochenden Schmerz in meinem Kopf loszuwerden. Oder wohl eher auszublenden, denn wie sollte ich den Schmerz schon auf die Schnelle loswerden? Würde wohl kaum funktionieren. Wobei das tief Luftholen auch nicht wirklich geholfen zu haben schien, ich fühlte mich immer noch so.. leer. Leer, weil dieser dumpfe Schlag auf meinen Kopf irgendwie alle meine Gedanken lahmgelegt zu haben schien und weil ich gerade wirklich ernsthaft ein wenig.. müde war. Renesmee und die beiden Achak unterhielten sich recht angeregt, aber ich schenkte ihnen gerade nicht viel Aufmerksamkeit. Meine Aufmerksamkeit war immer noch auf Pandora gerichtet und irgendwie hatte ich das Gefühl, dass ich das auch nicht wirklich ändern können würde. Selbst wenn sie jetzt abhauen würde- in irgendeinen entlegenen Winkel dieser riesigen Psychiatrie. Sie wollte ganz klar hier weg und das- so wie ich ihr Verhalten deutete- so schnell wie nur irgendwie möglich. Weg mit diesem anderen Kerl ein paar Schritte hinter ihr und diesem kleinen Mädchen, das doch irgendwie so langsam Angst zu bekommen schien. Konnte man der Kleinen aber auch nicht wirklich verübeln, sie war noch jung und hatte vermutlich noch eine etwas.. bessere Vorstellung von dieser Welt, wie sie eigentlich in Wirklichkeit war. Grausam, unberechenbar, nahm sich alles was ihr gehörte. Mit einem leisen, doch etwas vor Schmerz gequälten Seufzen wandte ich meinen Blick wieder der jungen Brünetten zu. Keine Berührungen, keine Aufmerksamkeit.. wiederholte ich in Gedanken. Das hieß also, dass sie mir die Bratpfanne noch ein weiteres Mal überziehen würde, wenn ich ihr meine Aufmerksamkeit weiterhin schenken würde und wenn ich sie vielleicht noch einmal- wenn auch vielleicht durch Zufall- berühren würde. Himmel.. ich wiederholte hier gerade alles noch einmal in Gedanken wie ein kleiner Junge, der sich ganz genau merken musste, was er zu tun hatte und was nicht. Der Schlag auf meinen Kopf schien mir anscheinend nicht unbedingt gut getan zu haben. Aber ich wollte Pandora irgendwie nicht weggehen lassen. Wobei ich gerade auch einfach sehr viel lieber in irgendeinen anderen Teil der Psychiatrie gehen würde, mich vielleicht auch gern ein wenig ausruhen würde. Aber die junge Frau würde es sicherlich nicht dulden, dass ich mich ihr und dem jungen Mann sowie dem kleinen Mädchen anschließen würde. „Ignorieren? Ich bin nicht sonderlich gut im Ignorieren, Pandora..“ murmelte ich und schaute die junge Frau aufmerksam an.
Die Tür wurde schwungvoll aufgestoßen und meine Schwester stand im Türrahmen. Ihr Haar stand in alle Richtungen ab, als wäre sie durch einen Wirbelsturm gelaufen. Auch sonst blitze in ihren braunen Augen der Ausdruck der Hektik auf. Mein Blick glitt zu dem kleinen Fenster unserer Wohnung, dann wieder zu meiner Schwester, welche es inzwischen zähneklappernd in den Flur geschafft hatte und die Tür hinter sich zuknallte.
„Tu mir jetzt einfach den Gefallen und widersprich mir nicht, verstanden?!“ Gerade als mir der Gedanke kam, rein aus Protest wie ein kleines Kind den Kopf zu schütteln schob ich diesen Gedanken auch schon gleich beiseite. So wie sie aussah war die Situation ernst und letztendlich war ich auch kein kleines Kind mehr mit meinen 19 Jahren.
Nun sah ich sie aus meinen dunkelbraunen Augen geduldig an, wartete darauf, dass sie fortfuhr. Nach einer kurzen Musterung fuhr sie dann auch mit ihren Befehlen fort, wobei mir hierbei ihre Stimmlage ganz und gar nicht gefiel...wie ein aufgescheuchtes Huhn lief sie in der Küche auf und ab, warf immer wieder einen Blick aus dem Fenster, schließlich sah sie mich an:“ Du wirst jetzt sofort in den östlichen Teil der Stadt gehen, dort wirst du in der Psychiatrie bleiben, bis das Unwetter da draußen endgültig abgeklungen ist.“ Bei diesem Befehl schlichen sich sogleich zwei Fragen in meinen Kopf. Erstens wäre da die Frage, was meine Schwester machen würde und zweitens war es für mich fragwürdig, was für ein Unwetter sie meinte. Als ich das letzte Mal aus dem Fenster gesehen hatte, hatte es ein wenig gewindet, aber von einem Unwetter hatte man wirklich nicht reden können.
Anscheinend sprach mein Blick Bände, denn sofort hielt meine Schwester mit ihrem unruhig machendem Auf- und abgehen ein und sah mich mit ihrem versucht strengem Blick an:“ Hör einfach auf, mich zu hinterfragen und mach!“ Dass sie sich einen zynischen Fluch verkniff konnte ich ihr ansehen, doch als mein Blick schließlich zum Fenster glitt biss ich mir auf die Zunge und verkniff mir all meine Fragen.
Während ich mir also die Schuhe zuband erhob ich das erste Mal meine Stimme in dieser Konversation:“ Pass einfach auf dich auf ja? Sei nicht so unvernünftig.“ Dass in diesem Befehl etwas sarkastisches lag hätte meine Schwester heraus hören müssen, doch sie starrte mich einfach nur an, dann winkte sie ab und verschwand in ihrem Zimmer. Kopfschüttelnd erhob ich mich, streifte mir meine Jacke über und überprüfte, ob meine Pistole ihren Platz unter meinem Shirt noch nicht verlassen hatte. Letztendlich griff ich nach meinem Rucksack, welcher immer neben der Tür stand und alles wichtige beinhaltete, was es in meinem Leben gab und was ich zum Überleben brauchte.
Meine Hand legte sich auf die Türklinke, doch ich zögerte:“ Du kommst wirklich nach?“
Es kam keine Antwort, doch noch länger warten konnte ich nun wirklich nicht mehr in Anbetracht dessen, was sich vor dem Fenster bereits abspielte und bis zum östlichen Teilt der Stadt würde ich doch einige Zeit brauchen.
Die Tür fiel mit einem leisen Klicken hinter mir ins Schloss. Jetzt gab es sowieso kein zurück mehr und es wäre unvernünftig, sich in einem solchen Gebäude aufzuhalten, sollte ein Unwetter über die Stadt hereinbrechen.
Wind und leichter Regen schlugen mir ins Gesicht, als ich das Gebäude verließ und einen Fuß ins Freie setzte. Mein Blick glitt in alle Richtungen und ich lief in eiligem Schritttempo los, welches sich nach kurzer Zeit in ein joggen und schließlich ein Rennen verwandelte, als der Wind immer stärker und der Himmel immer schwärzer wurde.
Den Weg zu Psychiatrie kannte ich nur grob. So wie ich mein Glück einschätzte kannte ich zu allem Unglück auch nur den längsten aller vorhandenen Wege. Das Gewicht meines Rucksacks brannte unangenehm auf meinen Schultern und mehr als nur ein Fluch rutschte mir über die Lippen, als ein weiterer Windstoß mich beinahe umgeblasen hätte.
Nur allzu gerne würde ich auf diesen Rucksack verzichten, doch da ein solches Unwetter leider jederzeit auftreten konnte und meine Schwester sowie ich nie länger als zwei Wochen uns an einer Stelle aufhielten war es doch recht praktisch, alles was man benötigte tragbar mit sich führen zu können.
Schließlich hatte ich den östlichen Teil der Stadt erreicht und blieb stehen um wieder zu Atem zu kommen. Die frische Luft brannte in meinen Lungen und ich verzog schmerzlich die Miene, als ich weiterlaufen wollte. Dieses Gefühl, keine Luft zu bekommen, weil das Volumen meiner Lunge zu klein war, war grausam.
Mein Weg führte mich weiter durch die Häuserschluchten. Etliche Straßen, welche ich einschlug führten in eine Sackgasse oder ich kam aufgrund von herumliegendem Schutt nicht weiter. Immer jeder musste ich umdrehen und zurück rennen. Das Gewicht auf meinen Schultern fühlte sich nun noch mal zehn Kilo schwerer an und der Himmel wurde zu allem Unglück immer dunkler, zudem frischte der Wind auf und trug Regen mit sich. Ich hätte mir den Stadtplan besser ansehen müssen, hätte mir besser meiner Situation bewusst werden sollen, doch das alles war jetzt auch nicht mehr zu ändern.
Letztendlich schlug ich den letzten Weg ein, welcher noch zur Auswahl stand.
Erst dachte ich, ich wäre falsch abgebogen, doch der Weg schien immer weiter zu gehen, sodass ich die letzte Möglichkeit ergriff und diesem einfach folgte.
Nach einer weiteren gefühlten Ewigkeit stand ich vor dem alten Gebäude. Noch einmal sah ich über meine Schulter in der Hoffnung, die Gestalt meiner Schwester zu sehen, doch es war keine Lebewesen zu erkennen, welches meiner Schwester auch nur im entferntesten ähnelte.
Immer noch ein wenig nach Atem ringend betrat ich das Gebäude und atmete nun auf. Der Wind hatte sofort aufgehört an meinen Haaren und meiner Kleidung zu ziehen, sobald ich das Gebäude betreten hatte, auch sonst war hier drinnen nicht sonderlich viel von dem beginnenden Unwetter da draußen mitzubekommen. Nun konnte ich nur noch hoffen und beten, dass meine Schwester es noch rechtzeitig hier her schaffte oder einen anderen sicheren Ort fand.
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